Schreibtisch, Stuhl, Flagge

von Nora wicke

Endlich Post – Norbert Lammert hat geschrieben! Das Lächeln eines Siegers strahlt aus Thomas Strobls rundlichem Gesicht. Die graumelierten Haare schön gescheitelt, glänzende Haut, etwas blass. Der CDU-Politiker genießt das Lob des Bundestagspräsidenten für seinen Vorschlag, die 614 Abgeordnetenbüros in Berlin mit Deutschland-Flaggen auszustatten.

Zwar ist dafür, achwieschade, kein zusätzliches Geld vorgesehen. Aber es geht ja auch anders: Strobl kauft sich selber ein Fähnchen und reicht den Antrag auf Erstattung der Kosten bei der Verwaltung ein. Anschließend überredet er seine Kollegen und Kolleginnen, dasselbe zu tun. Vielleicht lohnt eine Sammelbestellung? Gepuscht von der plötzlichen Aufmerksamkeit für seine bisher gänzlich missachtete Person ist ihm soviel Engagement zuzutrauen, schließlich ist Strobl ausdauernd. Er ist zwar noch weit »von Bestmarken entfernt«, aber die Teilnahme am Trollinger Marathon lässt er sich seit Jahren nicht nehmen. »Ohne Laufen geht es nicht. Durchhalten und Ankommen ist alles.«

Angekommen ist der gebürtige Heilbronner durchaus hier und dort, ja beinahe überall. Zum Beispiel in der Familie Schäuble. Im Jahr 1996 heiratete er Christine, die Tochter des Innenministers. Oder in einem soliden Beruf. Seit zehn Jahren arbeitet er als selbständiger Rechtsanwalt in einer hübschen Gemeinschafts­kanzlei. Und natürlich in Berlin, wo er 1998 als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag einzog und inzwischen dem Ausschuss für Wahlprüfung vorsitzt. Nicht zu vergessen, seit drei Jahren ist er Generalsekretär der Baden-Würtembergischen CDU und außerdem Landesvorsitzender des Technischen Hilfswerks.

Die Deutschland-Flaggen wären ein schönes I-Tüpfelchen gewesen, gell? Und ein bisschen Farbe ist doch so erfrischend! Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und Strobl wird seinen sicher gehen, mit oder ohne Flaggen: »Motivationsprobleme habe ich keine.« Wer hätte das gedacht.