Ab in die Wüste

In der rumänischen Debatte um die Ausweisungen aus Italien geht es vor allem darum, die Roma zu diskreditieren. von roland ibold

In Rumänien hat die Aggression gegen die Lands­­leute in Italien, Empörung, aber auch Angst um Angehörige und Freunde ausgelöst. Seit 1990 entwickelte sich Italien zum ersten Migra­tions­ziel legaler sowie illegaler Arbeiter aus Rumänien. Das Einkommen der Familienangehörigen in Italien bildete lange Zeit die Grundlage für das Auskommen der Daheimgebliebenen und wurde meist zur direkten Investition in den Herkunftsgemeinden genutzt.

Während nun der rumänische Ministerpräsident Calin Popescu Tariceanu vor neuer Ausländerfeindlichkeit in Italien warnte, erklärte Staatspräsident Traian Basescu: »Ich versichere alle Rumänen, die ehrlich in Italien arbeiten, meiner Solidarität.« Die Betonung der »ehrlichen Arbeit« ist bedeutsam, denn diese erscheint rumänischen Politikern und Medien als Garant für die positive Reputation der rumänischen Migranten. Nicolae Romulus Mailat, der für den tödlichen Überfall auf die Italienerin Giovanna Reggiani verantwortlich gemacht wird, gilt weder als hart arbeitender noch als »richtiger« Rumäne: Romulus Mailat ist ein Rom.

Um eine offen rassistische Unterscheidung zu umgehen, gilt hier »ehrliche Arbeit« als Merkmal der Differenzierung. Ein Code, der für viele Rumänen schlüssig ist. Außenminister Adrian Cioroianu ließ am Montag voriger Woche während seiner Ägypten-Reise verlauten: »Diese Menschen müssten zu schwerster Arbeit gezwungen werden« und schlug vor, ein Stück ägyptischer Wüste zum Zwecke der Internierung zu kaufen. Mittlerweile nahm er den Vorschlag zurück, während sein Parteifreund und Ministerpräsident Tariceanu dazu aufforderte, durch Bildung den jugendlichen Roma eine bessere Chance zur Integration zu bieten. Gleichzeitig erhielt Staatspräsident Basescu viel positive Resonanz, als er behauptete, das »Roma-Problem« sei europaweit anzutreffen, und erklärte, es sei nicht zu leugnen, dass die Roma für den schlechten Ruf der rumänischen Nation verantwortlich seien.

Schnell war auf diese Weise die den Rumänen zur Last gelegte kollektive Schuld an ein anderes Kollektiv weitergereicht worden. Und der selbsternannte populäre »König der Zigeuner« Florin Cioaba meinte seinerseits, Romulus Mailat sei kein Rom, sondern nur »Mischling«.

Ein Bündnis aus NGO verurteilte die Untätigkeit der nationalen Medienbehörde angesichts des »Antiziganismus im Fernsehen und in Zeitungen«. Sichtbar werde dies im Verhalten eines großen Teils der Öffentlichkeit und in den rassistischen Botschaften, die von höchster Stelle aus Italien und Rumänien zu hören seien. Auf direktem oder indirektem Weg werde Kriminalität einer ganzen ethnischen Gruppe zugeordnet.

Auch Adrian Mutu, Fußballstar aus Rumänien und Spieler beim AC Florenz, wandte sich gegen die kollektive Kriminalisierung seiner Landsleute. Er bezog sich damit aber ebenfalls auf die »vielen ehrlich arbeitenden Rumänen«. Anfang November hatten ihn Fans von Lazio Rom bei jedem Ballkontakt als »Zigeuner« beschimpft. Die Lazio-Fans sind bekannt für ihre Nähe zu italienischen Neofaschisten. Die rechtsextreme italienische Partei Forza Nuova, die auf einer Demonstration in Rom die rumänischen Migranten aufforderte, innerhalb von zehn Tagen zu verschwinden, ist innerhalb der Europäischen Nationalen Front zusammen mit der rumänischen Noua Dreapta organisiert.

Die Ultranationalisten aus Rumänien versuchen derzeit, das Bild »ihrer Nation« zu retten. Mit der Kampagne »Romulus Mailat ist kein Rumäne« demonstrieren sie den Unterschied anhand von zwei Fotos: Auf dem einen sieht man eine auf der Straße sitzende Roma-Familie, auf dem anderen eine im Studio arrangierte blonde »echte« rumänische Familie. Das Ganze auf Italienisch. Dies soll wohl die Gemüter der italienischen Kameraden beschwichtigen.