Fenster auf!

Das neue Windows Vista kontrolliert die digitalen Rechte des Users, hat aber leider nicht immer Recht. von boris mayer

Fünf Jahre hat es gedauert, es fertig zu stellen, fünf Jahre voller Ankündigungen über die Features, die nun mehr oder weniger enthalten sind. Ja, Windows Vista von Microsoft sieht toll aus. Die neue Benutzeroberfläche, Aero genannt, wartet dem Hersteller zufolge mit »verblüffenden optischen Effekten« auf, mit »schicken Animationen«, die in der englischen Version sogar zu »hilfreichen Animationen« werden. Es bietet glasähnlich wirkende Menüleisten und Vorschaubilder von Programmen in einer Miniaturversion. Das klingt gut, aber leider gibt es das neue Funkeln nicht für alle: Die Einsteigerversion »Windows Vista Home Basic« bringt das schöne neue Aero nicht mit. Aber dafür gibt es ja eine Online-Upgrade-Funktion, mit der man bequem von zu Hause aus auf die jeweils neueste Version von Windows zugreifen kann.

Auch in der kleinsten Version gibt es aber schon kleine Helferlein, die das Leben am Computer einfacher machen sollen: eine schnelle Sofortsuche, um Informationen auf dem eigenen Computer zu finden, egal, ob sie nun in Office-Dokumenten, in E-Mails oder anderen Dateien versteckt sind; und kleine Mini-Programme in der Windows-Sidebar, mit denen man sich aktuelle Informationen wie den Wetterbericht oder Nachrichten ansehen können soll. In Zeiten von Multimedia enthält Vista natürlich auch ein neues Werkzeug, um die eigenen Fotos besser verwalten und auch weitergeben zu können.

Doch Moment, ist das alles innovativ? Nein, denn es ist wieder einmal nur innerhalb der Microsoft-Windows-Welt neu. Die Beschreibung der einzelnen Optionen klingt nicht nur wie die von Apples MacOS X, beim Vergleich fällt auch eine sehr starke Ähnlichkeit auf. Die Mini-Programme etwa heißen bei MacOS X »Widgets«, bei Windows sind es »Gadgets«. Die Suche findet bei Apple rechts oben in der Ecke statt, bei Microsoft links unten, der Funktionsumfang und die Präsentation sind fast gleich. Und die Anwendungen zur Fotoverwaltung bieten gegenüber Apples iPhoto auch nichts Neues.

Aber immerhin ist das alles für Windows-Anwender neu. Und da auf 95 Prozent der Computer Windows installiert ist, dürften die tollen neuen Sachen auch als solche wahrgenommen werden.

Ein wirklich besonderes Highlight von Windows Vista aber ist die Spracherkennung. Mit ihrer Hilfe kann jetzt der Computer komplett mit Sprachbefehlen bedient werden. Doch die schicke Spracherkennung, auf englisch voice recognition, macht so große Probleme, dass sie in diversen Foren inzwischen als voice wreckognition, also als Sprach-Abwrackung bezeichnet wird. Das System kann nämlich nicht unterscheiden, ob der Benutzer gerade dem Computer einen Befehl gibt oder ob er sich mit jemandem im Raum unterhält. Zudem schafft es die Spracherkennung nicht immer, zwischen Befehlen und Eingaben zu unterscheiden, z.B. wenn der User dabei ist, einen Text in Word einzugeben und »löschen« sagt. Will er dann wirklich etwas löschen, oder einfach den Satz »Die Feuerwehr konnte den Brand schnell … « sinnvoll beenden? Auf Youtube kursieren bereits einige Videos, auf denen an der Spracherkennung verzweifelnde Benutzer zu sehen sind.

Doch es sind ja nicht nur die mehr oder weniger neuen Funktionen, die Windows Vista auszeichnen sollen. Microsoft verspricht auch deutlich mehr Sicherheit, was Angriffe auf den Computer aus dem Internet verhindern soll. Wie gut das funktioniert, muss sich aber erst noch zeigen, denn bisher haben die Entwickler »schädlicher Software« es immer geschafft, Schutzstrategien irgendwie auszuhebeln.

