»Fallaci ist meine Heldin«

Der schwule Porno-Star ­michael lucas über ­Händchenhalten in Tel Aviv und Manhattan, Sextourismus in arabischen Ländern, Oriana Fallaci, Gay Pride im Porno und die Verachtung des ­Schwulen im Islam

Im vergangenen Jahr waren Sie in Israel und haben mit einer speziellen Truppen­betreuung schwuler Soldaten für Wirbel ­gesorgt.

Es war nicht mein erster Auftritt in Israel, ich bin bereits vorher zwei Mal in Tel Aviv und einmal in Haifa aufgetreten.

Sie kamen kurz nach dem Libanon-Krieg.

Etwa eine Woche danach. Es war zwar mein Wunsch, während des Krieges dort zu sein, aber die Veranstalter des Clubs, in dem ich aufgetreten bin, haben es nicht hinbekommen.

Aktive Soldaten der Israeli Defence Forces ­bekamen freien Eintritt. Ihr Auftritt soll in Israel sehr umstritten gewesen sein.

In der schwulen Community war er gar nicht umstritten, im Gegenteil, ich habe viel Unterstützung bekommen. In den israelischen Me­dien beschwerten sich einige Religiöse, und das wurde aufgebauscht, aber ich habe auch von säkularen, heterosexuellen Israelis zustimmende Mails bekommen. Mich hat die Reaktion der Bigotten nicht überrascht, gläubige Christen und Juden reagieren sehr ähnlich, wenn es um Adult Entertainment geht.

Gibt es im Umgang mit schwulen Pornoproduktionen Unterschiede zwischen den USA und Israel?

Israel ist erstaunlicherweise in mancherlei Hinsicht säkularer als die USA. Israel ist aufgeschlos­sener, was überraschend ist für ein so junges Land. In Tel Aviv können Männer sich überall händchenhaltend bewegen, in New York geht das nur in Chelsea und in wenigen anderen Gegenden Manhattans. In New York kann ich keine Live-Show machen, in Tel Aviv ist das kein Problem. Überall auf der Ben-Gurion-Street hingen große Plakate mit meinem Bild und der Ankündigung meiner Show.

Vor wenigen Wochen gab es Auseinandersetzungen um den Gay Pride in Jerusalem. Es wurde eine Bombe gefunden, die bei der Parade explodieren sollte. War das eine kleine religiöse Minderheit, die da agiert hat, oder ist Israel auf dem Weg, von den Reli­giösen dominiert zu werden?

Für mich hat die Auseinandersetzung gezeigt, wie deutlich Staat und Religion in Israel getrennt sind: Dass es in einer so religiösen Stadt wie Jerusalem, in der es in den letzten Jahren wöchentlich Anschläge auf israelische Bürger gab und wo es große Probleme mit den Ansprüchen von religiösen Juden, Christen und Muslime gibt, überhaupt gelungen ist, eine Schwulendemonstration durchzusetzen – das ist doch unglaublich. Die Polizei wurde verpflichtet, die Sicherheit der Demonstranten zu gewährleisten. Und das in dieser Stadt, die von Konflikten zerrissen ist. Man kann doch nicht ernsthaft behaupten, dass das ein Schritt zurück ist – es ist ein Schritt nach vorn.

Außerdem wird gern vergessen, dass in Tel Aviv jedes Jahr Hunderttausende am Gay Pride teilnehmen – seit Jahren. Warum reden diese Leute eigentlich nicht über Russland? Dort gibt es nicht nur keinen Gay Pride, jedes Treffen von Schwulen wird kriminalisiert. Es gibt viele Länder, über die zu sprechen wäre – aber Israel? Israel ist bei Schwulenrechten ganz vorn, in einer unglaublichen Geschwindigkeit.

Die Wahrnehmung in Europa ist eine andere. Auch die meisten europäischen Schwulen stehen auf Seiten der Palästinenser.

