Linke mit zwei Spielbeinen

Einst wollten die Grünen die parlamentarische Vertretung der linken Bewegungen sein. »Die Linke« bewegt sich von Anfang an lieber im Parlament. kommentar von peter bierl

Spielbein wollten die Grünen einst sein. Die »Anti-Parteien-Partei« würde sich nicht verstaatlichen lassen, und das Standbein für emanzipatorische Politik sollten sowieso außerparlamentarische Bewegungen bleiben. Die Anti-AKW-Aktivisten hatten es geschafft, dass Siemens&Co. weniger Atomkraftwerke bauen konnten als geplant. Der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) erklärte eine Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe in Gorleben für »politisch nicht durchsetzbar«. Solche Erfolge errang die Ökologiebewegung ohne einen einzigen Parlamentarier, gegen Kapital und Gewerkschaften und gegen einen Polizeiapparat, den sozialdemokratisch geführte Regierungen hochgerüstet hatten, darunter Kanzler Willy Brandt, den Oskar Lafontaine zur Leitfigur der Partei »Die Linke« erhoben hat.

Seinerzeit durfte man hoffen, diese Bewegung würde auch künftig grünen Sesselfurzern Dampf machen. Das Gegenteil war der Fall. Die Partei integrierte die Bewegung. Die Grünen verliehen einer jungen, »innovativen« Mittelschicht Ausdruck, die neue Felder der Kapitalverwertung in Energieversorgung und Technik sowie im Lebens­mittelsektor erschloss und in selbstverwalteten Klitschen neue Ausbeutungsformen am eigenen Leib getestet hatte. Der Quoten-Feminismus lockte Frauen, deren berufliche Chancen an patriarchalen Strukturen scheiterten, die der bürgerlichen Gleichheitsideologie widersprachen.

Die Grünen als Vehikel einer Modernisierung drängten folgerichtig nach »Verantwortung« und stellten mit Joschka Fischer 1985 ihren ersten Minister. »Die Linke« dagegen hatte ihre Turnschuhminister, bevor sie überhaupt gegründet wurde. Die Partei zieht in der Berliner Koalition das brutalste Sparprogramm aller Bundesländer durch: Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag der Länder, weniger Geld für Schulen und Kindergärten, Verkauf von Wohnungen und Wasserversorgung – an jene, die Lafontaine sonst als Raubtierkapitalisten schmäht. Die neue Partei entspringt nicht einer starken, kämpferischen Bewegung, stattdessen betreiben Tausende ihrer Kader in ostdeutschen Kommunen als Räte, Bürgermeister und Bürokraten alltäglich den Sozialabbau.

Es ist darum ein frommer Wunsch und bezeichnend, wenn Linke wie Sahra Wagenknecht und Tobias Pflüger, kaum sind Linkspartei/PDS und Wasg fusioniert, bitten, man möge doch Grundsätzen treu bleiben und Bundeswehreinsätze konsequent ablehnen. Der Parteivorsitzende Lothar Bisky hatte zuvor bereits Ausnahmen angekündigt. Kaum jemand erwartet von der neuen Sozialdemokratie radikale Politik oder auch nur jene sinnvolle »revolutionäre Realpolitik«, die Rosa Luxemburg anmahnte, Reformen im Hier und Jetzt, die über die bestehende Ordnung hinausweisen. Aber »Die Linke« wird nicht einmal die Überbleibsel des alten bürokratischen Sozialstaats, den Lafontaine als Teil nationaler Identität beschwört, verteidigen oder gar wieder aufrichten, sondern allenfalls helfen dürfen, die Armutsverwaltung durch ein garantiertes Mindesteinkommen zu modernisieren. Diese »Linke« mag soziologisch die Partei der Ausgeschlossenen sein, politisch ist sie Juniorpartner im Wartestand für eine Regierungskoalition.