Naturliebhaber auf der nordischen Scholle

Ungestört siedelten sich in den vergan­genen Jahren in der Mecklenburgischen Schweiz Anhänger der »Artamanen« an. Manche der sich ökologisch und alter­na­tiv gebenden Siedler verbreiten rechtsex­tremes Gedankengut und pflegen Kon­takte zur NPD. Von Andreas Speit

Huwald Fröhlich gab sich völlig unbedarft. Es gehe nur darum, der »eigene Herr auf eigener Scholle« zu sein. Das sagte der Öko-Baustoffhändler Mitte November auf einer Veranstaltung in der Uwe-Johnson-Bibliothek in Güstrow. Dort referier­te Ste­fan Brauckmann, Doktorand an der Universität Hamburg, kritisch über die Geschichte der »Artamanen«. Auch der Biobauer Helmut Ernst und der Kunstschmied Jan Krauter, Freunde von Fröhlich, waren zugegen. Dieser erklärte, ein Buch über die Bewegung der »Artamanen« von Peter Schmitz zei­ge, dass nichts über Beziehungen der »Artamanen« zur nationalsozialis­tischen Bewegung bekannt sei.

Brauckmann aber hatte das Buch dabei. Ein Blick hinein widerlege die Behauptung. »Sagen Sie uns bitte, ob Sie zu den nationalsozialistischen Tra­ditionen der Artamanen auf Distanz gehen?« fragte Brauckmann Fröhlich. Diese Frage stelle sich für ihn nicht, entgegnete dieser etwas rätsel­haft, denn das sei für ihn kein »politischer Anspruch«.

In der regionalen Öko- und Alternativszene fielen Ernst, Fröhlich und Krauter lange Zeit nicht besonders auf. »Die hielten sich bedeckt«, sagt Ri­chard Scherer, Soziologe und Mitglied im »Freundeskreis ehemaliges jüdisches Gemeindehaus Güs­trow«. Der »Gutshof Klaber«, auf dem Krauter lebt, liegt keine halbe Stunde Autofahrt von der Kleinstadt Güstrow entfernt. Von der Landstraße weist ein Schild den Weg über die »Natursteinstraße« zu dem Hof, auf dem sich auch eine Kunst­schmiede befindet. Die Straße geht in einen Sand­weg über.

Auf dem Trecker sitzend, grüßt Krauter höflich. Drei Jungs spielen vor der Scheune. »Gern zeige ich Ihnen die Schmiede«, meint er und öffnet die Scheune: einen mit Naturmaterialien re­no­vierten Raum, an den sich eine Buchbinderei anschließt. Nachfragen zu den verwendeten Na­tur­­baustoffen beantwortet Krauter gerne. Über seine Verbindungen in der Region möchte der Schmied und frühere Bankkaufmann allerdings weniger verraten.

Ganz ihren Ideen folgend, sind Ernst und Fröhlich in den regionalen Netzwerken von Biobauern und Herstellern von Öko-Produkten vertreten; sie engagieren sich auch im Widerstand gegen den Anbau von Genmais. Im Februar aber erregte Ernst erstmals öffentliches Aufsehen. Als Mitbegründer der Initiative »Gentechnikfreie Region Nebel/Krakow« hatte er zu einer Podiumsdiskussion geladen. Vor dem Termin aber wurde bekannt, dass er Mitglied in der NPD ist. Daraufhin sagten die geladenen Diskussionsteilnehmer ab.

