The French Job

Cesare Battisti wurde in Brasilien verhaftet und muss erneut gegen ein Auslieferungsgesuch aus Italien kämpfen. Am meisten freut sich Sarkozy darüber.

Die Kooperation dreier Justizapparate war nötig, um ihn zu fassen. Dafür, dass Cesare Battisti möglicherweise nun ins Gefängnis kommt, ist jedoch vor allem die französische Polizei verantwortlich. Ohne sie würde der Krimiautor, der in den siebziger Jahren Mitglied der italienischen »Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus« war, wahrscheinlich weiterhin am Strand von Rio de Janeiro jeden Tag Cocktails trinken. Am Sonntag voriger Woche endete seine Flucht vor der italienischen Justiz, die vor dreieinhalb Jahren angefangen hatte. Bis Mitte 2004 lebte Battisti legal in Frankreich. Dort war er in den achtziger Jahren angekommen. 1987 wurde er in Abwesenheit wegen zweier Morde verurteilt, die am selben Tag in zwei verschiedenen Städten verübt worden waren.

2003 hob der damalige französische Justizminister Dominique Preben die Rechtsgarantien, die François Mitterand in den achtziger Jahren für ehemalige linke Militante geschaffen hatte, auf. Hintergrund war das Auftauchen der »Neuen Roten Brigaden« in Italien, die 2002 in Bologna den Regierungsberater Marco Biagi ermordet hatten. Die Ermittlungen gegen die neuen Staatsfeinde waren damals für die Regierung unter Silvio Berlusconi eine gute Gelegenheit, auch gegen die alten vorzugehen. Angefangen mit denjenigen, die sich im Ausland »versteckten«. Das erste Opfer des neuen Kurses hieß Paolo Persichetti; er lebte – genau so wie Battisti und über 100 andere ehemalige italienische Militante linker Gruppierungen – als politischer Exilant in Paris. Er wurde in Verbindung mit dem Mord an Biagi gebracht und sofort nach Italien ausgeliefert.

Ein Jahr später war Battisti dran. Die Regierung in Italien verlangte seine Auslieferung, dabei berief sie sich nicht auf neue Tatbestände, sondern auf eine Verurteilung, die 20 Jahre zuvor erfolgt war. Battisti wurde verhaftet und nach einigen Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen. Als freier Mensch durfte er jedoch in Frankreich nicht mehr leben. Er verlor seinen Pass und musste sich einmal pro Woche bei der Polizei melden.

Mitte August 2004 tauchte er unter. Von ihm fehlte Jahre lang jede Spur, doch dann kam die französische Polizei ihm – offenbar durch die Überwachung von Mitgliedern seines Unterstützungskomitees – auf die Schliche. Seit wann die französische Justiz den Aufenthaltsort Battistis kannte, ist bislang nicht klar. Nach ersten Pressemeldungen hieß es, die Polizei habe erfahren, dass eine Frau ihn in Brasilien besuchen und ihm gesammeltes Geld zum Leben übergeben sollte. In einer konzertierten Aktion der brasilianischen, französischen und italienischen Polizeiapparate seien alle Daten von Flugpassagieren ausgewertet worden, endlich sei man auf den gesuchten Vornamen und das entsprechende Profil gestoßen. Die 55jährige Lucie Abadia, Vorsitzende des Unterstützungskomitees für Battisti, sei gemeinsam mit ihm verhaftet worden, hieß es zunächst, als sie ihn in einem extra angemieteten Hotelzimmer besuchen und ihm 9 400 Euro überreichen wollte.

Abadia dementierte jedoch diese Darstellung und erklärte dem Nouvel Observateur, sie sei lediglich gefragt worden, ob sie Battisti kenne, was sie mit »Ja« beantwortete. Da nichts gegen sie vorlag, wurde sie freigelassen. Sie sei sicher, das Innenministerium habe bereits seit 2006 gewusst, wo sich Battisti aufhalte. »Nicolas Sarkozy lügt über die Details der Verhaftung«, wurde sie am Samstag in Le Monde zitiert. Sie werde bald erklären, was sie damit meine, sagte sie.

