Warten auf den Juli

Thomas Mießgang porträtiert Fidel Castro in seinem Bildband »Vaterland oder Tod«. Von André Schwarz

Mit zwölf Mann und sieben Gewehren werden wir den Krieg gewinnen«, so lautete die Parole, die Fidel Castro seiner Truppe mit auf den Weg in die Berge gab. Mit 82 Mann waren sie auf der altersschwachen Yacht Granma von Mexiko aus nach Kuba aufgebrochen, um das Land zu befreien, doch bereits bei der Landung wurden sie unter Beschuss genommen – die Revolution schien gescheitert, bevor sie begonnen hatte. Doch Castro sollte mit seinem Satz Recht behalten – die zwölf barbudos führten die Revolutionäre aus der Sierra Maestra heraus zum Sieg.

Diese Geschichte machte den damals 33jährigen zum Mythos. Für die Linken war die »Insel im Meer des Kapitalismus« seither Sehnsuchtsort und Experimentierfeld zugleich, der »socialismo tropical« ein Gegenentwurf zu den Regierungen in Pjöngjang und Peking. Der Rest der Welt nahm von Havanna erst in der Kuba-Krise Notiz, dann aber umso heftiger und hysterischer. Vor allem die Regierungen der USA scheuen bis in die Gegenwart keine Kosten und Mühen, Kuba zu isolieren und einen Regimewechsel herbeizuführen.

Thomas Mießgang, Jahrgang 1955, Kulturjournalist und seit 2000 Musik-Kurator an der Kunsthalle Wien, bereist das Land seit vielen Jahren und beschäftigt sich insbesondere mit seiner Kulturszene und Musik. In seinem Bildband »Fidel Castro. Vaterland oder Tod« zeigt er ikonenhafte Bilder (wie etwa das einer Rede am 1. Januar 1959 mit den weißen Tauben auf dem Rednerpult) sowie private Aufnahmen und stellt den Fotos Originalzitate Castros zur Seite, die die Bilder kommentieren und in einigen Fällen auch konterkarieren – der eigentliche Trick des Herausgebers, um die Selbstinszenierung des ewigen Revolutionärs durchschaubar zu machen. Mießgang schreibt dankenswerterweise nicht die Legende des Máximo Líder fort und verfällt niemals der Faszination für Castro, die dieser durchaus für sich einzusetzen wusste. Bestes Beispiel für den Castro-Kult war Oliver Stones Film »Comandante«, der sebst die vom Staatschef dahingeworfene Bemerkung »In Kuba haben sogar die Prostituierten Abitur« als Aphorismus eines großen Denkers inszenierte.

Die Fotos sind klug ausgewählt und gegliedert. Einem Überblickskapitel folgen markante Bilder aus den Rebellencamps und den Anfangsjahren des sozialistischen Kuba. »Hebt euch den Festtagsbraten, den Rum und das Bier bis zum Juli auf«, steht neben einem Bild Castros mit Strohhut und Machete bei der Zuckerrohrernte geschrieben. Ein Spruch, symptomatisch für die Insel und ihre Bewohner, denn auch in der Gegenwart ist der Alltag zumeist ein Warten auf zukünftige, bessere Zeiten. War es damals die – gescheiterte – »größte Zuckerrohrernte aller Zeiten«, für die die gesamte Infrastruktur und Arbeitskraft des Landes in Anspruch genommen wurde, so ist es heute die Hoffnung auf das Ende des Período Especial, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ausgerufen wurde.

Eine Rarität sind die privaten Bilder: Der Comandante beim Baseball, beim Tauchen und immer wieder beim Lesen – Fotos, die sich immens von den inszenierten Bildern aus den siebziger und achtziger Jahren abheben und nichts von den Privatbildern à la Kim Jong-Il haben. »Der Herbst des Patriarchen« (Mießgang vermeidet die Bezeichnung »Diktator«) zeigt als letztes Kapitel die jüngsten Bilder vom Besuch des Papstes 1998 und der Medienschlacht um Elián Gonzales 2000/2001 bis hin zum Fernsehauftritt nach Castros Operation im Dezember 2006: Castro mit Hugo Chávez und Evo Morales, als Vorbild für eine linke Politik in Lateinamerika, ein Bündnis, demgegenüber sich Mießgang überaus kritisch zeigt.

Thomas Mießgang: Fidel Castro. Vaterland oder Tod. ­Fackelträger-Verlag, Köln 2007, 192 Seiten, 19,95 Euro