Das überrascht mich nicht. Die europäischen Schwulen beziehen ihre Meinungen aus den gleichen Medien wie alle anderen auch, und diese Medien sind größtenteils anti-israelisch. Außerdem haben die Schwulen furchtbare Angst aufzufallen, indem sie sich ihre eigenen Gedanken machen. Die meisten waren weder in Israel noch in Palästina. Sie haben eine vorgefertigte Meinung und haben kein Interesse daran, etwas anderes wahrzunehmen. Offensichtlich assoziieren sie sich mit der Linken, und die Linke ist unglücklicherweise anti-is­raelisch. Deswegen glauben sie, um links sein zu können, muss man anti-israelisch sein. Anti-israelisch zu sein, heißt meiner Meinung nach, antisemitisch zu sein. Dennoch finde ich es erstaunlich, dass die Schwulen sich auf die Seite der Palästinenser stellen. Sie können nach Israel gehen und jeden Standpunkt vertreten, sie können die israelische Politik kritisieren, sie können Israelis als Nazis beschimpfen oder ihnen Apartheid vorwerfen. Sie können sagen, dass sie schwul sind, sie sind willkommen. Ich würde es liebend gern sehen, wenn sie nach Palästina gingen, wo es viele Leute gibt, die sie aus verschiedenen Gründen gern umbringen würden – weil sie Ungläubige sind, weil sie schwul sind. Die europäischen Schwulen wählen die Seite derer, die ihnen die Kehle durchschneiden oder sie steinigen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen.

In der schwulen Community gibt es eine lange Tradition des Sextourismus in die ­Länder des Maghreb.

Die Männer, die in diese Länder fahren, um sich ficken zu lassen, profitieren davon, dass die Männer dort daran gehindert werden, heterosexuellen Sex zu haben, bevor sie verheiratet sind. Damit würden sie ihr Leben aufs Spiel setzen. Diese europäischen Schwulen bilden sich ein, diese Länder seien zu einem bestimmten Grad schwulenfreundlich, weil sie sich dort ficken lassen können. Wenn jemand damit zufrieden ist, sich wie eine Ziege benutzen zu lassen, finde ich das bemitleidenswert.

Ich habe verschiedene muslimische Länder bereist, ich war in Ägypten, Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien und der Türkei, und ich weiß, worüber ich rede. Ich habe vor allem deutsche Schwule getroffen, die dort hinfahren, um sich ficken zu lassen. Wenn es das ist, was sie wollen – ein Surrogat für Liebe und echten Sex –, ist das okay, aber sie sollen bitte nicht erzählen, diese Länder seien nicht homophob. Sie merken nicht, wie sie verachtet werden, wenn sie die Frauenrolle spielen.

In Ihrem Blog nehmen Sie manchmal Bezug auf Oriana Fallaci.

Oriana Fallaci ist meine Heldin!

In Europa ist sie, um es vorsichtig auszudrücken, eine umstrittene Persönlichkeit, in Wirklichkeit aber persona non grata. Texte von ihr zu übersetzen, bringt einem schon den Vorwurf ein, Rassist zu sein.

Sie war eine Kassandra, die die Europäer und die Welt gewarnt hat vor der Gefahr, die der Islam darstellt. Sie war eine Frau, die die Auto­rität hatte, das zu sagen, was sie gesagt hat, weil sie nicht nur durch diese Länder gereist ist, sondern dort gelebt hat und diese Tyrannen ­interviewt hat. Sie hat sich selbst ein Bild gemacht, sie war eine der ersten, die über die furchtbare Situation der Frauen in den isla­mischen Ländern etwas gesagt hat. Sie hat die Wahrheit ausgesprochen, sie war eine enorm mutige Frau, die sich von niemandem ein­schüch­tern ließ.

In Europa wird Islamkritik häufig als Rassismus denunziert.

Das gibt es auch in meinem Geschäft. Mit Marcel Schlutt, ein intellektuell wirkender Mann, der in Deutschland als Model und Porno-Darsteller sehr bekannt ist, kam das Gespräch irgendwann auf Israel – und er hat gekocht, wirk­lich gekocht vor Hass. Er erzählte mir, er gehe auf Demonstrationen für die Palästinenser, und warf Israel Rassismus gegenüber den Palästinensern vor.