Eine der hässlicheren Neuerungen von Windows Vista ist das Digital Rights Management, kurz DRM. Dieses System verwaltet die Rechte des Benutzers an bestimmten Medien und entscheidet, ob der User berechtigt ist, ein Musikstück oder einen Film zu konsumieren. Das DRM soll das Raubkopieren bekämpfen. Doch es hält Überraschungen bereit: Hat der Benutzer einen alten Monitor, eben einen, der das DRM-System nicht unterstützt, so verweigert Windows das Abspielen bezahlter hoch aufgelöster Filme. Stattdessen wird ein Video minderer Qualität angezeigt. Gleiches gilt für den Sound, da die Soundkarte und Ausgabegeräte wie Boxen das System unterstützen müssen. Wenn nicht, dann gibt es eben entweder keinen oder nur Ton in minderer Qualität.

Aber diese Herabstufungen sind noch nicht alles. Vista überprüft im Hintergrund ständig, ob nicht irgendwelches copyrightgeschützte Material illegal angezeigt wird, und verbraucht damit Rechenleistung. Dies führt dazu, dass ein Computer deutlich mehr Leistung mitbringen muss, um unter Vista die gleiche Leistung wie mit dem alten Windows XP zu erreichen.

Microsoft rechtfertigt das Kontrollsystem mit dem Hinweis auf Hollywood, das dem Softwarekonzern ein solches System auferlegt habe und sonst nicht erlaubt hätte, dass man mit Vista Filme von Blue Ray Disk oder HD-DVD abspielen kann.

Bruce Schneier, Computer-Experte und Verfechter von digitalen Bürgerrechten, steht mit seiner völlig anderen Meinung allerdings nicht allein. »Microsoft hat alle diese verkrüppelnden Funktionen in Vista integriert, weil es die Unterhaltungsindustrie in der Hand haben will.« Vorbild sei Apple, das mit seinem Programm iTunes der Musikindustrie die Preise diktieren konnte.

Die neuen Schutzsysteme seien zudem von professionellen Piraten genauso leicht zu überwinden »wie jedes andere DRM-System, das jemals erfunden wurde«.

Schneier zufolge geht es aber nicht nur um die Vergnügungsindustrie: »Vistas DRM verlangt Hardwaretreiber, die einer Menge Regeln entsprechen und von Microsoft zertifiziert sein müssen. Ansonsten arbeiten sie nicht in dem System.« Damit zielt Microsoft also auch darauf, die Hersteller von Peripheriegeräten wie Monitoren, Audio-Komponenten, Drucker usw. von sich abhängig zu machen.

Überdies kommt Vista in einer Zeit auf den Markt, in der ein Umdenken im Musikgeschäft stattfindet. Die ersten großen Plattenfirmen wie Sony oder die EMI-Gruppe verzichten bei ihren CDs auf einen Kopierschutz, da sie inzwischen erkannt haben, dass ihre DRM-Systeme den eigenen Kunden die Probleme bereiten – fast jeder dürfte inzwischen erlebt haben, dass sich eine legal erworbene CD auf irgendeinem Abspielgerät, sei es im Auto oder auch nur im günstigen DVD-Player, nicht abspielen lässt.

Die Anforderungen von Vista an die Hardware des Computers sind aber nicht nur wegen des DRM-Systems gestiegen. Auch die anderen Komponenten verbrauchen mehr Leistung als zuvor. Auf einigen älteren Computern läuft Vista deshalb nicht, auf vielen läuft es nur quälend ruckelig. Zudem arbeitet es nicht mit allen Grafikkarten und mit anderen Geräten zusammen. Schon alleine dies wäre Grund genug, nicht auf Vista zu wechseln, selbst wenn man all die neuen Funktionen mag und meint, mit deren Nachteilen leben zu können. Entsprechend schleppend verliefen auch die bisherigen Verkäufe für Windows Vista.

Trotzdem braucht sich Microsoft um den Erfolg des neuen Produkts keine Gedanken zu machen: In spätestens ein bis zwei Monaten wird jeder neue PC mit einem Vista daher kommen. Man wird es also früher oder später haben, es sei denn, man kauft sich gleich einen Mac.