Rechts am Rand der CDU

Enttäuschte Christdemokraten machen durch rechtsextreme Ausfälle von sich ­reden, auch im Westen Deutschlands. Dafür gibt es mitunter Lob von der NPD. Von Moritz Schröder

Als Axel Oehm am 3. Oktober auf dem Podium stand, wollte er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern die Augen öffnen. Warnen wollte er sie vor den »Wortpolizisten« und »Gut-Menschen« in Deutschland. Vor den »Nationalmasochisten«, de­nen es Spaß und Befriedigung bereite, »das ei­gene Volk ohne Grund in den Dreck zu ziehen«. Und er rief sie auf, sich gegen diejenigen zu wehren, »die den Kampf gegen Rechts dazu missbrau­chen, wertkonservative Kräfte mundtot zu machen«. Etwa »mutige deutsche Kirchenführer wie Kardinal Meisner« und Personen wie die umstrittene Autorin Eva Herman.

Der Urheber dieser nationalistischen Anklage ist Vorsitzender der CDU in Meinerzhagen, einer Kleinstadt im westfälischen Sauerland, tief im Wes­ten Deutschlands. Oehm hat vielen seiner Parteikollegen aus der Seele gesprochen. Rechts-kon­servative Ergüsse gehören für viele Christdemokraten zum sprachlichen Repertoire, was zahlreiche Beispiele in den vergangenen Monaten belegen. Dass extrem rechte Politiker solche Äußerungen wohlwollend zur Kenntnis nehmen, zeigt eine Reaktion auf Oehm. »Ich stimme der Rede in weiten Teilen zu. Hier wurden überwiegend ganz normale, sprich NPD-Thesen angesprochen«, lobte Timo Pradel, der NPD-Vorsitzende im Märkischen Kreis, zu dem das SPD-­regierte Meinerzhagen gehört, die Ausführungen Oehms in einem Online-Kommentar.

Was Oehm, von Beruf Polizist, von diesem rechts­extremen Lob hält, ist nicht zu erfahren. Er verweigert jede Stellungnahme, wie auch seine Mei­nerzhagener Parteikollegen. In seiner Rede hat er zwar rechtsextreme Gewalt als Problem anerkannt, allerdings hinterhergeschoben, dass bei der Bekämpfung derselbigen mittlerweile »ganz gewaltig« überzogen werde. Außerdem lägen die Zahlen der Gewalttaten von Ausländern sehr viel höher als die der Gewalttaten von rechts.

Offenbar wurde Oehm durch die mediale Berichterstattung der vergangenen Monate aus der Reserve gelockt. Etwa durch die Verurteilung der rassistischen Angriffe von Mügeln in den Medien, die selbst vom sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) als »Hetzjagd auf Mügeln und die Mügelner« umgedeutet wurden.

Oehm hat dazu ebenfalls seine eigene Interpre­tation. Gotthard Deuse, der Bürgermeister von Mügeln, habe sich, entgegen der Darstellung in den Medien, »mutig vor seine Bürger« gestellt. Dabei hatten sich im August mehrere Dutzend dieser Bürger an einer rassistisch motivierten Hetzjagd beteiligt, rechtsextreme Parolen gerufen oder zumindest tatenlos dabei zugeschaut. Acht Männer indischer Herkunft mussten vor dem Mob flüchten und trugen Verletzungen davon. Deuse, der Mitglied der FDP ist, wollte später von Rechtsextremisten in seiner Stadt nichts wissen. Parolen wie »Ausländer raus« könnten jedem mal über die Lippen kommen, zitierte ihn die Financial Times Deutschland.

Handelt es sich bei Oehms Statement bloß um die »Entgleisung eines einzelnen CDU-Politikers«, wie Rainer Schmidt, der SPD-Vorsitzende von Meinerzhagen, vermutet? Viele Beobachter zweifeln daran. Nicht nur, dass sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel im Jahr 2003 für den Rauswurf des früheren, extrem rechten CDU-Politikers Martin Hohmann aus der Unions-Frak­tion eingesetzt hatte, stieß so manches Parteimitglied vor den Kopf. »Manchen Mitgliedern ist ihre Partei unter Angela Merkel zu lasch geworden«, sagt der Politikwissenschaftler und Demokratieforscher Wolfgang Gessenharter.

