Es kann nur eine geben

Was der neue Besitzer mit der Köpi vorhat, ist unklar. Für alle Fälle sind schon einige Aktionen zum Erhalt des Berliner Haus- und Kulturprojekts geplant. von nicole tomasek

Längeres Schweigen, ab und zu unterbrochen von Hundegebell oder Türenschlagen – es wird intensiv nachgedacht. »Nee, da fällt mir jetzt gerade nix ein, wo es sonst noch sowas wie die Köpi gibt«, sagt David* schließlich. »Köpi ist ganz dick, sowas gibt’s nicht mehr«, pflichtet sein Kumpel Leo ihm bei.

Die beiden sitzen im Hof der »Köpi«, Köpenicker Straße 137 in Berlin, und schwanken zwischen dem Stolz auf ihr legendäres Wohn- und Kulturzentrum und der Sorge um die Zukunft der autonomen Subkultur. Vor kurzem erst brannte das Haus­projekt in der Rigaer Straße 84 in Friedrichshain, linke Einrichtungen sind seit den Protesten gegen das Treffen der G8 häufiger Repressalien ausgesetzt als üblich, und die guten Aussichten auf Profite auf dem Immobilienmarkt lassen manches autonome Haus­projekt verschwinden.

Am 8. Mai wechselten die Köpi und die umliegenden Grundstücke für den Schnäppchenpreis von 1,74 Millionen Euro bei einer Zwangs­ver­stei­gerung den Besitzer. Das entspricht nur der Hälfte des geschätzten Verkehrswerts. Drei Monate zuvor hatte das Hausprojekt seinen 17. Geburtstag gefeiert. Mit den Jahren nutzten Generationen von Punks, Autonomen und sonstigen Linksradikalen aus vielen Ländern die Köpi als ihr »Experimentierfeld für Subkultur«, wie Leo es beschreibt.

Nach der Versteigerung bewiesen diverse Spontan­demonstrationen, dass das Projekt von zahlreichen Linken unterstützt wird. Wenig bescheiden ist für den 12. Juni ein »weltweiter Köpi-Aktionstag« und für den 16. Juni eine »internationale Demonstration für die Köpi und gegen G8-Repression« geplant. »Okay, ist ein bisschen dick aufgetragen«, gibt David zu, »einen ›McDonald’s Global Action Day‹ würde ich eher verstehen. McDonald’s gibt’s ja überall. Aber die Köpi ist inter­na­tional wirklich sehr bekannt.« Zur Demonstration rechnet man mit 4 000 Teilnehmern, zum Aktionswochenende vom 15. bis 17. Juni und zum Hausfest am 23. Juni werden sogar 5 000 Gäste erwartet.

Selbst Touristen kommen gerne vorbei, um echte Punks in ihrem natural habitat zu begutachten. Die charmant bunt-verrottete Fassade der Köpi hebt sich deutlich von der Neubauteneinöde ab. »Welcher Schwanz freut sich schon über ein neues Bürohochhaus?« kommentiert Leo die Stadtumstruk­turierungspläne. Das nahe Großbauprojekt »Mediaspree« scheint jedoch zu beweisen, dass es durchaus Leute gibt, die bei der Vorstellung eines neuen Bürohauses in Flussnähe leuchtende Augen bekommen.

Die Köpi sollte bereits dreimal zwangsversteigert werden, doch angeblich fanden sich nie ­Interessenten. Auch im Mai schien es zunächst so, als ob niemand die Verantwortung für den Kauf übernehmen wolle. Der Kosovo-Albaner Besnik Fichtner bot für die Firma VRB B-44 GmbH & Co. KG, die aber wiederum mit diversen anderen Firmen verbandelt ist. Anfragen an das Amtsgericht, welcher Firma denn das Haus nun genau gehöre, wurden mehrfach mit der Begründung abgewehrt, die Akten »seien gerade in ­Bearbeitung«.

Mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Köpi hat der neue Besitzer noch keinen Kontakt aufgenommen. »Das Haus ist verkauft worden, als ob niemand drin wohnen würde«, beschwert sich David. Fichtners Anwalt habe lediglich von Pristina aus den Hausanwalt kontaktiert und um die Übersendung der Mietverträge gebeten.

Dass der Fußbodenleger Fichtner als Käufer auftrat, wirkt sehr merkwürdig, ebenso die sonstigen Verkaufsumstände . »Wo soll der denn das Geld herhaben? Mir als Koch würde jetzt auch niemand einfach so 1,74 Millionen Euro leihen«, merkt Leo dazu an.

Aber die Frage nach den offiziellen Besitzverhältnissen ist sowieso zweitrangig. Nach der einhelligen Meinung der Bewohnerinnen und Bewohner gehört das Haus nämlich weiterhin »uns natürlich!« – und ist und bleibt »Risikokapital«.

*Namen der Bewohner geändert