Blüten im KZ

Der Regisseur Ruzowitzky schafft mit seinem Spielfilm »Die Fälscher« eine einfühlsame Annäherung an die reale Geschichte des Geldfälscherkommandos im KZ Sachsenhausen. von kerstin eschrich

Salamon Smolianoff, der russische Meis­terfälscher, hat im KZ Sachsenhausen ein Selbstporträt angefertigt. Es zeigt einen älteren Mann mit tiefen Falten und dunklen Schatten unter den Augen, sein Gesicht ist schmerzvoll verzerrt. Smolianoff musste für die Nationalsozialisten Banknoten, Pässe, Dokumente und englische Briefmarken fälschen. Im KZ Sachsenhausen, in den abgeschotteten Baracken 18 und 19, traf er den slowakischen Drucker Adolf Burger, auch ihn por­trätierte er ausdrucksstark. Burger hat die Zeichnung seinem Buch »Des Teufels Werkstatt« vorangestellt, in dem er akribisch, versehen mit zahlreichen Dokumenten, Zeichnungen und Fotos, die Geschichte der hochgeheimen NS-Geldfälscherwerkstatt nacherzählt. (Jungle World, 18/05)

Stefan Ruzowitzkys Spielfilm »Die Fälscher« basiert auf Burgers Tatsachenbericht. Ein russischer Geldfälscher (Sorowitsch) und ein kommunistischer Drucker (Burger) sind die Hauptfiguren in seinem Film über das jüdische Fälscherkommando. Dem Regisseur gelingt es erstaunlich souverän, das Dilemma der KZ-Insassen darzustellen, die als vergleichsweise privilegierte Sonderhäftlinge den Nationalsozialisten zu Diensten sein mussten: Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, den Massenmord zu überleben, und dem Wissen, dass andere Menschen einige Meter weiter ermordet werden, gequält und erniedrigt, bis hin zu dem demütigenden Gefühl, ein Schwächling, Feigling, Verräter zu sein. Es waren die Nationalsozialisten, die die privilegierten Häftlinge in diesen barbarischen Zwiespalt brachten, daran lässt der Film keinen Zweifel.

Wenn einer der SS-Schergen auf Sorowitsch uriniert, der neben ihm den Toilettenboden putzt, und in verächtlich-moralisierendem Tonfall sagt, Sorowitsch und seinesgleichen täten wirklich alles, um ihr Leben zu retten, ist die Erkenntnis schonungslos: Diese Menschen sind zum Tode verurteilt. Für das Fälscherkommando waren ausschließlich Juden ausgewählt worden, die nach getaner Arbeit ermordet werden konnten. Der Film zeigt auch, die Häftlinge haben weiße Bettlaken, bekommen regelmäßig Essen, arbeiten in einer sauberen Umgebung und spielen Tischtennis: Sie werden fast wie Menschen behandelt.

Der Kommunist Burger (August Diehl) ist die moralische Instanz bei Ruzowitzky. Daneben steht Sorowitsch, dessen Geschichte die Rahmenhandlung bildet. Er ist dargestellt als schlitzohriger Lebemann, der das Leben leicht nimmt, eine sehr sympathische Figur. Er ist derjenige, der letztlich das handwerkliche Vermögen hat, die Wünsche der Nationalsozialisten nach perfekt gefälschten Banknoten zu realisieren.

Die Figur Sorowitsch, die sehr eindrücklich von Karl Markovics gespielt wird, ist nicht als Gegenpart zu Burger aufgebaut. Auch wenn deutlich wird, dass der professionelle Geldfälscher den verzweifelten Rigorismus des Kommunisten, mit dem dieser immer wieder dazu aufruft, die Arbeit zu verweigern und Sabotage zu leisten, nicht nachvollziehen kann. Ähnlich wie Burger seine kommunistische, hat er seine Ganovenehre, die die Nationalsozialisten nicht korrumpieren können. Damit ist der Kriminelle vordergründig erfolgreicher als der Politische, wenn er es etwa schafft, als Gegenleistung für das Versprechen, den Dollar pünktlich zu liefern, Medikamente für einen TBC-kranken jungen russischen Häftling bei dem Leiter der Aktion, SS-Offizier Herzog, herauszuhandeln. Doch dabei belässt es Ruzowitzky nicht: In dem Moment, in dem die NS-Verbrecher den perfekt gefälschten Dollar in den Händen halten, ist das Leben des jungen TBC-Kranken nichts mehr wert. Er wird erschossen. Nicht persönlich vom Leiter der Fälschungsaktion, Herzog, sondern von dessen Untergebenen.

