Sein Name ist Hase

Bei den Präsidentschaftswahlen im Senegal wurde der Amtsinhaber mit großer Mehrheit wiedergewählt. Die Opposition spricht von Wahlfälschung. von sophie feyder

Der Pressesprecher von Abdoulaye Wade jubelte: »Wir haben nicht nur die erste Runde gewonnen, wir haben überhaupt gewonnen!« Und er hatte allen Grund dazu. Mit großer Mehrheit wählten die Senegalesen am 25. Februar den Präsidenten wieder. Nach Angaben der Wahlkommission erhielt Wade knapp 56 Prozent der Stimmen, eine Stichwahl ist nicht nötig.

Eine vernichtende Niederlage für die Opposition, die sie aber nicht eingestehen will. Sie hatte sich weit höhere Stimmenanteile erhofft, doch der ehemalige Premierminister Idriss Seck errang nur knapp 15 Prozent, auf dem dritten Platz folgte mit 13,5 Prozent Ousmane Tanor Dieng, der Kandidat der Sozialistischen Partei (PS), die das Land in den ersten 40 Jahren nach der Unabhängigkeit regiert hatte.

Es wirkte etwas kurios, dass Tanor Diengs Sprecher behauptete: »Seit Senegals Unabhängigkeit wurde keine Wahl so gefälscht wie diese.« Erst 1976 ließ der PS andere Parteien überhaupt zu, und dass es im Jahr 2000 keine größeren Wahlmanipulationen gab, war eine Folge des Drucks der Opposition und nicht der Einsicht der PS-Bürokraten. Doch in der Tat überrascht das Ergebnis der Wahl, denn der 80jährige Wade hinterlässt nach sieben Jahren an der Regierung eine mittelmäßige Bilanz.

Die Bevölkerung leidet unter Versorgungsengpässen, etwa unter den immer häufiger auftretenden Stromausfällen. Wade, der auch der »Hase« genannt wird, ein Tier, das im Senegal als besonders schlau gilt, kommentierte: »Es stört mich nicht, wenn es kein Licht gibt. Wir sind nicht Frankreich. Wir sind ein Land, das zwischendurch auch einmal zum Kerzenlicht zurückkehren kann.«

»Zusammen bauen wir weiter«, war Wades Slogan. Tatsächlich gibt es viele neue Baustellen in den Städten, die der Bevölkerung signalisieren sollen, dass die Regierung etwas für sie tut. Dass in Dakar kurz vor der Wahl gleichzeitig die beiden Hauptverkehrsstraßen aufgerissen wurden, fand allerdings nicht den Beifall der Einwohner.

Das Wirtschaftswachstum sank im vergangenen Jahr von rund fünf auf 2,8 Prozent. Die 40 000 neuen Stellen im öffentlichen Dienst, die Wade geschaffen hat, lösen auch nicht das Problem der Massen­arbeitslosigkeit vor allem unter Jugendlichen. Der Journalist Aziz Seck schreibt auf dem Blog Backshish.info, Wade habe mehr erreicht »als die 35-Stunden-Woche. Die 0-Stunden-Woche. Das einzige Problem ist, dass sie noch nicht bezahlt wird. Das wird die nächste ›Sopi‹.« Sopi bedeutet so viel wie »Wandel« auf Wolof, einer der offiziellen Sprachen im Senegal. »Sopi« nannte sich auch die Koalition, die Wade im Jahr 2000 an die Macht gebracht hatte.

Hat sich auch Wades Haltung zur Wahlmanipulation gewandelt? Der PS sieht die neuen Wählerlisten und die biometrischen Stimmkarten als eine Quelle der Manipulation und behauptet, vielen Wählern seien zwei Karten ausgehändigt worden. Habib Fall, der für die Modernisierung des Wahlsystems zuständig ist, musste zugeben, dass rund 200 000 Personen gar keine Wahlkarte erhalten hatten. Dem PS zufolge sollen davon vor allem Bezirke betroffen gewesen sein, in denen Wade unbeliebt ist.

