14.02.2007

Seetang im Seegang

platte buch

Es ist wie mit der Speise, die man als Kind schon nicht vertragen hat und nach deren Verzehr man immer brechen musste. Man hat während des Heranwachsens, in der albernen Hoffnung, man gewöhne sich an alles, vielleicht versucht, sich abzuhärten, indem man sich die ungeliebte Speise immer wieder zuführte. Aber das funktioniert nicht. Bis heute wird einem schlecht. Genau so ist es auch mit dem, was als »deutschsprachige Popmusik« verkauft wird.

»Wir lassen uns gehen und machen uns frei / von allen Gedanken«, singen Anajo. Und das glaubt man ihnen sofort, wenn man die Texte auf dem Schmierfilm aus dudelfunkkompatiblem und seichtem Normklang genauer betrachtet, der sich auf ihrer CD befindet. Beide Bands, Anajo wie auch Geschmeido, haben nicht nur das alberne »O« im Bandnamen gemeinsam, sondern auch die Selbstüberschätzung, das hörbare Bemühen, das Hüftsteife an ihrer Musik zu überspielen, den unvermeidlichen, quälenden Reimzwang, der zu deutschem Pop gehört wie der Arsch auf den Eimer: »Ja, das ist eventuell nicht sehr originell / doch hochoffiziell mein Naturell« (Anajo), »Dein Haar wie Seetang / im schweren Seegang« (Geschmeido), das infame, unausrottbare Liebe-La-La-La-Larifari: »Nimm mich in deinen Arm / es ist so weich und es ist so warm« (Anajo), den Hang zu schrecklich unbeholfener, gemeinplätziger und klischeeverliebter, aber offenbar ernst gemeinter Gymnasiastenlyrik. Bei beiden Bands herrscht eine textliche Harmlosigkeit und Einfalt, die die Teletubbies dagegen wie Gewaltverbrecher wirken lässt. Unterlegt ist diese Banalitätensammlung mit einem so oder ähnlich schon millionenfach gehörten, gänzlich unoriginellen Gitarrenklangteppich, der so neuartig und aufregend ist wie ein Spülschwamm. Abgeschmackter Leitzordnerpop von deutschen Wohlstandskindern mit Fön­frisuren. Lässt sich Schlimmeres denken?

thomas blum

Anajo: Hallo, wer kennt hier eigentlich wen? Geschmeido: Auf Wiedersehen (beide Tapete-Records)