Es klappert die Mühle

Die alte Wassermühle in Rosenthal-Bielatal in der Sächsischen Schweiz wird offensichtlich zu einem Zentrum für Neonazis umgebaut. von alexander fichtner

Rosenthal-Bielatal, ein kleiner Ort in der sächsischen Schweiz mit etwa 1 800 Einwohnern, an der Grenze zur Tschechischen Republik: Die Straße endet hier, nur ein kleiner Wanderübergang führt über die Grenze. Manche Menschen beginnen bereits mit dem Frühjahrsputz. Besonders emsig an einem etwas heruntergekommenen Gebäude, das seit der Wende leersteht. Jahrelang hat der Besitzer Heino Janßen aus Norddeutschland das Anwesen vernachlässigt, nun regt sich etwas in der alten Wassermühle.

Nicht nur im Ort sind die jungen Männer bekannt, die auf dem Gelände die Sträucher schneiden und das Gebäude entrümpeln. »An der alten Mühle wird so ziemlich jeder gesichtet, der beim SSS-Reigen dabei war«, erzählt ein regionaler Antifa. Die »SSS«, die »Skinheads Sächsische Schweiz« (SSS), hatten Ende der neunziger Jahre mit ihrem paramilitärischen Auftreten und rassistischen Übergriffen für Schlagzeilen gesorgt. Später wurden sie verboten. Die Neonazis, meint der Antifa, seien derzeit dermaßen mit der Mühle beschäftigt, dass sie sogar den »Trauermarsch« am 13. Februar in Dresden vernachlässigt hätten und dort nur mit 20 Leuten statt wie im vergangenen Jahr mit 150 auftauchten.

Unter den rechtsextremen Handwerkern befindet sich auch der als SSS-Rädelsführer verurteilte Thomas Rackow. »Der Eigentümer hat uns gebeten, beim Aufräumen zu helfen«, wird er in der Sächsischen Zeitung zitiert. Seit April 2005 ist Rackow Vorsitzender des Kreisverbandes der Jungen Nationaldemokraten in Pirna und seit Februar 2006 Mitglied im NPD-Kreisvorstand Sächsische Schweiz. Außerdem ist er persönlicher Referent des NPD-Fraktionsgeschäftsführers im Sächsischen Landtag, Johannes Müller, und stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten.

Die Neonazis bestreiten, dass ihr Mühlenprojekt etwas mit der NPD zu tun habe. So unterzeichnete Martin Schaffrath, der Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten im Landkreis Sächsische Schweiz, einen »Bürgerbrief« an die Dorfbewohner, in dem die Interessengemeinschaft »Mühle Bausenstein« die Pläne dementiert, aus dem Gebäude, das zu DDR-Zeiten eine Ferienunterkunft war, ein NPD-Schulungszentrum machen zu wollen. »Denkbar ist aber, dass in ferner Zukunft dort ein offener Jugendtreff eingerichtet wird, in dem nicht wie in anderen Treffs der Region üblich, nach Aussehen, Frisur und Kleidungsstil selektiert wird und junge Menschen nur aufgrund einer politischen Meinung diskreditiert werden«, hieß es in dem Flugblatt.

Erst im Dezember wurde das Kleidungsgeschäft »Crime Store« in Pirna, das nach Angaben des Akubiz (Alternatives Kultur- und Bildungszentrum) Schaffrath gehört, von der Polizei durchsucht, und zwar wegen Ausschreitungen von Hooligans bei einem Spiel zwischen Dynamo Dresden und dem 1.FC Magdeburg im September.

Schaffrath sei für die Rosenthal-Bielataler »kein unbeschriebenes Blatt«, schreibt der Gemeindebürgermeister Bernd Gotschald in einer Erklärung im Rosenthal-Bielataler Dorfblatt. Schaffrath sei im Jahr 2003 persönlich an einem Überfall auf den örtlichen Jugendklub beteiligt gewesen. Seine nun demonstrierte Offenheit sei Hohn.

Auch der Besitzer der Mühle ist bekannt. Heino Janßen aus Zetel bei Wilhelmshaven, der die Mühle nach der Wende von der Treuhandanstalt erworben hatte, verteilte im Jahr 1997 Flugblätter in Rosenthal-Bielatal, wie ein Bürger, der anonym bleiben will, der Jungle World erzählt. »Aufruf an alle Deutschen zur Notwehr gegen die Überfremdung – Der Völkermord am deutschen Volk«, war darin zu lesen. Neben Janßen gehörte damals auch der heutige Fraktionsvorsitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, zu den Unterzeichnern der Schrift. Darin wurde der damaligen Bundesregierung vorgeworfen, mit ihrer Ausländerpolitik »die klare Absicht, das deutsche Volk auszulöschen«, zu verfolgen.

Andere Texte Janßens sind im Internet auf der Seite des »Bundes für echte Demokratie« verlinkt, einer Website, auf der von Antisemitismus bis hin zu Verschwörungstheorien alles zu finden ist. In kruden Gedichten und Pamphleten behauptet Janßen, bei der Bombardierung Dresdens im Jahr 1945 seien mehr Menschen umgekommen als durch die Shoa; die Juden hätten nach 1945 einen Massenmord an Deutschen geplant, indem sie Gift ins Trinkwassernetz hätten einleiten wollen.

Im vorigen Herbst verteilte Janßen nach Angaben der Antifagruppe AG Nordwest in Bad Zwischenahn bei Oldenburg auf einer Veranstaltung der »Interims Partei Deutschland«, einer Splittergruppe der selbsternannten »Reichsbürger«, seine Flugblätter. Die »Reichsbürger« bestreiten die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik mit der Begründung, das Deutsche Reich habe 1945 nicht aufgehört zu existieren. In Janßens Lesart ist die Bundesrepublik »Feindstaat Nr.1«, da sie »Reichsgebiet« okkupiert habe. Janßen sei schon Mitte der neunziger Jahre bei Behörden mit seinen rechten Sprüchen aufgefallen, erzählt der Rosenthal-Bielataler Bürger. Antifas vermuten, es könne bereits seit dieser Zeit eine Verbindung zwischen den »Reichsbürgern«, Janßen und der ehemaligen »SSS« bestehen.

Rosenthal-Bielatal scheint eines der typischen Dörfer in der Sächsischen Schweiz zu sein. Der Bürger erzählt von den Verbindungen, die in der Gemeinde zu den Neonazis bestehen: Die Eishockeymannschaft »Rosenthaler Eisfüchse« etwa zähle die Pirnaer Fahrschule Gregor zu ihren Sponsoren. Sie gehörte dem im vorigen Sommer bei einem Autounfall ums Leben gekommenen NPD-Landtagsabgeordneten Uwe Leichsenring.

Auf der Internetseite der Gemeinde sind Jugendliche beim Basteln für den 650. Geburtstag von Rosenthal abgebildet, einer von ihnen mit dem T-Shirt »Good Night Left Side«. Auf anderen Fotos sind Leute in Ritterrüstungen zu sehen, dahinter steckte unter anderen Ferry Weihs, verurteiltes Mitglied der »SSS«, erzählt der Bürger aus Rosen­thal-Bielatal. Ex-»SSS«-Rädelsführer Rackow ist als Veranstalter von Mittelalterkämpfen, so genannten Feldschlachten, bekannt. Was man eben so liebt, in der Sächsischen Schweiz.