Erst pausieren, dann reformieren

Die französische Regierung schränkt das Streikrecht ein. Dagegen wollen die Gewerkschaften streiken. von bernhard schmid, paris

Nicolas Sarkozy gönnt sich und den Franzosen eine kleine Pause. Doch bevor der Präsident in den dreiwöchigen Urlaub abflog, kündigte er am Mittwoch der vergangenen Woche weitere Reformen für den Herbst an. »Rechnen Sie damit, dass es nach dem Ende der Urlaubsperiode sehr stark wieder losgehen wird«, rief er seinen Ministern anlässlich der Kabinettssitzung zu. Und die Wirtschaftstageszeitung Les Echos titelte: »Sarkozy verspricht einen Herbst, der reich an Reformen sein wird.«

Dabei wappnet sich der Präsident gegen böse Überraschungen. Deshalb beschloss die konservative Regierung am Donnerstag voriger Woche nun auch die erwartete Einschränkung des Streikrechts durch Einführung eines service minimum. Während des Berufsverkehrs muss durch Notdienste gesichert sein, dass die Beschäftigten zur Arbeit und wieder zurück kommen.

Entgegen manchen Befürchtungen enthält der Gesetzestext keine Dienstverpflichtung streikender Angestellter gegen ihren Willen. Dies wäre wohl auch nicht durchsetzbar. Wohl aber erschwert das neue Gesetz die Aufnahme eines Streiks in den zurzeit hauptsächlich im Fokus stehenden Betrieben des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Die Vorwarnzeit für die Unternehmen wird verlängert. Der Ausstand muss angemeldet werden, es folgen obligatorische Verhandlungsrunden. Das ist auch nach dem alten Gesetz erforderlich, doch statt fünf Tage beträgt die Frist für die Auslösung eines Streiks in den Transportbetrieben nun bis zu 16 Tage.

Ansonsten enthält der Text auch überwiegend symbolische Bestimmungen. In einem ­Artikel schreibt das neue Gesetz etwa vor, dass im Streikfall »der Verdienst der Beschäftigten in zum Arbeitsausfall proportionaler Weise vermindert« werden müsse. Das allerdings geschieht bereits, es ist noch nie vorgekommen, dass ein Unternehmen abhängig Beschäftigte für die Dauer ihres Ausstands freiwillig bezahlt hätte.

In Frankreich wird auch kein gewerkschaftliches Streikgeld gezahlt, vielmehr müssen die Lohnabhängigen in aller Regel ihre Verdienstausfälle aus eigener Tasche bezahlen. Es sei denn, eine nachträgliche Bezahlung der Streiktage wird zum Gegenstand einer Vereinbarung mit dem Unternehmen, die zur Rückkehr zum »sozialen Frieden« beitragen soll.

Möglicherweise ging es der Regierung darum zu verhindern, dass solche Vereinbarungen erkämpft werden können. Ob sie unter dem neuen Gesetz in Zukunft zulässig sind, ist freilich eine offene Frage. Wahrscheinlich versuchte die konservative Regierung aber nur, den Eindruck zu erwecken, bisher seien die streikenden Staatsbediensteten während ihres Arbeitskampfs bezahlt worden. Dabei gilt gerade im öffentlichen Dienst bereits eine besonders scharfe Regelung: Schon ab der ersten Stunde Arbeitsausfall wird automatisch ein voller Tageslohn einbehalten.

Vor allem in einem Punkt wurde der Entwurf vom rechten Flügel der Regierung beträchtlich verschärft. In einer Zusatzbestimmung werden abhängig Beschäftigte nunmehr mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen bedroht, falls sie den Unternehmer nicht 48 Stunden vor Beginn eines Arbeitskampfs über ihre individuelle Teilnahme oder Nichtteilnahme informieren. Oder falls sie sich entgegen vorheriger Ankündigung dann doch daran beteiligen.

Die Satirezeitung Le canard enchaîné lässt zwei Beschäftigte in einer Karikatur dazu sagen: »Nach dem service minimum: Wenn es so weitergeht, müssen wir vielleicht bald um ein droit de grève minimum (Mindeststreikrecht) kämpfen.« Für September hat die Gewerkschaft CGT bereits Ausstände gegen die Änderungen im Streikrecht angekündigt.

Die Boulevardpresse empörte sich darüber, dass Streiks für die Zeit geplant werden, in der die Rugby-Weltmeisterschaft stattfindet. Bernard Thibault (CGT) kündigte jedoch an, im September sei wohl »trotz Rugby-WM« mit sozialen Konflikten zu rechnen. Zumal Sarkozy wohl noch mit weiteren Reformideen aufwarten wird, wenn er erholt aus seinem Urlaub zurückkehrt.