Schlechtes Karma für Than Shwe

Das Militärregime Myanmars hat die Bewegung der Mönche und Demokratie-­Aktivisten vorerst niedergeschlagen. Mehr als die »internationale Gemeinschaft« muss Diktator Than Shwe nun unzufriedene Offiziere fürchten. von jörn schulz

Von ihrem Staatschef bekommt die Bevölkerung Myanmars nur selten etwas zu sehen. General Than Shwe tritt meist nur am Tag der Streitkräfte öffentlich auf, seine in Radio und Fernsehen übertragenen Reden lässt er verlesen. Einen raren Einblick in das Privatleben des 74jährigen Militärdiktators konnte die kleine Minderheit von einem Prozent der Bevölkerung, die Zugang zum Intenet hat, im vergangenen Jahr nehmen. Ein zehnminütiger Videoclip zeigte die luxuriöse Hochzeit seiner Tochter in Yangon, eine Indiskretion aus dem inneren Kreis der Mächtigen, wo offenbar nicht alle mit Than Shwes Politik einverstanden sind.

Auch der UN-Sondergesandte Ibrahim Gambari, der am Wochenende in Myanmar eintraf, hofft wohl darauf, dass gemäßigtere Offiziere den Hardliner zu einem kompromissbereiteren Kurs zwingen können. Immerhin wurde Gambari gestattet, Aung San Suu Kyi zu treffen, die wichtigste Repräsentantin der Demokratiebewegung. Die von ihr geführte National League for Democracy hatte die Wahlen im Jahr 1990 gewonnen, doch die Militärjunta annullierte das Ergebnis. In den folgenden Fraktionskämpfen setzte Than Shwe sich durch, seit 1992 führt er das Regime. Er ist Oberkommandierender des Militärs und Vorsitzender des State Peace and Development Council, des höchsten Gremiums der Junta.

Anfangs galt Than Shwe als gemäßigt, im Laufe der neunziger Jahre wurde er jedoch zum Repräsentanten der Offiziere, die an der Alleinherrschaft des Militärs festhalten wollen. Unter seiner Führung betreibt das Regime eine Politik, die die schlechten Seiten von Stalinismus und Kapitalismus mischt, ähnlich der chinesischen KP, nur mit deutlich geringerem Geschick. Das seit 1962 regierende Militär hatte ursprünglich den »birmanischen Weg zum Sozialismus« propagiert, Banken, Handel und Industrie wurden verstaatlicht. In den neunziger Jahren begannen die Privatisierungspolitik und die Öffnung für ausländische Investitionen, das Militär bestand jedoch weiterhin darauf, die Kontrolle zu wahren.

Ausländische Investitionen gab es vornehmlich im Rohstoffsektor, die meisten Exportprodukte sind wenig profitabel, während die Kosten für Energie-Importe immens stiegen. Das Regime bemühte sich, die Infrastruktur zu verbessern, setzte dafür jedoch in großem Maßstab Zwangsarbeiter ein, sodass um ihr Image besorgte westliche Investoren sich zurückzogen. Die Korruption ist immens, und das Regime leistet sich teure Prestigeprojekte wie die Verlegung der Hauptstadt von Yangon nach Naypyidaw und eine Berufsarmee mit 400 000 Soldaten. Allein aus China wurden Waffen im Wert von mindestens 500 Millionen Dollar importiert.

Auf die wirtschaftliche Krise reagierte das Regime mit einer Erhöhung der Geldmenge, die Inflation betrug im vergangenen Jahr 21 Prozent. Als Mitte August dann die Subventionen gekürzt wurden und der Preis für Diesel um 100 Prozent, der Preis für das zum Kochen verwendete Gas sogar um 500 Prozent stieg, begannen die Proteste. Kleinere Kundegebungen der Demokratiebewegung konnten schnell niedergeschlagen werden, größere Probleme gab es mit den buddhistischen Mönchen.

Auch ihr Protest hat ökonomische Gründe. Die Mönche leben von Spenden der Bevölkerung, die jedoch wachsende Probleme hat, sich selbst zu versorgen. Einem Bericht der WHO vom vergangenen Jahr zufolge sind 35 Prozent der Kinder mangelernährt. Die Klöster sind Bildungsinstitutionen und soziale Einrichtungen. Wer anderswo kein Auskommen findet, hat hier eine Alternative. Das Ansehen der Mönche ist hoch, wenn sie Almosen sammeln, gilt das nicht als unehrenhafte Bettelei. Sie können auch auf eine politische Widerstandstradition zurückblicken, viele Aktivisten des Kampfes gegen den britischen Kolonialismus waren Mönche. Auch am Aufstand gegen das Militärregime im Jahr 1988 waren sie beteiligt.

