Die Flegeljahre eines Dinosauriers

Nick Mason, der Schlagzeuger von Pink Floyd, erzählt mit charmantem Understatement die Geschichte seiner Band. von uli krug
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Nick Mason ist seit mehr als 40 Jahren Drummer von Sigma 6. Besser bekannt ist die Band unter dem Namen, den sie 1966 angenommen hat: Pink Floyd. In seinem persönlichen Bandporträt erzählt Mason Geschichten aus einer Zeit, zu der sich einige englische Studenten daran machten, die Rockmusik neu zu erfinden, ohne dass sie selbst oder ihre Zeitgenossen das zunächst bemerkt hätten.

Denn die psychedelische Musik war eine unerwartete Reaktion auf die aus heutiger Sicht unfassbare Langeweile, die im England der Nach­kriegszeit herrschte. Die zum Einsatz kommenden Methoden waren dabei zunächst ganz profanen Ursprungs: Weil man in der Beat-Ära noch live zum Tanz aufspielte und niemand über ein Repertoire an Cover-Versionen und Blues-Standards verfügte, das drei Sets von je zwei Stunden abdecken konnte, verfielen Sigma 6 und andere Collegebands darauf, das vorhandene Material durch Soli und Improvisationen möglichst lange zu strecken und obendrein mit Hall, Verzerrung und selbst gebastelten Geräuscherzeugern zu verfremden.

Diese Techniken hatten einen immensen Effekt auf die seltsame Welt in London W 11, also Notting Hill. Mason schildert die Anfänge so: »Neben dem hippen Volk aus dem Viertel kamen Studenten und College-Abbrecher, die stolz darauf waren, ›Freaks‹ zu sein. Anders als ein normales Publikum brachten sie nur wenig an vorgefassten Vorstellungen und Erwartungen mit und befanden sich häufig dank der Einnahme chemischer Substanzen in einem Bewusstseinszustand, der sie Phänomene wie trocknende Farbe nicht nur interessant, sondern unendlich bedeutsam finden ließ. Die Wirkung auf uns war galaktisch. Sie reagierten so begeistert und unkritisch auf die improvisierten Abschnitte in unseren Sets, dass wir sie immer weiter ausdehnten.« Irgendwann ersetzten sie schließlich die konventionellen Songs.

Zur neuartigen Musik, die, wie ein zeitgenössisches Musikmagazin schrieb, »mehr nach Thelonious Monk als den Rolling Stones klingt«, kam schließlich das Bild. Die Vorläufer der monströsen Lightshows, mit denen Pink Floyd seit »Dark Side Of The Moon« (1973) auftraten und die die Band zum Inbegriff des Gigantomanischen¡ schlechthin werden ließen, gehen auf bescheidene Anfänge zurück. Mason erinnert sich an die Diaanlage, mit deren Hilfe die Band ihre Konzerte in Happenings umwandelte: »Da es vor allem nicht viel kosten durfte, deckten sich Andrew und Peter beim Elektroladen um die Ecke mit ein paar handelsüblichen Scheinwerfern, Schaltern, Gels und Reißzwecken ein – vermutlich bekamen sie sogar noch eine Art Heimwerkerrabatt.«

Der schönste Teil des Buchs, in dem Mason eine Menge Kostproben seines trockenen, aber durchaus liebevollen Witzes gibt, erzählt die Geschichte des mühseligen Aufstiegs einer Studentenband, die ihren ersten Plattenvertrag ergattert hatte: Von Gigs vor harten Rockern in Schottland, von Managern und Clubbesitzern aus der Unterwelt von Soho und von Janis Joplins Konsum von Southern Comfort. Pink Floyd spielten in San Francisco als Joplins Vorband. Aber auch die große Tragödie schildert Mason auf eine angenehm unprätentiöse Weise: Die Geschichte des geistigen Verfalls Syd Barretts, der nahezu das ganze Songmaterial für Pink Floyds Debüt »The Piper At The Gates Of Dawn« (1967) geschrieben hatte, doch zur selben Zeit in Acid und Autismus versank. Nichts half, weder Urlaub im Süden noch eine Therapie bei R.D. Laing oder der Versuch, den Gitarristen nur live zu ersetzen. 1969 trat David Gilmour endgültig an seine Stelle, während aus Barrett ein lebendes Gespenst wurde, das sich von 1974 bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr in sein Elternhaus in Cambridge einschloss.

Gegen Ende hin, und es beginnt 1975 mit der letzten erwähnenswerten Veröffentlichung »Wish You Were Here«, die Syd Barretts Schicksal musikalisch verarbeitete, verliert »Inside Out« dann aber etwas an Spannung und Unterhaltungswert. Das liegt nicht am Erzähler, sondern schlicht an der nachlassenden Qualität der Story: Das Musikunternehmen Pink Floyd überlebt den Niedergang der Jugendkultur, die einst die Band hervorbrachte. Masons Understatement und die Berichte aus den Flegeljahren eines späteren Dinosauriers machen das Buch aber in jedem Fall lesenswert.

Nick Mason: Inside Out. Mein persönliches Porträt von Pink Floyd. Rockbuch-Verlag, Schlüchtern 2007, 416 S., 12,80 Euro