Eine Litschi-Welt ist möglich

Wer Bionade trinkt, begeht eine gute Tat, lautet die Botschaft der Limonadenproduzenten. von nora wicke

Ob in der Mensa, beim Rockkonzert, auf Omas Geburtstag, auf dem WG-Balkon oder im Bord­bistro des ICE – irgendwo nuckelt und zutscht immer jemand an einer Limo mit Holunder-, Litschi-, Kräuter- oder Ingwer-Orange-Geschmack. Sobald es heiß wird, schreien alle nach Erfrischung. Und Erfrischung heißt »Bionade«.

Die Geschichte der Bio-Limo ist schnell erzählt. Ein kleiner Ort in Bayern, eine finanziell ruinierte Brauerei und ein Tüftler mit langem Atem, der acht Jahre in seiner Wohnung an dem Produkt arbeitete, das heute in halb Europa getrunken wird. Das Zauberrezept lautet: Malz und Wasser mit Mikroorganismen anreichern und gären lassen. Dabei entsteht kein Alkohol, sondern die wunderbar gesunde Gluconsäure. Das Zeug wird nicht gebraut, sondern fermentiert, es handelt sich um ein biologisches Verfahren.

Im Jahr 1996 wurde die erste Flasche abgefüllt, und damals sah es noch so aus, als könnte das Geschäft ziemlich übel scheitern. Kurkliniken und Fitnessstudios waren die ersten Abnehmer, kaum jemand interessierte sich für das Produkt von Dieter Leipold. Dann entdeckte ein großer Getränkehändler in Hamburg die Limonade. Das Geschäft prosperierte schnell, Engpässe bei der Lieferung entstanden. Die großen Handelsketten luden herzlich ein und verzichteten auf die sonst übliche Gebühr. Der Konzern Coca-Cola zeigte Interesse und wurde abgewiesen. Im Jahr 2006 wurden 73 Millionen Flaschen verkauft, der Umsatz stieg um 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Auf der größten Messe für Ernährungs- und Genussmittel in Paris räumte die Bionade GmbH im vergangenen Jahr gleich zwei Preise ab, der internationale Boom begann. Inzwischen wird »Bionade« auch in zahlreichen westeuropäischen Ländern, von Italien bis Schweden, verkauft. Nach Informationen der Financial Times Deutschland hofft Peter Kowals­ky, der Stiefsohn des Erfinders und Geschäftsführer, auch auf das Geschäft in Übersee, Kanada und den USA.

Pünktlich zu den Gipfelprotesten in Heiligendamm begann die Bionade GmbH ihre erste Werbekampagne mit großen bunten Plakaten und dem Spruch »Das offizielle Getränk einer besseren Welt«. Im Internet ruft man gleichzeitig zu gutherzigen anonymen Aktionen auf, etwa den Rasen des Nachbarn zu mähen, während dieser sich im Urlaub erholt.

Der große Erfolg ist da, aber in der Rhön, wo biologisch produziert und ökologisch angebaut wird, bleibt alles ruhig. Ein bisschen retro ist es, das Erscheinungsbild der »Bionade«, dafür schlicht. Und das Getränk ist von hier. Die Sehnsucht nach dem regionalen Produkt wird erfüllt. Man bleibt sich treu in Bayern, das scheint zum Konzept zu gehören. Gewinne hinterzogen und Arbeitskräfte entlassen werden woanders, nicht in Ostheim. Etwa 130 Menschen arbeiten zurzeit für die Bionade GmbH. Ab und zu werden ein paar neue Leute eingestellt, gerne auch Empfänger und Empfängerinnen von ALG II .

Ganz nebenbei wird prozessiert. Die Bionade GmbH klagte erfolgreich gegen die Handelskette Plus, weil deren Erfrischungsgetränk »Maltonade« der »Bionade« zu ähnlich sieht. Die Konkurrenz ist wachsam, selbst Beck’s tüftelt an einem ähnlichen Getränk. Es könnte zukünftig voller werden im Limonadenregal.

Auf dem Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain liegen seit einiger Zeit neben Kippen und Kron­korken der Marke Sternburg auch die der Bio­nade, denn das Spielplatzpublikum lebt bewusst. Das Getränk ist ein bisschen teurer, aber das macht ja nichts, schließlich zählt die Qualität. »Bionade« gibt’s bei Rewe und Metro, aber nicht bei Lidl und Co., im Akademikerhaushalt, aber nicht in der Sozialwohnung, im Szeneclub, aber nicht in der ollen Eckkneipe, in Schweden, aber nicht in Polen.

Alles sauber. Alles gut. In der Presse umschwärmt, von Gastronomen gelobt, von Müttern beschworen. Calcium, Magnesium und Zucker, was braucht man mehr? Die bessere Welt scheint zum Greifen nah, da wir das Getränk dazu schon kaufen können. Oder wie eine Nut­zerin des Forums der Zeitschrift Neon schrieb: »Wenn eine Hand voll fette Kinder von Cola auf Bionade umsteigt, nehmen die schon dadurch ab. Das wär’ super.«