Rettet die Insel!

Demonstrationen auf Mallorca von elke wittich

Eigentlich hatte die Demonstration aufgebrachter Mallorquiner in der vorletzten Woche alle Voraussetzungen, um überall wohlwollend aufgenommen zu werden. Schließlich kann sich jeder vorstellen, wie das sein mag, wenn man auf einer Insel lebt, die vollzukotzen tagtäglich mehrere hundert Touristen angereist kommen.

Und so hätten die 50 000 Demonstranten auch nicht viel mehr tun müssen, als leicht abgewandelte Slogans zu rufen. In verschiedenen Sprachen, so dass auch wirklich jeder Adressat gewusst hätte, dass wirklich er gemeint ist: »Touris, lasst das Saufen sein, Wellness-Urlaub ist auch fein!« hätte sich für die Deutschen ebenso angeboten wie ein entschlossenes »Makler, runter vom Balkon, wir wollen Blumen statt Beton!«

Statt wohlmeinender erntete die Demonstration allerdings in den internationalen Medien überwiegend ratlose Kommentare. Was hauptsächlich am eher vagen Motto des Protestmarschs lag: »Schluss mit der Zerstörung, lasst uns Mallorca retten!«

Schließlich hatten, so wiesen zahlreiche Kommentatoren nach, alle bisherigen Versuche, den Massentourismus zu verringern, die Situation nur noch schlimmer gemacht. Striktere Baubestimmungen führten zu steigenden Immobilienpreisen, strengere Umweltschutzvorschriften zu noch mehr Korruption unter den Amtsträgern der Inseln, und nachdem vor einiger Zeit das Saufen aus Plastikeimern geächtet worden war, stieg nicht etwa die Zahl der nüchternen Urlauber, sondern einfach nur der Preis für die knallorangenen Sangria-Behälter.

Woraus folgt: Mallorca ist einfach nicht zu retten. Was gar nicht so schlimm ist, denn die Insel könnte, ein bisschen guten Willen der so genannten Weltgemeinschaft vorausgesetzt, ein Friedenscamp werden. Dazu muss Mallorca nur komplett mit mindestens zehnstöckigen Hotels, Großraumdiscos und Frittenbuden zugebaut und jeder Einwohner, der dies wünscht, mit angemessenem Startgeld an einen Ort seiner Wahl umgesiedelt werden. Anschließend wird die Insel zum Protektorat der Uno erklärt, und jedes Mitgliedsland erhält das unveräußerliche Recht, jährlich eine bestimmte Menge von Urlaubern dorthin zu schicken.

Die Uno darf dafür nicht nur die mallorquinischen Hotels und Gaststätten bewirtschaften, sondern an Ort und Stelle auch als Alleinveranstalterin auf eigene Rechnung mehrmals wöchentlich Wet-T-Shirt-Contests und Miss-Wahlen durchführen sowie Schlagerabende mit Jürgen Drews veranstalten. Außerdem wird ihr das Recht, eine eigene Sonnencreme-Produktlinie auf den mallorquinischen Markt zu bringen, sowie das Monopol auf den Verkauf von Plastikeimern und extralangen Strohhalmen zugesprochen. Und so wird bereits ein kurzer Aufenthalt auf der Insel friedensstiftend wirken, nicht nur, weil das gesamte von den Urlaubern ausgegebene Geld, mutmaßlich mehrere Milliarden Euro jährlich, von der Uno für Bildungs- und Friedensprojekte ausgegeben werden wird. Wer sich jemals gemeinsam besoffen und anschließend einträchtig nebeneinander in eigens dafür angelegte Grünanlagen gekotzt hat, wird nach diesem Erlebnis wenig Neigung haben, den anderen in irgendeiner bewaffneten Auseinandersetzung zu töten. Um den etwaigen bockigen Rest kümmern sich die eigens dazu ausgebildeten Ballermann-Blauhelme.