Die Völker marschieren in Jena ein

Anfang September soll in Jena zum zweiten Mal das rechtsextreme »Fest der Völker« stattfinden. Neonazis aus ganz Europa werden erwartet. von Andre Seitz

Der 21. Juli war kein guter Tag für ihn. Mit gerade mal 37 Kameraden musste Christian Worch kürzlich unter dem Schutz von über 1 000 Polizisten durch Leipzig laufen. »Die Demonstration ist boy­kottiert worden, und zwar erstens systematisch und zweitens auch hinterrücks«, jammerte er im rechts­extremen Internetforum Altermedia. Besonders sauer war er auf zwei seiner bisherigen Kameraden. Nicht nur Jens Schober habe gefehlt, »sondern auch ein weiterer Mann, dessen Namen zu nennen ich mich nicht scheue, weil er vorher seine Beteiligung angedeutet hatte: Thomas Gerlach, in nationalen Kreisen auch unter dem von ihm selbst gewählten Spitznamen ACE bekannt«.

Der Angegriffene reagierte prompt und warf Worch im selben Forum eine schlechte Organisation des Aufmarschs vor: »Es ist für uns eine einfache Sache, dass man sich an einer Demonstration, über die man, außer dem Demonstra­tions­motto und dem Termin, nichts weiß, entweder beteiligen kann oder eben nicht!«

Gerlach kommt aus dem thüringischen Meu­sel­witz und ist häufig der Anmelder und Organisator von Aufmärschen in Thüringen und West­sachsen, zu denen er auch des Öfteren Worch als Redner einlud. Jetzt aber liegen beide im Clinch, den sie lang und breit im Internet austragen. Gerlach ist mittlerweile Leiter der Neonaziorgani­sation »Kampfbund Deutscher Sozialisten«. Auf Demonstrationen ist er der Anführer der Kameradschaftsszene und dabei stets mit Palästinensertuch und »Intifada«-Sweatshirt bekleidet.

Der Konflikt zwischen den beiden verdeutlicht einen gewissen Geltungsanspruch, den ostdeutsche Neonazis wegen ihrer regionalen Stärke mitt­lerweile in der bundesweiten Szene erheben. Die von Gerlach und dem stellvertretenden thürin­gischen NPD-Vorsitzenden Ralf Wohlleben mit­initiierte »Antikap«-Kampagne, in der gegen den Kapitalismus und die Globalisierung gehetzt wird, gehört zu den Versuchen, überregional eigene Akzente zu setzen. Seit zwei Jahren sind beide auch für ein europaweites Neonazi­spektakel verantwortlich, das »Fest der Völker« in Jena.

»Das ist eine sehr gefährliche Sache, etwas, das wir so in der Bundesrepublik noch nicht haben«, meint der Jenaer Sekretär der IG Metall, Christoph Ellinghaus. »Das ›Fest der Völker‹ ist der Versuch der Nazis, in Jena einen bundesweiten Pflichttermin der rechtsextremen Szene zu verankern.« In diesem Jahr soll es am 8. September stattfinden.

Unter maßgeblicher Beteiligung des Netzwerks »Blood & Honour«, das in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten ist, wird ein »Europa der Vaterländer« gefordert. Vor zwei Jahren fand das von Wohlleben angemeldete Treffen trotz Versuchen, es zu verbieten, und trotz großer Proteste erstmals statt. Gerlach hatte damals sicherheitshalber eine Ausweichkundgebung mit dem Titel »Fest der Völkerverständigung« in Altenburg angemeldet.

Nach dem Verbot des »Fests« wegen Polizei­notstands während der Fußballweltmeisterschaft im vorigen Jahr soll nun das »Fest der Völker 2« folgen. Erwartet werden Neonazibands wie die »Ultima Frontiera« aus Italien, »Brutal Attack« aus Großbritannien oder »Sleipnir« aus Güters­loh; sie sollen sich mit Rednern führender Mitglieder von »Blood & Honour« aus Ungarn und Großbritannien abwechseln.

