Besuch im dunklen Hinterhof

In der vorigen Woche besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel drei Länder auf dem afrikanischen Kontinent: Äthiopien, Südafrika und Liberia. Auf ihrer Reise demonstrierte sie, was Deutschland und die EU von Afrika erwarten. Von Martina Backes

Man müsse Afrikas Chancen sehen: als Energielieferant, als Absatzmarkt der Zukunft, als Produktionsstandort für deutsche Unternehmen, hatte Angela Merkel vor ihrem Abflug gesagt. Dann aber schien es so, als stehe der wirtschaft­liche Nutzen nicht unbedingt im Zentrum der Rei­se. Zumindest bot die 21köpfige Wirtschafts­delegation, die Merkel begleitete, kein nennenswertes Gewicht im Vergleich zum Konkurrenten China. Staatspräsident Hu Jintao hatte auf seiner dritten Afrika-Reise vor kurzem gleich acht Länder besucht und auf dem afrikanisch-chinesischen Gipfel in Peking Anfang des Jahres über 1 700 Delegierte beider Kontinente zu­sam­men­­gebracht.

Aber von China will sich die Kanzlerin, die sich für den im Dezember in Lissabon stattfindenden europäisch-afrikanischen Gipfel als amtierende Präsidentin der G8 mitverantwortlich zeigt, deut­lich abgrenzen. Sie sucht »echte Partnerschaften«. Um selbst als verlässliche Partnerin zu wirken, wird es für die EU jedoch höchste Zeit, Afrika zu zeigen, dass die von der G8 im schottischen Gleneagles im Jahr 2005 gemachten und in Hei­li­gendamm bekräftigten Versprechungen nicht ver­gessen sind. Bis zum Jahre 2010 sollen 0,56 Prozent und bis 2015 die – bereits vor 36 Jahren versprochenen – 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes aller europäischer Staaten in die Entwicklungshilfe fließen. Von den drei Milliarden Euro, die Deutschland im Zuge dessen zusätzlich investieren will, soll ein großer Teil dem afri­kanischen Kontinent zukommen. Doch wie das Gan­ze unter den 53 Ländern verteilen? Die Reise bot sich dazu an, die Konditionen für die Ver­gabe der versprochenen Hilfe symbolisch fest­zulegen.

Bei den »echten Partnerschaften« denkt Merkel an Staaten, die es mit der »Demokratie ernst nehmen«. Entsprechend konsequent wurden die Länder, die die Kanzlerin empfingen, nach dem Kriterium der Reformbereitschaft ausgewählt. Merkels erster Halt, Addis Abeba, ist Hauptsitz der Afrikanischen Union; Äthiopien spielt für die Sta­bilität am Horn von Afrika und in dem Kon­flikt um Darfur eine zentrale Rolle. Wie schon Horst Köhler bei seinem Besuch in Äthiopien im Dezem­ber 2004 betonte auch Merkel, dass die Afrika­nische Union der entscheidende Ansatz für politische Lösungen auf dem Kontinent sei. Gefragt ist also Eigenengagement, bevor Europa die versprochene Unterstützung gewährt.

Freie Meinungsäußerung und demokratische Strukturen gehören aber nicht gerade zur Stärke Äthiopiens. Staatschef Meles Zenawi wurde noch im Februar 2006 als der Diktator des Monats gehandelt. Und im Jahre 2005 war Äthiopien das Land, in dem die meisten Journalisten in Gefängnissen einsaßen. Doch braucht eine einfluss­reiche Politikerin auf einer solchen Reise nicht zumindest einen Kandidaten, den sie an die Einhaltung menschenrechtlicher Standards erinnern darf? Das unterstreicht nur die eigentliche Mission der Reise, die Merkel offensichtlich in einer moralischen Stärkung der reformwilligen Staaten sieht, die eigenverantwortlich für Stabi­lität und Rechtssicherheit Sorge tragen.

