Die Stellung halten

Die neue US-Strategie im Irak von thomas von der osten-sacken

Als im Januar die irakische Regierung einen neuen Plan zur Befriedung Bagdads ankündigte, stieß dies auf wenig internationale Resonanz. Die Operation »Imposing Law« schien nur ein weiterer, zum Scheitern verurteilter Versuch zu sein, inmitten sektiererischen Mordens, Terrorismus und Milizenherrschaft so zu tun, als hätte man noch die Kontrolle. Fast unbemerkt aber hatten die USA sowohl mit der Einsetzung von General David Petraeus das militärische Oberkommando ausgetauscht, als auch Timothy Carney zum neuen Koordinator für die Wiederaufbauhilfe ernannt.

Beide sind Kritiker der bisherigen US-Politik, offenbar soll, gemeinsam mit den irakischen Verbündeten, eine neue Strategie entwickelt werden. Michael Rubin deutet es an: Die Truppen sollen langfristig bleiben, damit nach ihrem Abzug keine Milizionäre oder Terroristen die Kontrolle übernehmen können.

Es ist zu früh, um über die langfristige Wirkung dieses Konzepts zu spekulieren. Doch es gibt einige Resultate: Die Terroranschläge auf Zivilisten sind signifikant zurückgegangen, die irakische Zeitung al-Mada meldete, dass im Februar in den Leichenschauhäusern Bagdads nur halb so viele Opfer eingeliefert worden seien wie im Vormonat. Und die ersten Flüchtlinge kehren in zuvor umkämpfte Stadtviertel zurück. Nach offiziellen Angaben sollen es bislang 1 020 Familien sein.

Diese Zahlen mögen lächerlich wirken angesichts Hunderttausender, die vor sektiererischer Gewalt geflüchtet sind, sie werden in der irakischen Presse jedoch als ein Zeichen der Hoffnung beschrieben. Dort mehren sich auch Berichte über wieder eröffnete Alkoholläden und Restaurants, beim irakischen Radio Sawa rufen Menschen aus Bagdad an und berichten von einer Beruhigung der Lage.

Seit der schiitische Islamistenführer Muqtada al-Sadr untergetaucht ist, scheinen seine Mahdi-Milizen geschwächt. Obwohl Verhaftungen von Anhängern Sadrs inzwischen an der Tagesordnung sind, geben sich ihre im Irak verbliebenen Führer moderat und stimmten Reuters zufolge sogar einer Großrazzia in ihrer Hochburg Sadr City und einer dauerhaften Präsenz amerikanischer und irakischer Truppen dort zu.

Nachdem al-Qaida im Irak eine Moschee voller Betender in die Luft sprengte, deren Imam den Terrorismus öffentlich verurteilt hatte, lieferten sich Stammesmilizen im so genannten sunnitischen Dreieck heftige Kämpfe mit Anhängern des Terrornetzwerks. In einem Radiointerview versicherte am Samstag ein anonymer Sprecher des Verbandes der Stämme in al-Anbar George W. Bush seiner Unterstützung und erklärte, es sei falsch gewesen, den Wahlen fernzubleiben und »Widerstandskämpfer« zu unterstützen.

Offenbar verfolgen die Amerikaner nun eine Strategie, die auf den Erhalt multikonfessioneller Stadtviertel und Städte zielt. Den irakischen Parteien ist es gelungen, sich auf ein neues Ölgesetz zu einigen, das einen Verteilungsschlüssel der Einnahmen für die Provinzen und autonomen Regionen vorsieht, wobei die Zentralregierung die Kontrolle über das Ölministerium behalten soll.

Kurz vor der Irak-Konferenz in Bagdad, an der neben Europäern und Amerikanern aller Voraussicht nach auch Syrer und Iraner teilnehmen werden, scheint Bewegung in die verfahrene Situation zu kommen. Die US-Regierung weiß sehr wohl, dass sie nur noch wenige Monate hat, um das Blatt zu wenden. Denn die Stimmen, die für den Rückzug plädieren, auch wenn dies bedeutet, den Irak Milizen, Terroristen und dem Einfluss benachbarter Diktaturen zu überlassen, werden nicht nur in Europa, sondern auch in den USA immer lauter.