Dunkle ­Großstadtromantik

Plattebuch von michael saager

Auf dem Cover ihres zweiten Albums machen Chica And The Folder einen surrealen Witz: Man sieht die beiden Musiker, Paula Schopf und Max Loderbauer, auf einer sommerlichen Wiese. Beide tragen vor allem Nachtschwarz. Er pflückt weiße Blümchen, sie scheint im Begriff, die Welt zu umarmen. Der Witz besteht darin, dass die zwei auf der Wiese nichts verloren haben. Sie wirken wie geheimnisvolle Fremdkörper, absichtsvoll in die »falsche« Welt gefügt.

Ambivalent ist auch die Musik des Albums. Was genau ist zu hören? Kommt darauf an. »Under The Balcony« ist, bei gleichzeitiger konzeptueller Geschlossenheit, so vielgestaltig, dass es einem nicht zuletzt angesichts seiner Schönheit erst mal die Metaphern und Begriffe verschlägt. Ganz sicher geht es aber um elektronische Tracks oder Tracks auf dem Weg zum Popsong, meistens ohne, manchmal mit sehr einprägsamen Refrains. Bei allen Stücken hat man das Gefühl, sie würden musikalische Spuren legen und sie in ein und derselben Bewegung wieder verwischen, um das Ganze dahinter sichtbar zu machen. Und so hören wir zwar Ambient, Acid-Grooves, Folkloreartiges aus unterschiedlichen Weltregionen, Chorgesänge, Kinderstimmen, Electro- und Housebeats, zahlreiche gesampelte Sounds und natürlich Schopfs charismatisch tiefe Stimme. Im Grunde aber nehmen wir teil an einer betörend coolen wie ätherisch dunklen Vorstellung postmoderner Romantik, die zweifellos in einer nächtlichen Großstadt zuhause ist und nicht auf einer taghellen Blumenwiese.

Chica And The Folder: Under The Balcony (Monika Enterprise / Indigo)