Zu Merkels Wegbereitern zählt Gerhard Schröder. Er hatte vor drei Jahren mit Äthiopien ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet, das Unternehmen Rechtssicherheit bietet. Ein Programmpunkt der Kanzlerin war folgerichtig die Eröffnung der ersten Commerzbank in Addis Abe­ba, die darauf spezialisiert ist, insbesondere Mittel­ständlern die nötigen Finanzdienstleistungen anzubieten und nebenbei Marktforschung betreibt.

Überhaupt nimmt Merkel die Vorarbeit ihrer Vorgänger ernst. Die von Bundespräsident Horst Köhler Ende 2005 ins Leben gerufene Initiative »Partnerschaft mit Afrika« will »mit reformorien­tierten afrikanischen Staats- und Regierungschefs sowie unabhängigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über das Verhältnis zwischen den Ländern Afrikas und den Industriestaaten diskutieren«. Was nach partnerschaftlicher Rhetorik klingen soll, legt letztlich den gesteckten Rahmen für wirtschaftliche Investitionen fest: gute Regierungsführung, Korruptionsbekämpfung und auch Rechtssicherheit sind die zentralen Bedingung der »Afrika-Poli­tik auf gleicher Augenhöhe«.

Beim zweiten Stopp, in Südafrika, wo derzeit 600 deutsche Unternehmen mit rund 72 000 Arbeitern tätig sind, ging es Merkel auch darum, die für Afrika vorbildliche »marktoffene« Politik des Landes zu würdigen. Auch das geschah symbolisch, indem sich die Kanzlerin bei einem Besuch des Soccer-City-Fußballstadions, an dessen Bau ein Stuttgarter Ingenieurbüro beteiligt ist, mit süd­afrikanischen Bauarbeitern ablichten ließ. Und sie gab sich davon überzeugt, dass Südafrika die Fußballweltmeisterschaft 2010 für einen wirtschaftlichen Aufschwung nutzen werde.

Das diesjährige 9. Deutsche Weltbankforum hatte im Mai in Berlin bereits prophezeit, dass sich Afrika in einer Phase des Aufschwungs befinde. Unter dem Motto »Africa on the Rise« überzeugte dort Jürgen Schrempp, Vorsitzender der Initiative der Deutschen Wirtschaft im Süd­lichen Afrika (Safri) und ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Daimler-Chrysler, die geladenen Gäste von den unternehmerischen Poten­zialen der Region. Nun empfing er die 21köpfige Wirtschaftsdelegation von Merkel in Südafrika persönlich.

Details über die Gespräche der Privatwirtschaft sind kaum Thema der Medienberichte, die Merkels Engagement doch lieber im Waisenhaus von Kapstadt und im Kinderheim von Addis Abeba verfolgen. Merkel kümmert sich um den Krisenkontinent eben auf ihre Weise. Am liebsten, indem sie sich mit Symbolen der Gewaltlosigkeit zeigt: in Äthiopien in einem Heim für Mädchen, die Opfer von Gewalt sind, und in Südafrika mit dem ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela. So lobt sie die »Guten« und honoriert die »Fleißigen« mit Hilfszusagen.

Die letzte Station war Liberia. Das Land steht in gewisser Weise für die deutsche Perspektive auf Afrika im Allgemeinen. Nach 14 Jahren Krieg bemüht sich die Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, ehemals Managerin der Weltbank, die demokra­tischen Strukturen in dem Land zu stabilisieren. Viele Liberianer haben trotz der Anwesenheit von 15 000 Blauhelmen das Gefühl, seit dem Ende der Unruhen und der Entwaffnung interessiere sich keiner mehr für sie. Hier versprach die Kanz­lerin am Sonntag, sich für einen Schuldenerlass einzusetzen. Insofern ist der Besuch der Kanzlerin bei der einzigen Staatspräsidentin Afrikas, deren Sicherheitskräfte mithilfe deutscher Polizeibeamter ausgebildet werden, eine Wahl, die das Motto ihrer Rundreise unterstreicht: Wer in Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung gut abschneidet, kann auf eine Belohnung hoffen.