Doch die Enttäuschung über eine zu liberale CDU in der Großen Koalition ist nur der Ausgangspunkt. Längst gibt es zahlreiche Orte, an denen sich Angehörige von CDU und NPD un­behelligt treffen können, etwa rechte Think Tanks, wie die Redakteure des Antifaschistischen Infoblatts (AIB) warnen. Als eine Schnittstelle zur extremen Rech­ten und der CDU gelten etwa die »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft Hamburg« oder das »Studienzentrum Weikersheim« (SZW). Im Zusammenhang mit dem Skandal um Günther Oettinger (CDU), den Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hatte unter anderem der Zentralrat der Juden im April die Schließung des Zentrums gefordert, in dem Oettinger selbst Mitglied war. Unter öffentlichem Druck musste dieser sich zuerst von seinen verharmlosenden Aussagen über die NS-Karriere seines Vorgängers Hans Filbinger distanzieren, später seine Mitgliedschaft im Studienzentrum beenden.

Neben den Think Tanks gibt es Burschenschaften wie die Münchner »Danubia«, die in Verdacht stehen, rechtsextreme Ideologien zu stärken. Auch die Zeitung Junge Freiheit bildet Gessenharter zufolge einen ideologischen Knotenpunkt.

So entsteht eine Grauzone, in der sich die Parteimitglieder mitunter recht ungehemmt und un­gestört äußern können. Aussagen wie von Tors­ten Hippe, des Bezirksverordneten im Berliner CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf, wirken daher wenig verwunderlich. Er machte im Fe­bruar 2005 auf einer Bezirksversammlung von sich reden. Nach einem Streit um den Redetext für eine Gedenkveranstaltung am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, sagte Hippe: »Ich kann nicht verhindern, dass ich in einzelnen Fragen den Positionen der NPD nahe stehe. Es ist möglich, dass man in Teilfragen zu gleichen Teillösungen kommt.« Wichtig sei, dass seine Ansichten auf einem anderen Fundament stünden als die der NPD.

Wie das Antifaschistische Infoblatt neben anderen Zeitungen im Frühjahr 2005 berichtete, war der Hintergrund von Hippes Äußerungen ein von der christdemokratisch-liberalen Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung beschlos­sener Antrag. Zum Gedenken an den 8. Mai 1945 sollte demnach nicht nur der Niederschlagung der Nationalsozialisten gedacht, sondern auch an »den Schrecken und das Leid der Bevölkerung, den die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten hat«, erinnert werden.

Meistens seien es ältere CDU-Mitglieder, die durch rechtsextremes Gedankengut auffallen, meint Gessenharter: »In der Jungen Union übernehmen höchstens Hinterbänkler solche Positionen, weil sie sich in der Partei nicht isolieren möchten. Man­che älteren CDU-Politiker haben da weniger Berührungsängste.« Trotzdem gibt es auch bei jungen Mitgliedern Beispiele für Ausflüge nach rechtsaußen.

Ein Fall aus Bochum: Anfang September wurde eine Internetseite mit dem bezeichnenden Namen »Bochum-gegen-Links« bekannt, die von dem CDU-Stadtrat Dirk Schmidt betrieben und vom Schatzmeister der Bochumer Jungen Union, Hendrik Schäfer, administriert wurde. Inzwischen ist sie wieder offline. Der Grund: Enthalten waren Links auf einschlägige Seiten, darunter nicht nur zur Jungen Freiheit, sondern auch etwa zur Seite »Freiheit–Wattenscheid«, einer Quartalszeitung »für Heimat, Volk und Brauch«. Schon die Titel der dort angebotenen Texte vermitteln einen Eindruck von der Gesinnung der Autorinnen und Autoren, darunter etwa: »Ausländer-Überfrem­dung in der Bundesliga«.

Auf »Bochum-gegen-Links« gab es allerlei anti-linke Agitation, es war die Rede von einem »linken Meinungskartell« und der »Antifa-Republik Deutschland«. Auch mit rassistischen Vorurteilen wurde nicht gespart. Unter dem Pseudonym »A. Strasser« behauptete ein Autor, es könne kein Zweifel daran bestehen, »dass türkische Kinder und Jugendliche an ihrem mangelnden Lernwillen bzw. der fehlenden Integrationsbereitschaft ihrer Eltern« in der Schule scheiterten.

Der für die Inhalte der Seite zuständige Hendrik Schäfer wurde mittlerweile von der Jungen Union abgemahnt. Auch die Bochumer CDU sah sich genötigt, sich explizit von den Inhalten zu distanzieren. Die Rechtsaußen in der Partei dürfte das in ihrer Ansicht bestätigen.