Im Geheimbund mit dem Teufel

Der Templerorden steht im Mittelpunkt zahlreicher Verschwörungsideologien, die eine gefährliche Verbindung mit dem Anti­semitismus und der Freimauerfeindschaft eingegangen sind. von wolfgang wippermann

Tempelhof ist ein verschlafener Berliner Bezirk. Doch dies scheint nur so. Tatsächlich ist oder sollte Tempelhof die »Nordhauptstadt« des »Neuen Babylon« sein. In diesem »lichten Reich« im »Lande der Mitternacht«, womit Deutschland gemeint ist, sei es zu einem Staat gekommen oder werde es zumindest zu einem solchen kommen, der auf dem »Umsturz des Geld- und Wirtschaftssystems« und einer »Eliminierung der jüdisch-christlichen Kirche« basiere.

Dies kann man nicht etwa in Hitlers »Mein Kampf« lesen, sondern soll in der »Templeroffen­barung« zu finden sein, die von der »Marcioniter­gemeinschaft« innerhalb des Templerordens im Jahr 1236 verfasst worden ist. Jedenfalls wird all dies in der »freien Verschwörungsenzy­klopädie« im Internet behauptet. Alles Blödsinn und ein Fall für den Verschwörungsfreak Mathias Bröckers von der taz? Mitnichten. Wir haben es hier mit einer veritablen Verschwörungsideologie über die Templer zu tun. Warum? Was ist eine Verschwörungsideologie, und warum steht ausgerechnet der Ritterorden der Templer im Mittelpunkt von so vielen von ihnen?

Bei einer Verschwörungsideologie handelt es sich um eine tatsächlich nicht existierende, sondern zu politischen und anderen Zwecken konstruierte Verschwörung. Mit einer derartigen Ver­schwörungsideologie wurde bereits die Auflösung des Templerordens begründet. Seine Mitglie­der hätten sich mit dem Teufel eingelassen und unter einander homosexuelle Handlungen ausgeübt. Letztgenanntes sogar reitend auf einem Pferd. Als Beweis für diese schon fast akrobatische sexuelle Praxis galt eine Abbildung von zwei Tempelrittern, die auf einem Pferd ritten, womit vermutlich auf ihr Armutsgelübde angespielt werden sollte.

Eigentlicher Grund für die Verfolgung der Temp­ler waren aber nicht ihre (angeblichen!) sexuellen Vorlieben und Beziehungen zum Teufel, sondern ihr sagenhafter Reichtum. Dies rief den Neid und die Begehrlichkeit der staatlichen Gewalten hervor. Allen voran der französische König Philipp IV. »der Schöne«. Er ließ die Führung des Templerordens 1307 verhaften und durch Folter zwingen, die erwähnte Homosexuellen- und Teufelsverschwörung einzugestehen. Sie hielt dann auch der Papst für wahr, weshalb er den gesamten Templerorden fünf Jahre später auflöste.

Ein ähnliches Schicksal drohte auch den anderen, ebenso reichen Ritterorden. Sie konnten es jedoch abwenden. Der Deutsche Orden im damaligen Preußen erließ sofort ein strenges Reitverbot für zwei Ritter auf einem Pferd. Außerdem sorgte er für alternative Beschäftigungsmöglichkeiten: Überfälle auf die benachbarten Litauer. Mit der Reformation war es jedoch mit der Herrlichkeit der Ritterorden weitgehend vorbei. Der preußische Ordensstaat wurde in ein polnisches Lehnsherzogtum umgewandelt, und die anderen Ritterorden wurden von den Aufklärern als Beweis für das notorisch finstere und dunkle Mittelalter angesehen. Romantiker und andere Antiaufklärer fanden sie aber gerade deshalb gut, weshalb sie Organisationen ins Leben riefen, die nach den historischen Templern genannt oder auf ihre Tradition zurückgeführt wurden.

Dies traf auf einige Freimaurerlogen zu, die ­allen Ernstes von sich behaupteten, die Nachfahren der Templer zu sein. Damit zogen sie jedoch gleichzeitig die alten, nur leicht abgewandelten Templerverschwörungsideologien auf sich. Wieder war von widernatürlichen sexuellen Prak­ti­ken, geheimen Teufelsanbetungen und Ver­schwö­­run­gen gegen die Gott gewollte Ordnung die Rede. Und als diese durch die Französische Revolution tatsächlich bedroht war, sollten es die Freimaurer und neu-alten Templer gewesen sein. Doch nicht sie allein, sondern im Bündnis oder unter Anleitung »der Juden«.

