Hollywood muss es machen

… nur so kann ein weiterer Teutonen-Block­buster verhindert werden. Niemand kann Stauffenberg angemessener darstellen als Tom Cruise. von uli krug
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Deutsche neigen zur Hysterie und fühlen sich gerne bedroht: Am Vorabend des Angriffs auf den Irak beim Radio anzurufen, um einen Heul­krampf hinzulegen, gilt hierzulande nicht als verrückt, sondern als sensibel. Auch Harald Kam­merbauer, Pressesprecher des Verteidigungs­ministeriums, fühlt sich akut bedroht, reagiert hysterisch – und wieder sind Amerikaner schuld, nämlich Regisseur Bryan Singer und der geplante Hauptdarsteller seines neuen Filmprojekts »Valkyrie«, Tom Cruise. Der nämlich ist Scientologe und quatscht zugegebenermaßen in jedes ihm hingehaltene Mikrofon binnen Minuten mehr Unfug als der wackere Kammerbauer wahr­scheinlich in einem halben Dutzend Pressekonferenzen.

Doch diesmal ist der Unfug ganz auf seiner Seite: Dass für »Valkyrie«, also einen Film über die deutschen Offiziersverschwörer gegen Hitler, nicht auf Bundeswehrgelände gedreht werden darf (ein Bann, dem sich gleich noch die Berliner Polizei anschloss), gelte, so Kammerbauer, »sofern Graf Stauffenberg von Tom Cruise verkörpert wird«. Ein Verfassungsfeind in der Rolle des Nationalhelden – solches sei wider die Traditions­pflege der Bundeswehr. Allein das wäre schon Grund genug, dafür zu plädieren, dass Tom Cruise wenn möglich sogar eine Doppelrolle in dem Streifen kriegt (vielleicht als Claus von Stauffenbergs Bruder Berthold).

Auf den nächstliegenden Gedanken allerdings würde ein echt empörter Staatssekretär auch dann nicht kommen – dass nämlich zwischen der tatsächlichen Person Tom Cruise und der von Tom Cruise dargestellten Person ein himmel­weiter Unterschied besteht, der nämlich zwischen Realität und Fiktion. Woran dann United-Artists-Direktorin Paula Wagner erinnern muss: »Mr. Cruises persönliche Überzeugungen haben absolut keine Bedeutung für den Plot, die Hauptthemen oder den Inhalt des Films.«

So lange also ein halbwegs professioneller Schauspieler am Werk ist, ist es für das Gelingen des Films zweitrangig bis egal, was der Haupt­darsteller privat denkt. Nun wird sicher jemand einwenden, dass Tom Cruise aber kein guter Schauspieler sei, dass seine mimische Ausdrucks­stärke vielmehr der eines Kleiderständers bei Nacht gleiche. Nun, daraus ergeben sich jedoch nur drei weitere Gründe für die Besetzung Stauffenbergs mit Tom Cruise: erstens, dass derartiger Mangel den Genuss von »Top Gun« noch nie getrübt hat. Zweitens, dass Cruise so immerhin vor dem üblichen schamlosen Over-acting seiner spuckenden, brüllenden und unmotiviert heulenden deutschen Berufskollegen gefeit wäre. Und drittens, dass, sollte Cruise wirklich nur sich selbst spielen können, er doch gerade als Sciento­loge für die Rolle des Graf Schenk von Stauffenberg wie geschaffen ist. Sollte nämlich Cruises Privat-Ideologie von der Auserwähltheit des Tüch­tigen durchscheinen, so wäre damit Stauffenberg als einem Eleven des Stefan-George-Kreises nur Gerechtigkeit geschehen: Sah der Autor des »Neuen Reiches« (1928) doch in seinen Jüngern die neue zur Herrschaft bestimmte »Geistesaristokratie des heiligen Deutschland«.

Die Bedrohung des »heiligen Deutschlands«, also die Gefahr einer totalen Niederlage bei gleich­zeitiger »Entehrung des Vaterlandes«, war es denn auch, die Stauffenberg 1944 zum Attentäter werden ließ. Denn die Gräueltaten der Hitlerschen Wehrmacht und der SS, die er sich doch meist ungerührt drei Jahre lang ansah, hatten ihn augenscheinlich nicht zu motivieren vermocht. So schrieb Stauffenberg an seine Frau per Feldpost angeekelt, dass die Polen »ein unglaublicher Pöbel« mit »sehr vielen Juden und sehr viel Mischvolk« seien und sich deshalb »nur unter der Knute wohl fühlten«.

Damit wären wir beim letzten Grund, der unbedingt dafür spricht, dass sich Hollywood in Gestalt des Regisseurs Bryan Singer des Stauffenberg-Stoffs annehmen sollte: weil der Welt so ein weiterer Teutonen-Blockbuster erspart bleiben dürfte. Schließlich hat »Der Untergang« hinlänglich bewiesen, dass es deutschen Filmen sogar gelingt, noch aus Hitler einen an sich ganz netten, wenn auch verwirrten Opa mit Rotzbremse zu machen. Dass es Singer gelingen könnte, filmisch die Zwieschlächtigkeit einer unsympathisch motivierten, persönlich aber gewiss tapferen Hauptfigur Stauffenberg zu bewältigen, dafür spricht übrigens sein Film »Der Musterschüler« (1998), in dem er ein überzeugendes Dr. Jekyll/Mr. Hyde-Porträt eines unenttarnt in den USA lebenden NS-Kriegsverbrechers zeichnete. Wenn also schon unbedingt ein Stauffenberg-Film sein muss, dann wenigstens von einem wie Singer und mit einem wie Cruise.