Auch der Schreibtischtäter hat ein reales Vorbild. Es war der SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger, der die NS-Fälschungsaktion in Sachsenhausen leitete. Nach dem Krieg tauchte er einige Jahre unter und hatte bald von der Justiz nichts mehr zu befürchten. Dabei war er es, der Burger zufolge die Ermordung von sieben kranken Häftlingen befohlen hatte.

Krüger war vor seiner Zeit in Sachsenhausen bei der Kriminalpolizei als Experte für Geldfälschungen tätig. Im Jahr 1942 lief das »Unternehmen Bernhard« an, die Nationalsozialisten rekrutierten aus allen Konzentrations­la­gern jüdische »Fachleute« und überstellten sie nach Sachsenhausen. Im Herbst 1944 arbeiteten dort bereits 144 Häftlinge als Fälscher. Sie waren früher Drucker, Setzer, Kupferstecher oder auch Bankangestellte gewesen.

Smolianoff war der einzige Profi unter ihnen. Er hatte in jungen Jahren die Kunsthochschule in Odessa besucht und war 1917 nach Deutsch­land emigriert. Dort nutzte er seine künstlerischen Talente, um Geld zu verdienen: Zusammen mit seinem russischen Professor Eugen Zotoff fälschte er erfolgreich Banknoten im großen Stil. Mehrmals kam er für kurze Zeit ins Gefängnis. 1936 wurde er erneut verhaftet. Krüger holte ihn aus dem KZ Mauthausen in das Fälscherkommando nach Sachsenhausen.

Das Näherrücken der Roten Armee veranlasste die Nationalsozialisten, das Fälscherkommando Mitte März 1945 nach Österreich zu schaffen. Kurz vor dem Ende des Krieges kamen die Häftlinge ins KZ Ebensee, wo sie am 5. Mai von US-amerikanischen Truppen befreit wurden. Im letzten Moment ließen die Nationalsozialisten das gefälschte Geld in Kisten verpackt im See verschwinden.

Dies ist im Spielfilm nicht zu sehen. Die Häftlinge werden dort in Sachsenhausen befreit. Sie werden konfrontiert mit den anderen, ausgemergelten KZ-Häftlingen, die in ihre Baracke eindringen.

Adolf Burger hat die Filmaufnahmen ein Jahr lang begleitet. Er habe darauf geachtet, dass alles seine Richtigkeit habe, sagte er. Er wisse aber auch, dass für den Spielfilm ein weniger kompliziertes Ende nötig war. Der Film gefalle ihm gut.

Bereits kurz nach der Befreiung, im August 1945, erschien eine kurze Broschüre von ihm zu der schier unglaublichen Fälschungsaktion. Viele Jahre brauchte er, um die zahlreichen Dokumente, etwa die Namenslisten aller SS-Männer, die an der Aktion beteiligt waren, aber nie verurteilt wurden, zu sammeln. Im Jahr 1951 brachte er seine Geschichte das erste Mal als Buch heraus, in den folgenden Jahren erschienen immer wieder neue, von ihm mit weiteren Belegen ergänzte Ausgaben. Seit 30 Jahren reist er durch Deutschland, baut seine Stelltafeln auf und berichtet Schülerinnen und Schülern vom Grauen des Nationalsozialismus und warnt vor einem Wiedererstarken des Antisemitismus.

Nun basiert auf seiner Geschichte und seiner Arbeit der Film, eine deutsch-österreichische Koproduktion, die während der Berlinale, bei der sie im Wettbewerb lief, gefeiert wurde. Zu recht, denn der Spielfilm verbindet den Plot mit der einfühlsamen Annäherung an Burgers Geschichte. Ein Spielfilm, der durch seine intelligente, facettenreiche Machart und seine Leichtigkeit beeindruckt, eine Seltenheit bei deutschen Produktionen.

Der Film endet in Monte Carlo kurz nach dem Krieg. Sorowitsch hat einen Koffer voller Geld, er geht ins Spielcasino, setzt beim Roulette scheinbar wahl­los, gewinnt immer mehr und verliert dann alles. Eine junge Frau bedauert ihn. »Wir können uns neues Geld machen«, sagt darauf Sorowitsch – eine überzeugende Nonchalance, die in Erinnerung bleibt.

»Die Fälscher«. Regie: Stefan Ruzowitzky, Deutschland/Österreich 2006, 98 Minuten, Start: 22. März