Warum ausgerechnet »die Juden«? Weil sie nach Johannes 8,44 »Kinder des Teufels« sind, die sich, wie in der Offenbarung des Johannes 2,9 und 3,9 zu lesen ist, in der »Synagoge des Satans« versammeln, wo sie allerlei Schabernack treiben und Verschwörungen gegen die guten Christen aushecken. Dies wurde in den mittelalterlichen Ritualmordlegenden und den modernen »Protokollen« über eine Verschwörung der »Weisen von Zion« phantasievoll ausgemalt – und bis heute geglaubt.

Zur Verbindung von Antisemitismus und Antimasonismus (Freimaurerfeindschaft) haben jedoch auch einige Geheimgesellschaften beigetragen, die sich ebenfalls als Nachfahren der Temp­ler empfanden oder sich auch nach ihnen benannten. Die Reihe ist lang und wird immer länger. Zu erwähnen ist einmal der 1900 gegründete »Ordo Novi Templi« (Orden des Neuen Tempels) des entlaufenen Zisterziensermönches Lanz, der sich Lanz von Liebenfels nannte und von seinen »Brüdern«, »Jüngern« und sonstigen finanziellen Gönnern viel Geld eintrieb, mit dem er sich eine Burg – Werfenstein an der Donau – kaufte und eine Zeitschrift zulegte, die Ostara hieß. Hier verbreitete Lanz seine »Rassenurreligion« über die guten »Blonden«, die von minderwertigen »Äfflingen« bedrängt würden. Diese antisemitische Verschwörungsideologie wurde mit Anleihen an die Grals- und Templerlegende angereichert. Insgesamt ein abstruses und ungenießbares Gebräu, das aber dennoch oder deshalb einigen gefiel. Einer war Adolf Hitler, der nachweislich die Os­tara-Schundhefte gelesen und nach der Meinung des Historikers Wilfried Daim von Lanz sogar die meisten seiner »Ideen« erhalten haben soll. Das jedoch ist umstritten.

Nachweisbar ist, dass viele der heutigen Anti­semiten, Esoteriker und Satanisten ihre ebenso krausen wie politisch gefährlichen Ideen von Männern und Frauen wie dem deutschen General Erich Ludendorff und seiner Frau Mathilde, dem britischen Satanisten Aleister Crowley und dem esoterischen (und antisemitischen) Erfolgsautor Udo Holey alias Jan van Helsing erhalten haben. In ihren Schriften tauchen immer wieder neben Freimaurern und Illuminaten sowie »bösen Juden« irgendwelche »Templer« auf, die über geheimes Wissen und ebenso geheime Macht verfügen sollen.

Manchmal ist dies harmlos und nicht offen antisemitisch. So in Dan Browns »Illuminati«- Romanen. Hier erscheinen die Templer als Nachfolger der von Jesus mit der biblischen Sünderin Maria Magdalena gezeugten Kinder, die in das Geschlecht der Merowinger eingeheiratet haben sollen. Die Nachfolge der Templer habe wiederum ein geheimer Orden namens »Prieuré de Sion« (Bruderschaft von Zion) angetreten. All dies liest sich ganz gut und verkauft sich noch besser, ist aber nicht so antisemitisch und gefährlich wie viele andere Erzeugnisse der grassierenden Eso­te­rik-Welle.

Insgesamt sind die heute gerade in esoterischen Kreisen grassierenden Ideologien über die Verschwörung der Templer, Illuminaten und anderer Geheimgesellschaften keineswegs harmlos. Vor allem, weil sie eine enge Verbindung mit dem Antimasonismus und dem Antisemitismus eingegangen sind. Doch dies ist bisher un­seren Verfassungsschützern und von ihnen ausgehaltenen Extremismusforschern nicht aufgefallen. Sie verorten die Gefahr an den äußersten Rändern des politischen Spektrums. Tatsächlich befinden sich die gefürchteten »Verfassungsfeinde« aber auch ganz wo anders. Nämlich in der Mitte der Gesellschaft und in ihrem Innern bzw. der »Esoterik« (griechisch für das Innere).

Vom Autor erschien im März das Buch »Agenten des Bösen – Verschwörungstheorien von Luther bis heute«, Bebra Verlag.

Geändert am 1.11.2007