Ein Mittel gegen Sommerhits

Platte Buch von Uli Krug
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Ein Orgel-Trio nach alter Prog-Manier zu gründen, hätte einem Verrückten 1990 vielleicht gerade noch einfallen können. Aber gewiss hat dieser Verrückte, nämlich Organist John Medes­ki, nicht geglaubt, dass sich dieses Trio zur »beliebtesten Jungmänner-Jazz-Band Amerikas« (Welt) mausern würde – und das unter dem Seventies-typischen Namen Medeski, Martin & Wood. Der unzeitgemäße Hammond-Sound und die augenzwinkernd in komplexere Metren eingebundenen Tanzbeats machten M, M & W zum akademischen Underground-Hype.

Aufmerksam wurde damals auch ein Veteran des Fusion-Rock, Miles Davis’ Gitarrist John Sco­field. Er fand so viel Gefallen an den Dreien, dass er 1997 mit M, M & W das Album »A Gogo« aufnahm, wobei das Trio allerdings nur als Begleitensemble fungierte. Knapp zehn Jahre später auf »Out Louder«, der aktuellen Neuauflage dieser Kooperation, wirken Medeski und Co. auch aktiv am Songwriting mit. Herausgekommen ist Musik, die stellenweise an Miles Davis’ legendäre Platte »Bitches Brew« erinnert – ohne Blasinstrumente allerdings und unter den Produktionsmöglichkeiten des neuen Jahrtausends. Genau dazu kontrastiert Scofields bluesiges Gitarrenspiel überaus reizvoll. Die Höhepunkte der ohnehin überaus unterhaltsamen Mixtur sind die eigenartigen Coverversionen von John Lennons »Julia« und Peter Toshs »Legalize It« – ein besseres Antidot gegen quäkende Sommerhits ist kaum vorstellbar.

Medeski, Scofield, Martin & Wood: Out Louder. Indirecto/Universal