Die Farbe verblasst

Die aus der »orangenen Revolution« hervorgegangene Koalition hat die Wahlen in der Ukraine gewonnen. Die Euphorie ist jedoch längst verflogen. von ute weinmann

Die Farbe Orange hat in der Ukraine ihren einstigen Glanz längst eingebüßt. Wirkliche Hoffnun­gen auf einen politischen Aufbruch verbinden sich kaum mehr mit der farbenfrohen politischen Koalition der als demokratisch bezeichneten Kräfte, die bei den vorgezogenen Parlamentswahlen Ende September eine knappe Mehrheit vor der »Partei der Regionen« erreicht hat.

Der »Block Julia Timoschenko«, abgekürzt BJuT, hat mit über 30 Prozent der Wählerstimmen im Gegensatz zu 22 Prozent bei den vergangenen Wah­len im Frühjahr 2006 seine Position deutlich verbessert. Gemeinsam mit der Hauspartei des ukrainischen Präsidenten Viktor Jusch­tschen­ko, die als Wahlbündnis unter dem Namen »Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes« angetre­ten war, besetzt die orangene Koalition im ukrainischen Parlament, der Rada, insgesamt 228 von 450 Sitzen, gegenüber 175 der »Partei der Regionen«. Damit kann das Bündnis zweifellos seinen Anspruch auf die Regierungs­bildung geltend machen.

Die Parlamentswahlen haben indes zwar eine Sie­gerin hervorgebracht, aber ob die Wahlergebnisse eine Beendigung der politischen Dauer­krise her­beiführen können, bleibt fraglich. Die Koalitionsverhandlungen ziehen sich in die Länge. Der BJuT ist bemüht, seine Überlegenheit von Anfang an in entscheidenden Fragen der Machtaufteilung zu ma­nifestieren, und fordert mehr Gouverneurspos­ten in den Regionen. Unklarheiten bestehen zwischen den designierten Koalitionspartnern eben­falls hinsichtlich der gesetzlichen Regelung der Arbeit des Ministerkabinetts und der Kontrolle des Innenministe­riums.

Optimistische Prognosen gehen trotz der Hetero­genität des orangenen Bündnisses und der erheblichen Differenzen beispielsweise in der Wirtschaftspolitik davon aus, dass die neue Koalition zumindest weitaus bessere Voraussetzungen mit­bringt, die von Skandalen geprägte ukrainische Politik in konstruktivere Bahnen zu lenken. Die »Partei der Regionen« scheint sich gegenwärtig mit ihrer Oppositionsrolle abzufinden, und Präsident Juschtschenko unterstrich bereits die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit der Opposition. Lediglich die Sozialistische Partei der Ukraine forderte eine Annullierung der Wahlergebnisse, dürfte mit dieser Initiative allerdings kaum Aussicht auf Erfolg haben.

Doch die Stabilisierung der Parteipositionen sagt nicht unbedingt etwas über die Fähigkeit der Parteien aus, langfristig als wirtschaftliche und politische Interessenvertretung eines Großteils der Bevölkerung zu agieren. Die Wahlergebnisse lassen sich vielmehr als Ausdruck regionaler Konkurrenzen interpretieren. Der BJuT dominiert den Westen der Ukraine und die Regionen im Zentrum einschließlich der Hauptstadt Kiew, während die »Partei der Regionen« des ehemaligen Premierministers Viktor Janukowitsch im Süden und Osten die Oberhand behielt.

Die Wahlversprechen der großen Parteien unterschieden sich jedenfalls kaum voneinander. In populistischer Manier gaben sich die Vertreter quer durch alle Bündnisse großzügig und stellten niedrige Preise für Lebensmittel, soziale Geschenke oder gar die Abschaffung der Wehrpflicht in Aussicht.

Bilder von einer auf fruchtbare ukrainische Äcker gegründeten rosigen Zukunft begleiteten bereits den Unabhängigkeitsprozess Anfang der neunziger Jahre. Aber diese Visionen wurden nur für eine kleine Oligarchie Wirklichkeit. Der Rest der Bevölkerung wartet noch heute darauf oder verdient seinen Lebensunterhalt im westlich oder östlich gelegenen Ausland.

Die derzeit bei ukrainischen Politikern zu be­obach­tende Verhandlungsbereitschaft und das taktische Gebaren mag noch so oft als Vorbote für den Einzug demokratischer Grundwerte gewertet werden. Es ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass die Frage der Rollenverteilung im­mer darauf zielte, sich eine weitgehende Verfügungsgewalt über die lukrativen Posten im Staats­gefüge zu sichern.