Der Begriff Rassismus ist an die Hautfarbe gebunden. Es geht nicht um Religion oder Na­tio­na­li­tät, sondern um schwarz und weiß. Meinetwegen kann man von Islamophobie reden. Und wissen Sie was? Ich bin islamophob, und ich geniere mich nicht dafür. Ich mag den Islam nicht, ich halte ihn für die größte Bedrohung der Gegenwart. Wie Oriana Fallaci sagte, sollte man nicht trennen zwischen Ossama bin Laden und der Welt, die ihn hervorgebracht hat, und das ist die Welt des Islam.

Bevor Sie 1997 in die USA ausgewandert sind, haben Sie zwei Jahre in Europa gelebt. Wie nehmen Sie die Unterschiede im Umgang mit Einwanderern wahr?

Ich kam 1995 als jüdischer Kontingentflüchtling mit meinen Eltern nach Deutschland, danach habe ich in Frankreich gelebt. In Europa ist man toleranter gegenüber Schwulen, es ist einfacher dort. Aber es gibt das Problem mit dem Islam, wie es Bruce Bawer in seinem Buch »While Europe slept« beschrieben hat.

Bawer, ein ausgewiesener Kritiker amerikanischer Bigotterie, zog 1998 von New York nach Amsterdam, der viel gepriesenen Freizügigkeit wegen, und musste feststellen, dass es damit nicht weit her war. Er kritisiert die europäische Einwanderungspolitik, sie stärke den Islamismus, indem sie statt Integration die Ghettoisierung fördere. Verantwortlich macht er die linken Sozialstaats­apolo­ge­ten und die multikulturalistischen Liberalen.

Es geht darum, dass Europa vor kurzer Zeit noch wunderbar liberal war – auch im Gegensatz zu den USA. Holland war ein tolerantes Land, insbesondere Amsterdam war ein schwulenfreund­licher Ort, einer der sichersten auf der Welt. Im Zuge der Islamisierung wandelte sich Amsterdam zu einer für Schwule gefährlichen Stadt. Es gibt eine zunehmende Intoleranz von islami­scher Seite, die mit der großen Zahl an muslimischen Einwanderern begründet wird. Die Linke hat mit ihrer Toleranz versagt, und das Resultat sehen wir in Frankreich. Weil sie versagt hat, wird jemand wie Sarkozy gewählt, werden die Leute gewählt, die ihr in Europa »Populisten« nennt.

Es hat mit dieser Erfahrung zu tun, dass ich in die Vereinigten Staaten gegangen bin. Ich habe verstanden, dass ich niemals ein Franzose oder ein Deutscher sein werde, selbst wenn ich perfekt Französisch oder Deutsch spreche, die beste Ausbildung habe und alles übernehme – ich hätte nie dazu gehört. In Amerika bin ich Amerikaner. Wie politisch korrekt ihr euch auch aufführt, ihr Europäer hasst Einwanderer, oft ohne es auszusprechen, ihr wollt euch nicht mit ihnen vermischen.

Und die Einwanderer wollen sich deshalb ebenfalls nicht assimilieren. Ich weiß, dass solche Ansichten umstritten sind. Aber ich kenne die russischen Communities in Deutschland, Österreich und Frankreich, und sie haben nicht das Geringste für ihre Gastländer übrig. Es braucht ja nicht gleich der Patriotismus zu sein, den die russischen Einwanderer in Ame­rika empfinden. Schon kurz nach der Einwanderung gehört man dazu, man will es dem Land danken, das einen aufgenommen hat.

Amerikas Patriotismus als Patriotismus der Geretteten?

Ja. Sie sind sogar bereit, für dieses Land zu kämpfen, sie gehen zur Armee. Die russische Community in Deutschland lebt davon, Deutsch­­land nicht zu mögen. In der türkischen Community ist das nicht viel anders. Sie bleiben in ihren Communities und wollen mit Deutschen nichts zu tun haben, wollen sich nicht assimilieren. Und warum? Weil die Deutschen die Einwanderer nicht bei sich haben wollen. Die Wirk­lichkeit ist: Die europäischen Staaten und ihre Bevölkerung sind zutiefst nationalistisch. Der Grund für die Toleranz gegenüber dem Islam ist eben der, dass die Muslime von ihren religiösen Führern davon abgehalten werden, sich zu integrieren.

