Der braune Onkel in der Spielecke

Ein ehemaliger Bundestagskandidat der Republikaner leitet in Berlin den ersten 24-Stunden-Kindergarten. Von Christian Fuchs und Verena Lammert

Olaf Neitzel ist ein fürsorglicher Kindergärtner. Jeden Morgen steht er früh um fünf Uhr auf, um das erste Kind in Empfang zu nehmen. Sein »Wich­telclub« in Berlin-Spandau ist die erste »24-Stunden-Kita« der Stadt. Neitzel und seine Frau Beate betreuen seit Mai 2006 sieben Kinder rund um die Uhr; mit ihrem Angebot wollen sie berufs­tätige Eltern entlasten. Bis vor wenigen Tagen wuss­ten diese jedoch nicht, wem sie ihren Nachwuchs anvertrauten.

Die Neitzels waren jahrelang aktive Mitglieder der rechtsgerichteten Republikaner (Rep). Olaf Neitzel kandidierte zwei Mal für die Partei für den Bundestag, das letzte Mal im Jahr 2005. Er war stellvertretender Schatzmeister der Bundespartei, saß im Vorstand des Berliner Landesverbands und war dessen bildungspolitischer Sprecher. Noch im August 2005 antwortete er auf eine Anfrage: »Die Aufnahmefähigkeit für Ausländer aus fremden Kulturkreisen ist erschöpft, teilweise bereits überschritten.« In einem Leserbrief an die Parteizeitung Der Republikaner fragte er, ob »die Republikaner bald zu links« seien.

Niemand fiel das bis vor kurzem auf. Die ARD sendete im August eine 45minütige Reportage über den »Hort für alle Fälle«. Die Autorin Rita Knobel-Ulrich war »wie vom Donner getroffen«, als sie nach der Ausstrahlung von der Vergangen­heit ihres Helden erfuhr. »Er ist freundlich und liebevoll mit den Kindern umgegangen«, sagt sie. »Weder der Bücherschrank noch die Bilder an der Wand haben darauf hingewiesen«, dass Neitzel rechte Ansichten habe.

Nun wurde Neitzels Vergangenheit bekannt. Die Kita-Betreiber informierten aufgeregt alle Eltern. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz, der im Bildungsausschuss des Bundestags sitzt und das Projekt sogar mit der Forderung unterstützt hatte, das Angebot auszuweiten, räumt ein, Neitzels Aktivitäten für die Republikaner »nicht auf dem Schirm gehabt« zu haben. Seine Kinder würde er in dessen Kita nicht mehr schicken. Obwohl er das Betreuungskonzept grundsätzlich begrüßt, »werde ich mich nicht mehr für die Ausweitung des Neitzel-Angebots verwenden«, sagte er der Jungle World.

Auch die Spandauer Jugendstadträtin Ursula Meys (SPD) wusste nichts von den Aktivitäten der Neitzels, als ihre Behörde den Neitzels im vorigen Jahr eine Erlaubnis zur Tagespflege erteilte. »Die Parteizugehörigkeit wird bei uns nicht überprüft«, sagt Meys. »Wir befragen aber jeden Bewerber für eine Tagespflege, ob er auch Kinder von Migranten aufnehmen würde, das hat Herr Neitzel bejaht.«

Zwei der sieben betreuten Kinder im »Wichtelclub« haben Eltern mit Migrationshintergrund:aus der Türkei und Ghana. Erol Özdemir erschrak, als er erfuhr, dass Neitzel ein führender Repu­blikaner war. »Aber objektiv betrachtet gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass unsere Tochter gut behandelt wird und er Ausländer mag«, sagt Özdemir. Auch Nadine Krause, deren Sohn Justin in den »Wichtelclub« geht, versteht die Aufregung nicht. Ihr Sohn fühle sich gut aufgehoben und sei in seiner Entwicklung schon weiter als andere Kinder. »Und keine andere Kita hat schon um halb sechs geöffnet«, sagt sie. »Ich könn­te ohne die Neitzels gar nicht als Bäckereiverkäuferin arbeiten.« Die Parteizugehörigkeit der Kita-Gründer sei eine »Jugendsünde«.

So sieht es auch Olaf Neitzel selbst. Seine Zeit bei den Republikanern sei eine Privatangelegenheit, sagte er Vertrauten. Beate Neitzel sagte der Jungle World, ihr Mann sei am Wahltag aus der Partei ausgetreten. »Er hatte nie die Absicht, für die Partei ein Amt anzutreten, er hat erkannt, dass die Mitgliedschaft ein Fehler war.«

Nachdem die Vergangenheit der Neitzels publik geworden war, tauchten Demonstranten vor ihrem Haus auf. Die Neitzels riefen die Polizei. »Wir haben Angst, dass sie uns die Kita auseinan­dernehmen. Dabei haben wir immer fernab von jeder Rassenfeindlichkeit gehandelt«, sagt Beate Neitzel.

Den Wandel nimmt ihnen Neitzels damaliger Gegenkandidat für den Bundestag und Vorsitzender der FDP Spandau-Nord, Karl-Heinz Bannasch, nicht ab. »Der Mann war damals schon über 30, irgendwann hören Jugendsünden auch auf«, sagt er. Neitzel distanziere sich erst jetzt, da er mit dem Rücken zur Wand stehe. »Kann jemand, der in einer Partei so führend war, sein Gedankengut überhaupt ablegen?« fragt sich Ban­nasch. Überdies scheint Neitzels Parteiaustritt nicht ganz freiwillig gewesen zu sein. Er sei nur einem Ausschluss zuvorgekommen, sagt die Vize­vorsitzende der Republikaner, Ursula Winkelsett. »Neitzel hatte unautorisiert Inhalte ins Netz gestellt und der Partei damit geschadet.«