Es gibt jedoch auch regimetreue Mönche, vor allem in den höheren Rängen der Hierarchie. In den staatlichen Medien werden ständig Offiziere präsentiert, die Klöster besuchen, um Geld und Geschenke zu überreichen. »New Light of Myanmar«, eine Webseite des Regimes, berichtete noch Ende September ungerührt über buddhistische Feierlichkeiten zum Mondfest und behauptete, dass »nur einige Mönche« sich an den Protesten beteiligten und diese »Saboteure« die Bevölkerung erpressen würden.

Es ist dem Militär jedoch bislang nicht gelungen, auch nur einen hochrangigen Kleriker zu finden, der bereit gewesen wäre, sich öffentlich von den Demonstrationen zu distanzieren. Offenbar fürchten auch jene, die sich der Aktionsform der »umgedrehten Almosenschale«, der Weigerung, Spenden vom Militär anzunehmen, nicht anschließen, sich durch eine Loyalitätserklärung zu isolieren.

Den Mönchen schlossen sich Ende September Aktivisten der Demokratiebewegung an, die Proteste wurden zur Massenbewegung. Ihren Höhepunkt erreichten sie am Montag der vergangenen Woche, als in Yangon 100 000 Menschen auf die Straße gingen und in mehr als 20 weiteren Städten Demonstrationen stattfanden. Zwei Tage später ließen die Generäle das Feuer eröffnen. Offiziellen Angaben zufolge wurden zehn Menschen getötet, die tatsächliche Zahl der Todesopfer dürfte weit höher liegen.

Es scheint dem Regime gelungen zu sein, die Bewegung vorläufig niederzuschlagen. Aus Kreisen der Opposition wurde zwar berichtet, dass in einigen Fällen Soldaten die Befehle verweigert hätten, doch die militärische Disziplin hielt. Am Wochenende wagten sich nur noch kleine Gruppen von Demonstranten auf die Straße. Die Armee hat zahlreiche Klöster gestürmt und Mönche verhaftet.

Die Junta ist isoliert, doch der Bewegung fehlen die Mittel, um einen regime change zu erzwingen. Auch die Hoffnungen auf die »internationale Gemeinschaft« dürften vergeblich sein. Es mangelt derzeit zwar nicht an Solidaritätsadressen, doch von Sanktionen wird sich die Junta kaum beeindrucken lassen, zumal die wichtigsten Regionalmächte, China und Indien, sich das Geschäft nicht verderben lassen wollen.

Die USA und die EU haben bereits vor 19 Jahren Sanktionen verhängt, die schrittweise verschärft wurden. Die US-Regierung hat Investitionen in Myanmar untersagt, europäische Firmen, unter anderem der französische Ölkonzern Total, sind jedoch im Land vertreten. Größere Auswirkungen haben die Sanktionen nicht, zumal genug andere Staaten bereit sind, mit den Generälen Geschäfte zu machen. Die wichtigsten Wirtschaftspartner sind asiatische Staaten, vor allem China, Thailand und Indien.

Die chinesische Regierung könnte Druck auf die Generäle Myanmars ausüben. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum ein Regime, das mit einer politischen Herausforderung von vergleichbarem Ausmaß im eigenen Land nicht anders umgehen würde und buddhistische Proteste in Tibet nicht ermutigen möchte, das tun sollte. Neben wirtschaftlichen Interessen steht auch der politische Einfluss auf dem Spiel, denn China konkurriert mit Indien um die Dominanz in der Region. Das demokratische Indien zeigt ebensowenig Bereitschaft, sich zu engagieren. Die Regierung begnügte sich damit, ihre »Sorge« zu äußern, und der Armeechef Deepak Kapoor erklärte, die Niederschlagung der Proteste sei »eine innere Angelegenheit« Myanmars.

Die derzeit realistischste Chance auf einen Wandel ist daher eine Spaltung innerhalb des Regimes. Than Shwe wird vorgeworfen, er habe zuviel Macht und Reichtum an sich gezogen und die Verteilung von Pfründen an seine Offizierkollegen vernachlässigt. Seine Wirtschaftspolitik ist desaströs, er hat die Folgen der Subventionkürzungen nicht vorausgesehen, sich von den Protesten überraschen lassen, erst gezögert und dann mit einer Härte reagiert, die das Militär diskreditiert. Dass Gewaltanwendung gegen Mönche schlechtes Karma einbringt, mag den anderen Generälen gleichgültig sein, doch dass Than Shwe langfristig ihre Macht gefährdet, könnte sie dazu bringen, sich gegen ihn zu wenden.