Das ist auch eine Gefahr für Amerika. Aus der jüngsten Gallup-Umfrage geht hervor, dass 26 Prozent der amerikanischen Muslime Verständnis für Selbstmordattentäter haben. In Frankreich sind es 56 Prozent, kommentierte eine Zeitung und versuchte damit, die Leser zu beruhigen. Aber bei einem Land von der Größe der USA bedeuten 26 Prozent schon einige hunderttausend Menschen. Es besteht also die Gefahr eines hausgemachten Terrorismus auch in den USA.

Gibt es eine Beziehung zwischen Ihren politischen Äußerungen und Ihrer Arbeit als Porno-Regisseur, -Produzent und -Entertainer?

Das hat nichts mit meiner Arbeit zu tun, da könnte ich genauso gut einen Bürojob haben. Ich nutze aber meine Bekanntheit. Ich habe Fans, wie andere Prominente auch, die mir zuhören, und ich nutze meine Einflussmöglichkeiten, die dadurch entstehen. Das ist alles. Ich kann meine Bekanntheit nutzen, wie ich möchte. Mein Publikum ist sehr unpolitisch, es denkt über solche Dinge nicht nach. Amerikaner sind sehr friedfertig und alles andere als politisch. Ganz anders die Europäer. Ich bekomme Mails von Fans, die schreiben: Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber du hast Recht. Ich empfehle Leuten Bücher, die sie lesen sollen, ich vertrete meine Meinung in meiner wöchentlichen Kolumne im New York Blade und war überrascht, wie viele Mails ich bekommen habe. Blade hat solche Themen nie aufgegriffen, aber ich habe dort eine Möglichkeit, direkt mit den amerikanischen Schwulen in Kontakt zu kommen, um ihnen zu erklären, was die Muslime wollen und wie sie die Schwulen in ihren Ländern verfolgen. Das wollen sie nämlich mit allen Schwulen überall auf der Welt tun.

Viele schwule Flüchtlinge aus diesen Ländern, die in Europa gelandet sind, wollen weiter in die USA, weil sie sich hier nicht sicher fühlen. Es gibt auch kaum Unterstützung aus der schwulen Community für sie.

Das repräsentiert genau die Haltung der Deutschen und Europäer gegenüber diesen Flüchtlingen. Die Schwulen sind eben keine Ausnahme. Es zeigt, wie sie wirklich über die Menschen denken, die vor dem Islam fliehen – sie sind ihnen egal. Diese Flüchtlinge werden ja auch in Europa verfolgt und ausgegrenzt. Deswegen kommen Leute wie Ayaan Hirsi Ali nach Amerika, hier gibt es noch einen Rechtsstaat, der sie schützen kann. Europa ist außer Kontrolle, Eu­ropa kapituliert vor dem Machtanspruch des Islam.

Interview: Tjark Kunstreich

Michael Lucas, schwul, jüdisch, politisch, wurde 1972 in Moskau als Andrei Treivas Bregman geboren. 1995 kam er mit seiner Familie nach Deutschland, zog später nach Frankreich um, wo er unter dem Künstlernamen »Ramzes Kairoff« in Schwulenpornos mitwirkte. 1997 migrierte er in die USA, wo er 1998 in New York seine Firma Lucas Entertainment gründete. Michael Lucas lebt mit seinem Freund Richard Winger, einem prominenten schwulen Lobbyisten und Unterstützer von Hillary Rodham Clinton, in Manhattan.

Michael Lucas Entertainment gehört zu den weltweit größten schwulen Adult-­Entertainment-Unternehmen. Firmenchef ist Michael Lucas, er arbeitet sowohl als Produzent wie auch als Darsteller. Mit der mehrfach ausgezeichneten Adaption von »Liaisons dangereuses« lotete das Unternehmen die Möglichkeiten zwischen ex­plizitem Porno und erotischer Unterhaltung aus. Zuletzt produzierte Lucas Entertainment Fellinis »La Dolce Vita« als schwulen Porno.