Ein wenig Caritas

Die G8 und Afrika von anton landgraf

Der Gipfel in Heiligendamm war noch nicht vorbei, da begann bereits das große Jammern. Nach seinem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel habe er sich völlig deprimiert gefühlt, heulte der Musiker und »Live-Aid«-Aktivist Bob Geldof in die Mikrofone. Von der Verdoppelung der Entwicklungshilfe für Afrika, die die G8-Staaten vor zwei Jahren bei ihrem Treffen im schottischen Gleneagles versprochen hatten, bleibe nichts übrig. In Heiligendamm gebe es »kein Geld, sondern nur Papiere und leere Worte«.

Ähnlich beurteilen die meisten NGO die Ergebnisse des Gipfels von Heiligendamm. Die in der Hungerbekämpfung tätige Organisation Oxfam rechnet vor, dass die angekündigten Zahlungen der G8-Staaten in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2010 keine weitere Hilfe bedeuten würden. Im Gegenteil. Die G8 würden damit sogar weit hinter ihre Vereinbarungen von Gleneagles zurückfallen. Damals hat man versprochen, die Entwicklungshilfe jährlich um 50 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Bislang ist man diesen Zusagen nur sehr halbherzig nachgekommen. Hält diese Entwicklung an, werden in drei Jahren trotz der neuen Zusagen rund 30 Milliarden US-Dollar zu dem ursprünglichen Ziel fehlen.

Auch um den deutschen Beitrag ist es nicht besser bestellt. Ursprünglich wollte die Bundesregierung ihre Entwicklungshilfe auf 0,51 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Nach Angaben von Oxfam dürfte der Anteil in den kommenden drei Jahren bei 0,22 Prozent und damit um fünf Milliarden Euro unter den Vorgaben bleiben.

Dabei ist die Aufregung um das Geld nicht einmal entscheidend. Ob am Ende ein paar Milliarden Dollar fehlen oder die Finanzminister der reichsten Länder doch noch widerwillig einen größeren Scheck ausstellen – an der grundlegenden Misere in Afrika wird dies wenig ändern. Die strukturellen Ursachen für das soziale und wirtschaftliche Desaster in Afrika wurden in Heiligendamm nicht einmal angesprochen. Denn so viel Almosen und Spenden kann es gar nicht geben, um die Verluste aufzuwiegen, die zum Beispiel durch den europäischen und nordamerikanischen Agrarprotektionismus verursacht werden. So sind europäische Agrarprodukte wegen ihrer großzügigen Subventionierung in Afrika konkurrenzlos billig, während afrikanische Exporte in Europa keine Chance haben.

In Kamerun etwa erhöhte sich die Einfuhr von tiefgefrorenen Hühnern aus Europa von 900 Tonnen im Jahr 1996 auf über 22 000 Tonnen im Jahr 2003. Dies führte dazu, dass von den rund 100 Geflügelbetrieben in Kamerun gerade mal acht übrig blieben und Tausende Arbeitsplätze verloren gingen. In anderen afrikanischen Staaten spielen sich ähnliche Prozesse ab, unabhängig davon, ob es der Export von Tomaten, Baumwolle, Weizen oder Milchprodukten ist, der die Schäden anrichtet.

60 Jahre Entwicklungshilfe und die zahl­reichen Programme für Schuldenerlass haben die Situation in Afrika kaum verbessert. Oft sind mit den finanziellen Hilfen nur die korrupten Eliten gestützt worden. Nicht selten floss das Geld umgehend zurück in den Norden, weil die afrikanischen Machthaber damit Panzer und Granaten kauften. Schließlich sind die G8-Staaten gemeinsam mit ihren chinesischen Gästen nebenbei die größten Waffenhändler der Welt.

Die Mehrheit der G8-Staaten hat kein wirkliches Interesse an einem umfangreichen Einsatz in Afrika und einer grundlegenden Änderung der wirtschaftlichen Beziehungen. Ein wenig Caritas muss eben reichen, lautet die Botschaft von Heiligendamm. Wer mehr erwartet hat, darf gemeinsam mit Bob Geldof jammern.