Alles eine große Verschwörung

Während Linke nach emanzipatorischen Ansätzen beim Klimaschutz suchen, mischen in der Klimadebatte längst auch rechte und antisemitische Verschwörungstheoretiker mit. von volker radke

Es ist leicht, sich über »Klimaschützer« wie Al Gore, Bill Gates und Herbert Grönemeyer lustig zu machen. Wer sich im »Klimastreit« positionieren möchte, sollte jedoch auch die andere Seite kennen, weshalb ein Blick in die Abgründe der Szene der »Klimaskeptiker« angebracht erscheint.

Dieses Jahr erschien Michael Durkins Film »The Great Global Warming Swindle«, in dem die Theorie der Klimaforscher, die gegenwärtige globale Erwärmung sei durch den Menschen verursacht, als »größter Betrug unserer Zeit« bezeichnet wird. Klimaforscher und Umweltschützer hätten diese Lüge in die Welt gesetzt, um an Forschungsgeld und Förderungen für alternative Energien heranzukommen (natürlich wird das gut belegte Sponsoring der Mehrzahl der im Film interviewten »Klimaskeptiker« durch die Öl- und Kohleindustrie nicht erwähnt). In Wirklichkeit sei die Sonnenaktivität (die allerdings, was der Film verschweigt, gerade in den vergangenen Jahrzehnten nicht mit der Erwärmung korreliert) die Ursache der gegenwärtigen Erwärmung. Der Film, der wegen zahlreicher Fehler und des Rückzugs des Wissenschaftlers Carl Wunsch, der sich von Durkin hinters Licht geführt fühlte, mehrfach nachbearbeitet werden musste, wurde vor allem im Internet schnell populär und ist etwa auf dem Videoportal Youtube zu finden.

Ebenfalls auf Youtube ist zu sehen, wie der australische ABC-Journalist Tony Jones Michael Durkin in einem gut vorbereiteten Interview, in dem er Aussagen des Films mit Erwiderungen von Klimaforschern kontrastierte, sichtlich ins Schwitzen brachte. In der anschließenden Diskussion konnte man staunend beobachten, wie eine Gruppe »klimaskeptischer« Anhänger der für antisemitische Verschwörungstheorien bekannten LaRouche-Sekte (in Deutschland als »Bürgerrechtsbewegung Solidarität« bekannt) die Klimaforscher und Umweltschützer auf dem Podium mit abstrusen Vorwürfen überhäuften (»This is Hitler’s Nazi race science!«).

Nicht nur die LaRouche-Sekte, die auch in Deutschland mit Infoständen gegen den »Klimaschwindel« agitiert, sondern auch andere einschlägig bekannte Verschwörungstheoretiker hängen ähnlichen Vorstellungen wie Durkin an. Gerhard Wisnewski, der die Frage stellte, ob Ariel Sharon hinter den Anschlägen von 9/11 steckte (Jungle World 32/2003), verteidigt den Film auf seiner Webpage, wofür er wiederum auf der Nazi-Seite Altermedia gelobt wird. Solchen Fantasien ebenfalls nicht abgeneigt ist der Schlagersänger Christian Anders, von dem Textzeilen stammen wie »Ob Rothschild, Cohn oder Donati, man nennt uns auch Illuminati« (Jungle World 52/2002). Anders nimmt für sich gar in Anspruch, als erster den Betrug durchschaut zu haben: »Sogar die Blöd-Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung scheinen jetzt begriffen zu haben, dass der Klima­alarm ein einziger großer Schwindel ist. Aber warum erst jetzt? Haben sie bei mir abgeschrieben? Denn ich waren der erste, der in einer Kolumne auf den Schwindel aufmerksam gemacht hat.« (Sprachliche Fehler im Original)

So irre die Vorstellung einer weltweiten Verschwörung von Klimaforschern und Umweltschützern auch ist, sie ist gerade im Internet ausgesprochen populär, und es ist erst einmal erklärungsbedürftig, warum LaRouche, Wisnewski, Anders und andere sich auf die Seite der »Klimaskeptiker« geschlagen haben, ließe sich doch mit etwas mehr Glaubwürdigkeit auch eine Verschwörung der Öl- und Kohleindustrie zurechtzimmern, die sich auf Kosten von Mensch und Umwelt bereichert. Insbesondere auf dem Nazi-Portal Altermedia fällt dabei auf, dass die »Klimadebatte« das Zeug hat, antisemitische Bedürfnisse zu befriedigen, wenn man die entsprechende Kreativität aufbringt: »Der hochverehrte World Wildlife Fund (WWF) mit allerlei noch höher verehrten Adeligen und Geldgrößen an der Spitze«, »Spekula­tion« mit Emissionspapieren, eine raffgierige Elite von Klimaforschern und Umweltschützern im Verbund mit dem Finanzkapital, das hinter den großen Stromkonzernen steht, die am Ende dem einfachen Mann die Strompreise erhöhen – dieser Plot scheint für Menschen mit einem Faible für antisemitische Verschwörungsideen zu funktionieren. Auf jeden Fall ist die Gegenüberstellung der verschiedenen Protagonisten der Klimadebatte (die unsympathischen »Klimaretter« Al Gore und Herbert Grönemeyer vs. »Intellektuelle« wie Michael Crichton und Joseph H. Reichholf auf der Seite der »Skeptiker«), wie bei Cord Riechelmann (Jungle World 30/2007), viel zu vereinfacht.