Die Hälfte der Mitglieder der Anti-Gentechnik-Initiative soll zu dieser Zeit mit der NPD sympathisiert haben. Dem einen oder anderen Mitstreiter hatte Ernst möglicherweise auch sein Interview mit der NPD-Zeitung Deutsche Stimme gezeigt, in dem er ganz im Parteijargon meinte, dass durch gentechnisch verändertes Saatgut die »Ernährungssouveränität der Völker schlichtweg gebrochen werden soll; im Sinne der Globalisierer kommt es zur Versklavung der Bauern weltweit.«

Ernst hat sich in Koppelow niedergelassen, rund 20 Fahrtminuten vom Gutshaus von Krauter entfernt. Sein Haus liegt hinter einem Fichtenwald. Das NPD-Mitglied hat diesen Ort und das Backsteinhaus wohl nicht zufällig ausgewählt. Es wurde von den »Artamanen« erbaut. Der Verein »Artamsiedlung Koppelow« erwarb das Gut in den dreißiger Jahren. Brauckmann erläutert den Hintergrund der obskuren Siedlungsbewegung. Sie habe eine agrarromantische »Blut-und-Boden«-Ideologie vertreten. Der »Bund Artam« war im Jahr 1926 gegründet worden, der spätere Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, gehörte ihm an.

Anfangs hätten sich 14 Familien der »Artamanen« in der Gegend angesiedelt, sagt Brauckmann. Auch der damalige Bürgermeister von Koppelow wurde ein Mitglied der Siedlergemeinschaft. Anfang der dreißiger Jahre aber machte der Bund Konkurs. In Mecklenburg-Schwerin nannten sich seine Anhänger um in »Bund der Artamanen – Nationalsozialistischer freiwilliger Arbeitsdienst auf dem Land«. Seine Mitglieder mussten in einer Organisation der NSDAP tätig sein und Werbe­veranstaltungen ausrichten, berichtet Brauckmann.

Noch heute leben Nachfahren der »Artamanen« in der Gegend. »Man redet aber nicht viel über die Vergangenheit«, sagt Scherer. Die »familiären Bin­dungen« hätten oftmals die Auseinandersetzung mit der Geschichte verhindert.

Fröhlich wohnt auf dem Nachbargrundstück von Ernst. Beide stammen aus der so genannten bündischen Jugend, und sie gehörten zu den ersten Siedlern, die sich in den neunziger Jahren hier niederließen. Auf dem weitläufigen Anwesen haben die Fröhlichs die Gebäude selbst gebaut. »Wir sind keine Artamanen«, wehrt die Ehefrau Fröhlichs ab und sagt: »Wir leben einfach so, wie wir es für richtig halten.« Von einem Siedlungsprojekt könne gar nicht gesprochen werden. Vor wenigen Jahren erzählten Fröhlich und Krauter in der extrem rechten Zeitung Junge Freiheit noch etwas anderes: Bewusst seien sie »ausgestiegen«, mit dem Ziel, möglichst viel von dem, was sie zum Leben brauchen, selbst herzustellen. Sogar eine eigene Schule hätten sie gründen wollen. Sie seien auf der Suche nach Mitstreitern gewesen, denn, so sagte Krauter: »Um wirklich etwas bewegen zu können, ist eine bestimmte Masse notwendig.« Sie wollten mit dazu beitragen, »der von 40 Jahren Sozialismus materiell und ideell ausgelaugten Landschaft neue Impulse zu geben«, gibt die Junge Freiheit sie wider. Zehn Interessierte sollen sich damals gemeldet haben.

Scherer sagt, dass sich inzwischen noch mehr Leute angesiedelt hätten. Er weiß aber auch von Aussteigern.

In dem Sammelband »Opposition für Deutschland« führt Fröhlich seine Überlegungen aus. Der Band wurde vom heutigen NPD-Funktionär Andreas Molau herausgegeben. Die Bibel gebe ein »orientalisches Naturerleben« wider, schreibt Fröhlich, »für uns Deutsche« seien aber die »nordischen Überlieferungen eine wichtige Quelle zum Verständnis des Verhältnisses unserer Ahnen zu ihrer Umwelt«. Christentum und Humanismus seien »ihrem Wesen nach widernatürlich«. Was für Fröhlich »natürlich« ist, kann man sich vorstellen.

Geändert am 17.12.2007