Die Opposition, die sich inzwischen zur »Front zur Verteidigung des Senegals« zusammengeschlossen hat, hat beim Verfassungsgericht bereits Klage gegen den Wahlausgang eingereicht. Allerdings haben die Wahlbeobachter der Ecowas (Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten) und internationaler NGO erklärt, dass die Unregelmäßigkeiten keine Auswirkungen auf das Ergebnis gehabt hätten.

In diesem Jahr traten doppelt so viele Kandidaten an wie zuvor, und es beteiligten sich auch doppelt so viele Wähler an der Abstimmung. Bestätigen diese Wahlen den Ruf des Senegals, ein Modell für Demokratie in Afrika zu sein? »Es kommt darauf an, was man unter Demokratie versteht«, meint der Sozialforscher Doudou Gué im Gespräch mit der Jungle World. Hinter der demokratischen Fassade verberge sich ein tief verankerter politischer Klientelismus, im Wahlkampf hätten Programme kaum eine Rolle gespielt. »Man wählt nicht ideologisch im Senegal. Man wählt nach der regionalen oder religiösen Zugehörigkeit. Und man stimmt vor allem für denjenigen, der den eigenen gegenwärtigen Interessen am meisten dient.«

Mit einem Wahlkampfbudget von umgerechnet gut zehn Millionen Euro gelang es Wade, Anhänger an sich zu binden. Bedeutende Geistliche der Mouriden, der größten islamischen Bruderschaft im Senegal, die viele Sektoren der Wirtschaft kontrolliert, sollen mit Geld und neuen Autos versorgt worden sein. Sie erließen ein nigl, eine Anweisung an ihre Anhänger, Wade zu wählen, schätzungsweise 30 bis 45 Prozent der Bevölkerung.

Doch auch andere Gruppen wie die »Bewegung der Frauen« sollen, glaubt man der Zeitschrift Walf Fadjri, Geld von Wade erhalten haben. Seine Demokratische Liberale Partei ließ zudem Feste ausrichten und verteilte kostenlos Mahlzeiten – sogar mit Fleisch. Wade nennt so etwas »Wahlkampf der Nähe«. Ihn überraschte es nicht, dass so viele Menschen ihn wählten, vor allem auf dem Land. Schließlich habe er eine »starke seelische Bindung« an sie.

»Es ist das Geld, das gewählt hat, es ist nicht die Zivilgesellschaft«, sagt Emmanuel Ndium von der NGO Enda–Tiers Monde der Jungle World. »Für ein paar Augenblicke des Glücks vergessen die Leute ihre Zukunft.« Eigentlich unterscheide sich der Senegal in dieser Hinsicht gar nicht so sehr von Frankreich, meint Doudou Gué, nur seien im Senegal die Verwöhnung der Wähler und die Versprechungen viel punktueller und auf den einmonatigen Wahlkampf begrenzt. »Immerhin hat der Wahlkampf ein paar vorübergehende Arbeitsplätze geschaffen«, meint Ndium, »für T-Shirt-Verkäufer, für Sänger von Wahlslogans, für bezahlte Zuschauer, die die Versammlungen vergrößern sollten.«

Auch dass die Opposition sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnte, hat Wades Sieg erleichtert. Und obwohl seine entwicklungspolitischen Erfolge dürftig sind, ist der Präsident weiterhin populär. Immerhin gelang es ihm im Jahr 2004, die Kämpfe in der Südprovinz Casamance durch ein Friedensabkommen mit den bewaffneten Separatisten weitgehend zu beenden. Viele junge Leute haben zudem nicht vergessen, dass Wade im Jahr 2000 der erste war, der die Probleme der Jugend angesprochen hat.

Nach wie vor gilt Wade als der Mann der Wende und des Wandels, der die 40jährige Herrschaft des PS beendete. »Seitdem vertrauen die Leute der Demokratie und haben verstanden, dass es möglich ist, mit Wahlen etwas zu ändern«, sagt Doudou Gué. »Das erklärt auch, warum so viele Menschen zur Wahl gegangen sind.«