Nachrichten

Trau keinem Blogger!

Digitaler Terrorismus. In manchen euphorischen Darstellungen geriet das so genannte Web 2.0 zu einer digitalen Spielwiese mit integrierter Kuschelecke. Unkommerziell sollte es sein und ganz für die Menschen da. Nun gut, Myspace und Youtube wurden für erkleckliche Summen von großen Unternehmen aufgekauft. Und auch wenn es z.B. Mercedes Bunz, die Chefredakteurin des Tagesspiegel Online, anders sieht und gern das Hohelied auf das kritische Potenzial des Web 2.0 singt: Das Internet ist nicht unbedingt der Ort, an dem kritische Blogger und andere »Citizen Journalists« ihren Beitrag zur Aufklärung leisten. Vielmehr tummeln sich im Netz allerlei finstere Gestalten.

Das Simon-Wiesenthal-Center (SWC) in Los Angeles hat seinen Jahresbericht »Digital Terrorism and Hate 2007« veröffentlicht. Die Mitarbeiter des SWC haben nach eigenen Angaben das Material von mehr als 7 000 Internetseiten, Blogs, Newsgroups und Videoportalen ausgewertet. Dabei hatten die Forscher nicht nur die neo­nazistischen, rechtsextremen oder islamistischen Nischenangebote im Blick. Antisemitische und rassistische Propaganda ist den Erkenntnissen des SWC zufolge auch ohne weiteres in einem massenhaft besuchten Videoportal wie Youtube zu finden.

Allzu großes Vertrauen scheint man auch beim Tagesspiegel nicht in das freie Bloggen für jedermann zu setzen. Die acht Blogs, die seit der vergangenen Woche im neu gestalteten Internetauftritt der Zeitung zu finden sind, werden von bewährten Autoren des Hauses geschrieben. (mst)

Das Kreuz der Provinz

Auszeichnung für Michael Haneke. Wenn sich ein Regisseur anschickt, die »Vergletscherung der Gefühle« zu verfilmen, weckt das zunächst Skepsis. Denn nur allzu häufig folgt eine reaktionäre Bilderschau, in der die Anonymität der Großstadt beklagt und die Rückkehr zum Leben im Rudel gefordert wird.

Der österreichische Regisseur Michael Haneke hat seine erste ­Kinotrilogie 1989 zwar der »Vergletscherung der Gefühle« gewidmet. Aber in die Niederungen des Antimodernismus hat er sich nicht begeben. Vielmehr hat er mit dem Film »Funny Games« 1997 eine drastische Gewaltreflexion in die Kinos gebracht, die ihresgleichen sucht. Im Jahr 2000 erhielt Haneke in Cannes den »Grand Prix du Jury« für seine Verfilmung von Elfriede Jelineks Roman »Die Klavier­spielerin«.

Das hat sich mittlerweile sogar bis in die entlegenen Sphären der österreichischen Kulturpolitik herumgesprochen. In der vergangenen Woche wurde Haneke mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. In der Laudatio wurde hervorgehoben, dass der Regisseur »den österreichischen Film zu einer stark wahrgenommenen Größe« gemacht habe. Hanekes Antwort fiel sehr sympathisch aus. Er sagte während der Zeremonie, er distan­ziere sich vom Provinzialismus des österreichischen Films. (mst)

Legal, illegal, digital

Musik-Downloads. Sollten Sie sich am Freitag in Hamburg aufhalten, vermeiden Sie es, sich in die Nähe der AOL-Arena zu begeben. Dort treten an diesem Tag Genesis auf, um mit Phil Collins am Mikrofon erneut ihren unglaublich einschläfernden Pop für Studien­räte und andere hüftsteife Menschen darzubieten.

Peter Gabriel, der in den Siebzigern der Sänger der Band war, wurde von seinen Kollegen gebeten, ebenfalls an dem Spektakel mitzuwirken. Er hat aber Besseres zu tun. Noch in diesem Monat soll die von ihm und anderen entwickelte Download-Plattform We7 in Betrieb genommen werden. Gabriel hat im Gegensatz zu den Verantwortlichen der Plattenfirmen begriffen, dass niemand für Musik aus dem Internet bezahlt, wenn man sie sich zwar illegal, aber eben umsonst beschaffen kann.

Deshalb erhält der Nutzer bei We7 die gewünschten Songs kosten­los. Der Konsument muss sich lediglich einen kurzen Werbejingle anhören. Die Hälfte der Werbeeinnahmen geht an die Bands und Musiker, der andere Teil an We7. Der Hörer kann frei über die heruntergeladenen Songs verfügen, sie unterliegen nicht dem so genannten Digital Rights Management. Nun muss sich der Musikliebhaber nur noch entscheiden: legal, aber mit Werbung. Oder ohne Werbung, dafür jedoch illegal. (mst)

Der Soul Man kehrt zurück

50 Jahre Stax Records. Was haben Otis Redding, Isaac Hayes, Rufus Thomas, Sam & Dave und Booker T. & The MG’s gemeinsam? Sie alle haben in den sechziger Jahren in der McLemore Avenue in Memphis Platten produziert. Dort befand sich das Studio des Labels Stax Records. Dort wurde der Southern Soul geprägt, der Song »Soul Man« aufgenommen. Etliche Stücke wurden zu Hymnen der US-Bürgerrechtsbewegung. Die Hausband Booker T. & The MG’s bestand aus weißen und schwarzen Musikern. Die Räume des Labels und das Studio wurden in Memphis zu einem Treffpunkt für Schwarze und Weiße. Die Hoffnung auf Integration, die sich auch in der Labelpolitik zeigte, wurde mit der Ermordung Martin Luther Kings enttäuscht. Sie geschah unweit des Studios. 1976 ging Stax Records in Konkurs.

Doch 2005 hat sich Justin Timberlake die Rechte an allen Aufnahmen gesichert. Und in diesem Jahr feiert Stax Records den 50. Geburtstag. Viele Platten werden wieder veröffentlicht. Und mit ihnen lässt es sich immer noch vortrefflich feiern. (mst)

Klartext reden

Tarantino vs. Italien. Quentin Tarantino mag drastische Gewaltdarstellungen. Die Zurückhaltung ist seine Sache nicht. Anscheinend sagt er auch gern auf drastische Weise, was er denkt. In einem italienischen Magazin tat er seine Meinung zur Filmkultur des Landes kund: »Das neue italienische Kino ist einfach deprimierend. Die letzten Filme, die ich gesehen habe, waren alle gleich. Entweder sie handeln von Jungs, die aufwachsen, oder von Mädchen, die aufwachsen, oder von Ehekrisen oder von Ferien geistig Behinderter.« Zwar ist die Empörung in Italien seitdem groß. Aber im Ernst: Irgendjemand musste es ja mal sagen. (mst)