Keine Frauen bei den Weathermen

Das Musical »The Whole World Is Watching« von und mit Oliver Augst und Raymond Pettibon banalisiert den US-amerikanischen Underground der Sechziger und Siebziger. von doris akrap

Wenn es um harte Themen wie Politik oder Sex geht, bleiben Männer gern unter sich. Die Flötenspielerin soll wieder gehen, »mag sie sich selbst eins vorspielen«, ordnete bereits Eryximachos in Platons »Gastmahl« an, um mit Sokrates allein unter Männern beim Saufen über den Eros zu debattieren.

So ähnlich denkt wohl auch Oliver Augst, der das vorige Woche in Berlin und Frankfurt aufgeführte Musical »The whole world is watching« maßgeblich zu verantworten hat. In diesem Stück werden die politischen und sexuellen Revolutionsvorstellungen des Weather Underground karikiert, der US-amerikanischen Widerstandsgruppe, die während des Vietnam-Kriegs mit spektakulären Bombenanschlä­gen für Aufregung sorgte. Eine ihrer zentralen Figuren war Bernardine Dohrn.

Doch auf der deutschen Bühne ist keine Frau, nur Augst selbst, der Noisemusiker Keiji Haino, Marcel Deamgen, Schorsch Kamerun und Raymond Pettibon. Dohrn ist nur als Gespenst, als körperlose Stimme präsent, in Form von eingespielten Originalaufnahmen oder durch von den Darstellern mit Piepsstimme vorgelesene Textfragmente über Revolution und Bettgeschichten. Dass es gerade Dohrn war, die die streng militärischen Taktiken des Weather Underground in Frage stellte, kommt nicht vor.

Grundlage des Musicals ist Raymond Petti­bons Video »The whole world is watching: Weatherman ’69«, das er zusammen mit Sonic Youth drehte. Immerhin durfte hier noch Kim Gordon die Rolle der Dohrn über­nehmen und Lieder aus dem Songbook der Weathermen vortragen, die zur Melodie von »White Christmas« »I’m dreaming of a white riot« sangen. In dem Video von 1989 wird Pettibons Plattensammlung politisch aufgeräumt. Vinyl, das die »Bewegung« nicht braucht, wird zerbrochen. Während B.B. King gerade noch mal davonkommt, wird James Brown kalt gemacht.

In der Berliner Inszenierung ist es eine Platte der Monkees, die für unbrauchbar gehalten und zerstört wird. Doch wer nach der Show die Vinylsplitter genauer betrachtet, sieht, dass der Regisseur nur Plattenaufnahmen der »Hanni und Nanni«-Geschichten opfert. Purer Fake also.

Fake ist die zentrale Kritik des Regisseurs am bewaffneten Widerstand. Die Sonnenbrillen von Eldridge Cleaver, Muammar al-Gaddafi und Andreas Baader hätten »die Dekade des Fake eingeläutet«. Alles Selbstbetrug.

Es ist selbstverständlich legitim, die Utopien des politischen Widerstands unter dem Aspekt der Spiegelfechterei zu betrachten. Es ist keines­wegs verboten, sich über kleingeistige Vorstellungen linker Revolutionäre lustig zu machen. Es ist allerdings ziemlich billig, die Geschichte der Black Panthers auf Nationalismus und Chau­vinismus zu reduzieren, ohne ein Wort über die staatliche Repression zu verlieren. Es ist natürlich kein Zufall, dass ausgerechnet im 30. Jubiläumsjahr des Deutschen Herbstes ein deutscher Künstler auf die Idee kommt, ein Stück über den Weather Underground zu inszenieren, in dem trotz merkwürdiger Musikeinlagen kein einziger Ton zu hören ist, der aus dem allgemeinen Urteil über die linken Militanten der siebziger Jahre (»alles Verrückte«) herausfällt.

Hervorstechend an diesem Musical ist nur der wunderbar irre Lärm, den Haino mit seiner elektrischen Gitarre, seinem Stück »Yale Wirtschaftsabsolvent der siebten Generation« und seinem rückgekoppelten und geloopten Geschrei produziert. Ob er wirklich Bauchschmerzen hatte und ob die von der Erinnerung an den Weather Underground hervorgerufen wurden, ist schwer zu sagen.

Im großen Finale spielte Schorsch Kamerun gegen E-Gitarre und Apple-Computer auf einer Blockflöte. Man hörte ihn nicht. Er spielte sich selbst eins vor, während die anderen Jungs beim Saufen weiter schlechte Kalauer über Sex und Revolution machten.