Rettet die Kulturnation!

Streit um eine Brücke in Dresden von christopher altgeld

»Waldschlösschenbrücke« – das klingt nach Idylle und Harmonie. Doch um die geplante vierspurige Stahlbetonkonstruk­tion über die Elbe mit einer Länge von 635 Metern wird in Dresden eifrig gestritten.

Bereits im Jahr 1996 beschloss der Dresdner Stadtrat unter der Führung von CDU und FDP das Projekt, das den Verkehr in der Innenstadt entlasten soll. Zwar gewannen 2004 die Gegner der Brücke die Mehrheit im Stadtrat, doch ihre Befürworter initiierten einen Bürger­entscheid, bei dem sich zwei Drittel der Wähler für den Bau aussprachen.

Kurz darauf äußerte die Unesco die Sorge, die Brücke könne den Blick auf die Elbhänge und die Stadt beeinträch­tigen, und fordert seitdem eine Lösung, die sich mit dem Titel »Weltkulturerbe«, mit dem die Stadt gerne wirbt, verträgt. Im vorigen Sommer drohte die Unesco sogar damit, den Status zu entziehen, und setzte das Elbtal auf die »Rote Liste« gefährdeter Stätten. Nun will die Stadt ja gar nicht bauen, aber das Bundesverfassungsgericht entschied vorige Woche, dass der Bürgerentscheid Vorrang hat.

Während die Stadt weiter nach einer »Kompromisslösung« suchen will, drängt das Regierungspräsidium auf einen schnel­len Baubeginn. Notfalls werde man selbst die Bauaufträge erteilen.

Interessant ist, dass ökologische Belange, die Kosten von 160 Millionen Euro oder die Frage der verkehrstechnischen Notwendigkeit einer weiteren Elbquerung in der Debatte kaum eine Rolle spielen. Vielmehr scheint die Furcht vor einer Beschädigung des »Kulturstandorts« Deutschland vorzuherrschen. So wirbt mittlerweile selbst der frühere Leiter des Wettbewerbs für die Waldschlösschenbrücke, der Architekt Volkwin Marg, dafür, das Kulturerbe durch den Bau eines Tunnels zu bewahren. Die Initiative »Welterbe erhalten« appelliert »an die Bürger Deutschlands und aller Kulturnationen«, die Bundeskanzlerin mit Briefen zum Eingreifen zu bewegen. Die Net­zeitung formulierte das Glaubensbekenntnis dieser neuesten Bewegung zur Rettung deutscher Kultur: »Dresdens Baupolitik droht das internationale Ansehen Deutschlands als Kulturnation bislang einzigartig zu beschädigen.«