Einige dieser Redner waren und sind nach wie vor als Musiker tätig, wie etwa der Italiener Alessandro Mereu, der Leiter der italienischen Neonaziorganisation »Vertice Primo« und Sänger der Band »Hate for Breakfast«. Der griechische Redner Nick Giohalas, der für die griechische Bewegung »Golden Dawn« auftreten soll, sagte im Jahr 2000 in einem Interview zur Umbenennung seiner NS-Blackmetalband »Herrenblut« in »Der Stür­mer«, der neue Name sei »besser und origineller, aber wir verstehen ihn auch als einen Tribut an den großen nationalsozialistischen Kämpfer und Märtyrer Julius Streicher«.

»Die Thüringer Neonazis haben einen interna­tio­na­len Anspruch und die dazugehörigen Kontakte«, erzählt Peter von der Antifa Jena. »Hier wird auch auf anderen Ebenen kommuniziert, als es NPD-Chef Udo Voigt tut, es geht um jüngere Kreise aus dem Post-Skinhead-Umfeld.«

Beim ersten »Fest der Völker« war es einem Teil der 8 000 Gegendemonstranten gelungen, den geplanten Veranstaltungsort der Rechtsex­tre­mis­ten zu besetzen; die Polizei räumte den Platz nicht und verlegte das »Fest der Völker« auf den Parkplatz eines Baumarkts an der Autobahn am Rande der Stadt.

»Das war ja nur die kleinere Version«, sagt Uta Lemke vom Koordinierungsbüro des Runden Tisches für Demokratie in Jena. Diesmal wolle Wohl­leben die Veranstaltung auf einem Parkplatz in der Nähe der Jenaer Innenstadt durch­setzen. Die Gegner des Protests seien jedoch »voll in den Vor­bereitungen«. Lemke meint: »Die Zivilgesellschaft muss aufgefordert werden. Wir haben 100 000 Einwohner, wenn jeder Zehnte protestieren würde, wäre das auch ein polizeilicher Notstand.« Für den Tag vor dem »Fest der Völker« sei darüber hinaus eine Pressekonferenz der NPD im Jenaer Rathaus geplant, auf der diese ihr »Fest« bewerben wolle. Zur Not will die Partei ihren Auftritt im Rathaus per Klage erzwingen.

Bis vor kurzem präsentierte sich die Thüringer NPD auch unter der Internetdomain »landtagswahl-thüringen.de«, während ihrer derzeitigen Mitgliederkampagne verging kaum ein Tag ohne NPD-Infotisch in irgendeiner Thüringer Kleinstadt. »Es hat für die Antifa fast keinen Sinn mehr, hier ständig hinterherzureisen. Wir versuchen, Naziveranstaltungen mit überregionaler Bedeutung wie das ›Fest der Völker‹ zu verhindern«, sagt Peter.

In Thüringen gibt es für Antifas viel zu tun. In Erfurt etwa wurde in der vorigen Woche ein Jugendbüro der Partei »Die Linke« überfallen, und in Apolda werden bei Nazigegnern regelmäßig die Scheiben eingeschmissen. Wenigstens in Jena ist die Lage etwas anders. »Jena ist keine große Stadt, aber sie stoßen auf ungewöhnlich großen Widerstand«, erzählt der Gewerkschafter Ellinghaus. Die Verdrängung der Neonazis an den Stadt­rand im Jahr 2005 sei ein Zeichen gewesen: »Ein breites Bündnis greift zu Mitteln des zivilen Wider­stands.« Die städtischen Behörden seien zwar »in einer schwierigeren Lage als vor zwei Jahren«. Im Nachhinein hatte das Verwaltungsgericht Gera einer Klage der NPD Recht gegeben, die Verlegung des »Fests der Völker« an den Stadtrand sei nicht rechtens gewesen. Dennoch sieht Ellinghaus Chancen für eine erneute Blockade. Ob eine Blockade geräumt wird oder nicht, »ist immer eine politische Entscheidung«.