Linke verfügen in der Regel auf dem Feld der Klimaforschung über kein besonderes Expertenwissen. Entsprechend können sie keinen alternativen Beitrag zur Klimaforschung leisten, sondern müssen die Dinge so nehmen, wie sie von der bürgerlichen Wissenschaft geliefert werden. Was sie können, ist, über die gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels und des Diskurses über ihn nachzudenken. Auf der Ebene der Geopolitik ist der Diskurs um den Klimawandel ein Element der Konkurrenz verschiedener kapitalistischer Nationen, Machtblöcke und Interessengruppen. Deutschland, durch die Abwicklung der DDR-Wirtschaft in der günstigen Lage, ab 1990 sinkende CO2-Emissionen aufzuweisen, nutzt die Gelegenheit, den Kyoto-Verweigerer USA unter Druck zu setzen. Gleichzeitig bieten sich für Deutschland Chancen, den technologischen Vorsprung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien in wachsende Profite und internationale Sympathien auf Kosten der USA umzusetzen. Ähnlich wie beispielsweise beim Irak-Krieg stellt sich Deutschland gegenüber dem »Umweltsünder« USA als »good guy« dar.

Stichwort Global Governance: Erneut stellen sich Fragen nach der Regulationsfähigkeit des Kapitalismus, die beim Klimawandel deshalb besonders knifflig sind, weil er »zeitverzögert« stattfindet – die Folgen gegenwärtiger Emissionen sind erst Jahre später zu spüren, und entsprechend lang wird es dauern, bis die vom Menschen produzierten Treibhausgase wieder verschwunden sein werden. Noch zu treffende politische Vereinbarungen auf Weltebene müssten über viele Jahre hinweg einigermaßen zuverlässig eingehalten werden. Es müsste effektiv verhindert werden, dass Umweltsünder durch Unterlaufen von Klimaschutzvereinbarungen höhere Profite erzielen können als diejenigen, die sich an die Vorgaben halten. Dies ist in einer Situa­tion, in der emerging nations wie China und In­dien sich anschicken, ihre primäre kapitalistische Akkumulation zu vollziehen, und dabei ihren Energiebedarf auf möglichst billige Art stillen müssen, kein einfaches Unterfangen. Unmöglich? Wir werden sehen.

Die Produktion der die Ozonschicht zerstörenden Fluorkohlenwasserstoffe wurde jedenfalls durch das von mittlerweile 189 Staaten ratifizierte, 1987 übrigens auf Drängen der USA beschlossene Montrealer Protokoll effektiv reduziert, wenn auch die positiven Folgen erst mit zeitlicher Verzögerung auftreten werden. Freilich war die FCKW-Industrie in ihrer Größe und Bedeutung nicht mit der Öl- und Kohleindustrie zu vergleichen.

Wer sich der Solidarität mit Israel verpflichtet fühlt, kommt in der Regel nicht um einige schnöde, real­politische Überlegungen herum. Würde die Nachfrage nach Erdöl aufgrund von Klimaschutzvereinbarungen sinken – was derzeit nicht abzusehen ist –, hätte dies zweifellos Folgen für die Situation im Nahen Osten (die nur positiv wären, wenn sie nicht zu einer weiteren Verbreitung der Kernkraft führten). Thomas Friedman hat in einem Interview mit dem Tagesspiegel völlig zu Recht auf den Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit der modernen Industriena­tionen von Öl und der Lage im Nahen Osten hingewiesen: »Wir bezahlen die US-Armee, die Navy und die Airforce und das Marinekorps mit unseren Steuergeldern, und wir bezahlen al-Qaida, den Islamischen Jihad, Iran und Sudan mit unseren Energieeinkäufen. Nun, wie dumm ist das? Wir befinden uns in einem Krieg, und wir finanzieren beide Seiten. (...) Als der Ölpreis bei 20 Dollar pro Barrel lag, forderte Iran einen Dialog der Kulturen, nun, bei 70 Dollar pro Barrel, sagt Iran, der Holocaust ist ein Mythos.«

Auf alle Fälle taugt der Klimawandel nicht für Spekulationen über die Endlichkeit des Kapitalismus. Solange es keine ernstzunehmende Bewegung zu seiner Überwindung gibt, wird auch eine globale Erwärmung von deutlich mehr als zwei Grad keine ernsthafte Bedrohung für die kapitalistische Gesellschaftsformation darstellen. Ob die Vernichtung überzähligen Kapitals durch Kriege oder durch Umweltkatastrophen vonstatten geht, ist letztlich kein Unterschied ums Ganze. Und wenn Rüstungskeynesianismus funktionieren kann, kann es ein Klimakeynesianismus allemal.