An der Festnahme haben brasilianische und französische Polizisten teilgenommen. Eine schnelle Auslieferung Battistis, der am Dienstag voriger Woche von Rio nach Brasilia überstellt wurde, an Italien ist geplant. Die französische Polizei erledigte den Job, die Italiener jubeln: »Wir werden dafür sorgen, dass Battisti so rasch wie möglich nach Italien zurückkehrt«, erklärte Justizminister Clemente Mastella.

Dagegen möchte der Schriftsteller jedoch alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel einlegen, da die definitiv rechtskräftige Verurteilung in Abwesenheit eines Angeklagten sowohl nach französischem als auch nach brasilianischem Recht unzulässig ist. In beiden Ländern, die an der Verhaftung beteiligt waren, hätte Battisti ein Anrecht darauf, dass der Prozess in seiner Gegenwart neu aufgerollt wird.

In Frankreich hat die Verhaftung Battistis – dem der französische Staat selbst absolut nichts vorzuwerfen hat – unterdessen eine Kontroverse ausgelöst. Intellektuelle, Angehörige der Grünen und die trotzkistische LCR sowie der linkspopulistische Präsidentschaftskandidat José Bové kritisierten die Rolle der französischen Polizei dabei scharf. Die linksliberale Tageszeitung Libération widmete dem Thema am Montag voriger Woche ihre Titelseite und sieht in der Festnahmeaktion ein Wahlgeschenk des konservativen Kandidaten Sarkozy an sich selbst. Er nahm zu den Vorwürfen, Wahlpropaganda in eigener Sache betrieben zu haben, in einem Fernsehinterview Stellung und räumte ein, dass die italienische Verurteilungsprozedur in Frankreich nicht zulässig wäre, fügte aber hinzu, über die Auslieferung hätten allein die brasilianische und italienische Regierung zu entscheiden.

Der christdemokratische Präsidentschaftskandidat François Bayrou trat für eine Auslieferung Battistis an Italien, aber gleichzeitig auch für das Recht des ehemaligen Linksradikalen auf einen neuen Prozess in seiner Gegenwart ein. Ähnlich argumentierten Angehörige der Sozialdemokratie, die sich ebenfalls dafür aussprachen, einen neuen Prozess durchzuführen. Ihr Parteivorsitzender, François Hollande, der 2004 Battisti in der Pariser Haftanstalt La Santé besucht hatte, zeigte sich kritisch und machte ein neues Verfahren zur Voraussetzung dafür, dass der Krimiautor überhaupt an Italien ausgeliefert werden könne. Die Präsidentschaftskandidatin seiner Partei, Ségolène Royal, wollte von solchen Finessen hingegen nichts wissen. Sie sagte nur, die Affäre Battisti gehe ihr Land nichts mehr an. Einer Auslieferung möchte sie keine Hindernisse entgegensetzen: »Das ist nicht die wichtigste Frage, die die Franzosen bekümmert.«

Der Fall Battisti scheint auch die Italiener nicht mehr sonderlich zu interessieren. Noch vor drei Jahren wurde nicht zuletzt wegen der französisch-italienischen Kampagne gegen seine Auslieferung aus Frankreich in beiden Ländern eine heftige Debatte über den Umgang mit den ehemaligen Militanten der radikalen Linken begonnen. Heute melden sich vor allem die Rechten zu dem Fall zu Wort. Sie plädieren für Battistis schnelle Auslieferung, damit er »endlich« seine Strafe absitzt. In der linken Tageszeitung il manifesto, die sich noch 2003 stark für ihn engagierte, war vorige Woche lediglich eine einzige Meldung über seine Verhaftung zu lesen. In der Unterzeile wurde er als »ehemaliger Terrorist« bezeichnet.

Ganz andere Töne herrschten, als noch die rechte Regierung nach Battistis Kopf verlangte. Damals, als er untertauchte, lautete die Botschaft der italienischen Linken an ihn: »Renn’, Cesare, renn’!«