Ei, ei, ei, die Osternasen

Jedes Jahr an Ostern trifft sich der »Bund für Gotterkenntnis« im niedersächsischen Dorfmark. Der Verein bezieht sich auf die völkische Ärztin Mathilde Ludendorff. von andreas speit

Sie seien nicht antisemitisch, auch nicht rassistisch oder gar rechtsextremistisch. Nur einem eigenen Glauben hinge der »Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.« (BfG) an. In einem Schreiben verwahrt sich der Vorsitzende der »Weltanschauungsgemeinschaft«, Gunther Duda, gegen »Hetze und Falschinformation«. Der Anlass hierfür ist: Die geplante »Ostertagung« des Bundes im niedersächsischen Dorfmark stößt auf Proteste.

Seit über 30 Jahren richtet der BfG in dem Luftkurort in der Lüneburger Heide die Tagung aus. An die 150 »Gläubige« und Freunde kehrten im vorigen Jahr von Karfreitag bis Ostermontag im Hotel »Deutsches Haus« ein. Meist reisen ganze Familien, vom Opa bis zur Enkelin, an. Mit Politik habe die Tagung nichts zu tun, sagt Gerhard Fuchs, ein Ludendorffer aus dem nahen Haukensbüttel. Auf dem Treffen lauschen die Teilnehmer vermeintlich philosophischen und religiösen Vorträgen.

In diesem Jahr wird unter dem Titel »Was ist deutsch?« über Friedrich Schiller und unter dem Motto »Weisheiten und Verkehrtheiten« über Arthur Schopenhauer debattiert. Im Zentrum der Tagung steht jedoch eine Dame: Mathilde Ludendorff. Nicht nur, weil in diesem Jahr der 130. Geburtstag der »Philosophin« ist. »Der Bund für Gotterkenntnis vertritt die philosophischen Erkenntnisse Mathilde Ludendorffs«, räumt Duda offen ein. Fuchs, der die Internetseite des BfG verantwortet, wird noch deutlicher: »Wir setzen uns alleine für das philosophische Werk Mathilde Ludendorffs ein.«

Mathilde Ludendorff, die im Jahr 1877 geboren wurde und 1966 verstarb, war die Frau des Generals Erich Ludendorff. Zusammen engagierten sie sich bereits in den zwanziger Jahren in der völkischen Bewegung. Damals lernten sie Adolf Hitler kennen. Später brachen sie aber vorübergehend mit ihm.

Ludendorff war Ärztin. Ihr Denken war von antisemitischen Verschwörungstheorien geprägt. Sie wandte die Lehre des Psychiaters Emil Kraepelins, der den Begriff des »induzierten Irreseins« geprägt hatte, auf die Deutschen an. Diese seien von den Juden irre gemacht worden. Einer »riesigen Verschwörung der Juden« sei es gelungen, »insbesondere den Deutschen eine Art von Irrsein zu ›indizieren‹«, und zwar mit Hilfe des Christentums, der Freimaurerei und des Sozialismus.

Wichtig sei für Mathilde Ludendorff auch die »Unterscheidung von Licht- und Schacht­rassen« gewesen, schrieb Karl Grampp im Jahr 2004 in Mensch und Maß, der Zeitschrift des BfG. Der immer wiederkehrende Grundgedanke lautet: »Die Rassentugenden mit dem ererbten Gotterleben« müssten »rein« bleiben, denn »Blutsvermischung« führe zum »Volkstod«. Heil brächten hingegen die »Erhaltung der Rassenreinheit und die Pflege des arteigenen Gotterlebnis, der arteigenen Kunst, arteigenen Sitten«.

In der Zeitschrift wird schon mal der Holocaustleugner David Irving wohlwollend besprochen, Artikel haben Titel wie »Multikulturelle Gesellschaft oder Völkervielfalt« oder »Zum derzeitigen Stand der Forschungen über die Zahl der im September 1939 im polnischen Machtbereich ermordeten Deutschen«. Der BfG, der seine Postadresse im baden-württembergischen Tutzingen hat, gibt an, rund 12 000 Mitglieder zu haben. Der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein schätzt allerdings, dass es nur rund 240 sind.

Am Karfreitag werden die »Ludendorffer« nicht wie in den vergangenen Jahren ungestört im »Deutschen Haus« tagen können. Auf der Hauptstraße gegenüber dem Hotel ist eine Mahnwache angemeldet. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Antifa-Initiativen, der SPD und den Grünen ruft zu den Protesten auf. Bereits im vergangenen Jahr forderte ein Bündnis, das Treffen zu untersagen, aber ohne Erfolg. Auch diese Gäste brächten, wie andere Touristen, Geld in die Gemeinde, war nicht nur von Lokalpolitikern zu hören.

Am 15. März dieses Jahres waren sich einige der 80 Besucher der ersten Informationsveranstaltung gegen den BfG nicht sicher, ob man das Spektakel ignorieren solle oder ob Proteste dagegen nötig seien. »Die Ludendorffer sind eine Bedrohung von rechts«, betonte ein Referent, Pastor Jürgen Schnare, der Leiter der evangelischen Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen der Hannoverschen Landeskirche.

Auf ihrer Homepage verklären die Ludendorffer ihre eigene Geschichte. Von der »Verfolgung im Dritten Reich« wird da gesprochen. Am 9. November 1923 führten Adolf Hitler und Erich Ludendorff den Putschversuch in München an, der Gefreite Hitler missfiel später jedoch Ludendorff, dem General. Im Jahr 1933 wurde die Zeitschrift Ludendorffs Volkswarte zwar verboten. Aber im Jahr 1937 konnten Erich und Mathilde Ludendorff nach einer Aussprache mit Hitler den »Bund für Gotterkenntnis Ludendorff e.V.« gründen.

Ihre Zeitung Am Heiligen Quell Deutscher Kraft erreichte eine Auflage von 86 000 Exemplaren. Unerwähnt bleibt in der Rubrik »Geschichte des Bundes« auf der Homepage, dass ihre »Philosophin« Ludendorff im Jahr 1950 in einem Entnazifizierungsverfahren zunächst als Hauptschuldige und später als Belastete eingestuft wurde. Beflissen verschwiegen wird außerdem, dass der BfG nach 1945 verboten war. 1951 wurde er offiziell neu gegründet, 1961 erneut verboten – wegen Verfassungsfeindlichkeit. Nach Jahren des Rechtsstreits hob 1977 ein bayerisches Verwaltungsgericht das Verbot wegen Verfahrensfehlern auf.

Bis heute unterhalten Anhänger des Bundes die »Ahnenstätte Hilligenloh« nahe dem schleswig-holsteinischen Hude. Zur Einweihung des privaten Friedhofs war im Jahr 1932 Erich Ludendorff persönlich angereist. Zwei große Steine neben dem Einganstor sind Erich und Mathilde Ludendorff gewidmet – der »Schöpferin« und dem »Wegbereiter der Gotterkenntnis«.

An Ostern bleiben die Ludendorffer in Dorfmark nicht nur im Tagungshaus. Gern flanieren sie in ihren Trachten durch den Ort: die Damen in langen Röcken, Jungs in Knickerbockerhosen und mit Kurzhaarschnitt und Mädchen mit Röcken und geflochtenen Zöpfen. Vielleicht werden sie in diesem Jahr von den Anwohnern etwas skeptischer betrachtet. Duda fürchtet bereits, wegen der »unhaltbaren Behauptungen« könne »die Hemmung zur Gewaltanwendung gegenüber Teilnehmern der Veranstaltung« sinken.