Arbeiten statt demonstrieren

Die Opposition in Russland von ute weinmann

Pünktlich zum bislang wichtigsten Ereignis des Jahres auf Moskaus Straßen, dem »Marsch der Unzufriedenen« am Samstag, meldete sich der im Londoner Exil lebende Oligarch Boris Beresowskij zu Wort. Der erklärte Widersacher des russischen Präsidenten Wladimir Putin teilte in einem Interview dem britischen Guardian mit, er finanziere einen Teil der politischen Elite Russlands, die eine »Palastrevolution« vorbereite.

Damit schürt er die im Kreml vorhandene Paranoia hinsichtlich eines Umsturzes nach dem Vorbild der Ereignisse in der Ukraine vor über zwei Jahren. »Es gibt keine Chance auf einen Regimewechsel durch demokratische Wahlen«, verkündete Beresowskij und widersprach damit Michail Kasjanow, einem ehemaligen Ministerpräsidenten und Anführer der Opposition. Dieser fordert in der Öffentlichkeit lediglich freie Wahlen. Doch angesichts der Verhältnisse in Russland ist seine Niederlage programmiert.

Denn genau weil sich die Oppositionsbündnisse »Das andere Russland« von Kasjanow und die »Vereinigte Bürgerfront« des ehemaligen Schachgroßmeisters Garri Kasparow auf keine große Basis stützen können, braucht Beresowskij die Eskalation an Ort und Stelle. Je mehr Druck von Seiten des Staats, desto größer die Menge an Leuten, die Putin wirklich stürzen will, lautet das einfache Kalkül. Bislang fordert der Großteil derer, die in Russland auf die Straße gehen, zwar andere Verhältnisse, will aber keinen Umsturz. Beresowskij liefert der russischen Regierung allerdings einen hervorragenden Vorwand für die weitere Verschärfung der Repression gegen die Unzufriedenen.

Die Rechnung geht bislang für beide Seiten auf. Die liberale Partei Jabloko hatte sich zunächst von den in Moskau und Petersburg angekündigten Märschen der Opposition distanziert, doch nach Hausdurchsuchungen in den Parteizentralen in beiden Städten änderte sich ihre Meinung. Im protestbereiten Teil der Bevölkerung wächst der Unmut wegen der regelmäßigen Demonstrationsverbote und der brutalen und oft willkürlichen Gewalt der Miliz, die sich immer häufiger auch gegen unbeteiligte Passanten richtet.

Nach offiziellen Angaben wurden am Samstag 250 Oppositionelle festgenommen, die versucht hatten, trotz des Verbots einen Marsch zum Veranstaltungsort der genehmigten Kundgebung zu organisieren. Bei solchen Aktionen werden in Moskau nur noch Sondereinheiten der Omon aus anderen Regionen eingesetzt, da auf die heimischen Kräfte kein Verlass mehr ist. In Petersburg hingegen fanden sich am folgenden Tag nur wenige hundert »Unzufriedene« ein, am vorigen Marsch hatten Anfang März noch mehrere tausend teilgenommen. Die Abschreckungstaktik des Staats scheint in diesem Fall ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben.

In Moskau hatte der 14. April für alle politischen Geschmäcker etwas zu bieten. Die Jugendorganisation der Partei »Einiges Russland« mit dem klangvollen Namen »Junge Garde« tat ihre Kritik an den »Unzufriedenen« kund, die liberale »Union rechter Kräfte« machte auf sich aufmerksam, und die politische Rechte um den Duma-Abgeordneten Dmitrij Rogozin und die »Bewegung gegen illegale Immigration« holten ihre Anhänger mit vermeintlich sozialen Forderungen auf einen der zentralen Moskauer Plätze. Der Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow, ein überzeugter Verfechter von Demonstrationsverboten, ließ sich bei einem freiwilligen Arbeitseinsatz in einem Park filmen und demons­trierte so, wie sich ein anständiger Moskauer seiner Meinung nach eigentlich zu verhalten habe.