Heuchlerische ­Kritik der Waffen

Die neue US-Politik im Nahen Osten markiert das Ende des Demokratisierungsmodells und offenbart die Hilflosigkeit gegenüber dem Iran. kommentar von ivo bozic
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Am liebsten wäre es der deutschen Bundesregierung ebenso wie der parlamentarischen und außerparlamentarischen Linken offenbar, die USA würden ihre Außenpolitik vollständig einstellen. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Reaktionen auf die geplanten Waffenlieferungen an verschiedene Staaten des Nahen Ostens verfolgt. Kritisierte man früher leidenschaftlich die Politik der Neocons, die mit der Unterstützung undemokratischer Regime brechen wollten und verschiedene Mächte nicht mehr gegeneinander ausspielen wollten, so schimpft man nun über die Rückkehr zur alten Realpolitik, die man sich doch so sehr herbeigewünscht hatte, als man noch gegen die Neocons wetterte.

Wenngleich die Motive dieser Kritik also recht fragwürdig sind, ist Kritik an der amerikanischen Außenpolitik allemal angebracht. Diese Real­poli­tik bedeutete in der Vergangenheit, die Con­tras gegen die nicaraguanischen Sandinisten aufzurüsten, die Mujahedin gegen die Sowjets, Saddam Hussein gegen den Iran, die Ayatollahs wiederum gegen den Irak – das Ergebnis dieser Politik war überall verheerend. Die gegenwärtige Situation im Irak mag zwar kurzfristig gedacht eine Konsequenz des Krieges von 2003 sein, ist aber langfristig gesehen auch eine Folge des Versuchs, die beiden Regime gegeneinander auszuspielen.

Jetzt also bedingungslose Waffenlieferungen unter anderem für die angeblich ach so moderaten arabischen Staaten Bahrain, Oman, Saudi-Ara­bien – lauter Regime, deren Rechtssysteme auf der Sharia beruhen. Für Frauen gibt es nicht die geringsten Freiheiten in Saudi-Arabien, im Land wütet ein wahhabitisch-islamistischer Tugendterror, das Existenzrecht Israels erkennt das Regime nicht an. Immer wieder wurden Verbindungen vom saudischen Königshaus zu jihadistischen Terrororganisationen bekannt.

Damit wird offensichtlich, was der Unterschied zur Neocon-Politik ist: War deren erklärtes Ziel eine Demokratisierung des Mittleren Ostens, kann davon nunmehr endgültig keine Rede mehr sein. Allein um die Einschränkung der Macht des Irans geht es jetzt. Das ist angesichts des Bedrohungspotenzials zwar auch dringend nötig, weshalb aus Israel eher positive Reaktionen zu dem Waffendeal kommen (und natürlich auch, weil die USA ihn Israel mit eigenen Waffenlieferungen schmackhaft gemacht haben). Doch die neue alte Strategie ist ein Vabanquespiel mit unberechenbaren Spätfolgen.

Sie ist zum einen ein Indiz dafür, dass die USA mittelfristig keinen Krieg gegen den Iran planen (15 Jahre sind für die Aufrüstung am Golf vorgesehen), vor allem aber ein Ausdruck der Hilflosigkeit amerikanischer Außenpolitik. Und sie zeigt, in welch komfortabler Situation der Iran sich befindet. Und das ist die Krux an der Kritik von deutschen und anderen europäischen Politikern. Wer wie die EU wichtigster Handelspartner des Iran ist und konsequente Wirtschaftssanktionen ablehnt, wer wie viele deutsche Linke und die Friedensbewegung die so genannte atomare Souveränität des Iran verteidigt, trägt materiell bzw. ideell Mitschuld an der Zwickmühle, in der die USA mit ihrer Nahost-Politik stecken, und an dem Fehlen von Handlungsalternativen gegen­über dem Mullah-Regime – und damit auch an dieser verheerenden Realpolitik.