Der General soll gehen

Im Osten des Kongo sind seit September 300 000 Menschen vor Kämpfen zwischen der Armee und Truppen des abtrünnigen Generals Nkunda geflohen. Neue Vermittlungsbemühungen sollen den Konflikt beenden. von benjamim kumpf

Major Kichu entschied sich für die Kapitulation. An Dienstag der vergangenen Woche ergab der Offizier der Guerillatruppe Laurent Nkundas sich mit 14 Kämpfern den Soldaten der Monuc, der UN-Truppe, die mit der Demobilisierung der Milizen beauftragt ist. Kichus Gruppe soll nun in die kongolesische Armee integeriert werden. Doch die Entwaffnung kommt nur schleppend voran, und trotz aller diplomatischen Vorstöße ist der Osten des Kongo vom Frieden weit entfernt. Am Sonntag eroberten Nkundas Truppen die Stadt Nyanzale, mehrere tausend Menschen mussten fliehen. Die kongolesische Armee griff daraufhin mit Unterstützung der Monuc Stellungen der Guerilleros an.

Mitte November hatten kongolesische Militärs in Goma ohne ersichtlichen Grund an der Grenzstation zu Ruanda auf eine Menschenmenge geschossen, die auf den Übertritt in den Kongo war­tete, verletzt wurde jedoch niemand. Dieser Zwischenfall erschien angesichts der täglichen Menschenrechtsverletzungen, derer sich alle bewaff­neten Gruppen, wohl mit Ausnahme der Monuc, schuldig machen, als Lappalie. Angesichts des kürzlich ausgehandelten Abkommens zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda stellen solche Vorfälle jedoch die vereinbarte Kooperation in Frage.

Die Außenminister beider Staaten verpflichteten sich am 11. November in Nairobi auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die im Osten des Kon­go aktiven paramilitärischen Verbände. In den ruandischen Medien wurde das Abkommen in erster Linie als Verpflichtung der Regierung des Kongo dargestellt, endlich gegen die Hutu-Milizen vorzugehen. Einige der auflagenstärksten kon­golesischen Tageszeitungen dagegen interpretierten den Kompromiss als Versprechen Ruandas, die logistische Unterstützung für Nkunda endlich einzustellen. Skeptisch äußerten sich Kom­mentatoren in beiden Ländern, meist mit dem Verweis auf die Erfolglosigkeit der diversen Absichtserklärungen seit 2002.

Nach über zwei Monaten schwerer Kämpfe zwischen der regulären kongolesischen Armee und den Truppen des ehemaligen Generals Nkunda hatten Anfang November internationale Bemühungen begonnen, um die Kämpfe zu beenden. Das Treffen der beiden Regierungen in Nairobi kam maßgeblich auf Drängen der USA zustande.

In die Region um den Kivu-See im Osten des Kongo flüchteten nach dem Genozid 1994 in Ruanda mehrere tausend ehemalige Militärs und Schlächter aus den Reihen der Interahamwe-Milizen. In den folgenden Jahren griff die ruandische Armee immer wieder Flüchtlingslager und Stellungen der verbleibenden genocidaires an, dabei wurden auch mehrere hundert Zivilisten getötet. Die Hutu-Milizen wurden immer weiter in die Wälder der Kivu-Region gedrängt. Nach meh­reren Umorganisierungen nennen sich die verbleibenden Kämpfer heute FDLR (Demokratische Kräfte für die Befreiung Ruandas). Die meisten derzeit kämpfenden Paramilitärs waren nicht am Genozid beteiligt, da das Gros der FDLR sich aus sehr jungen Hutus sowie auch aus Kongolesen anderer Bevölkerungsgruppen rekrutiert.

Die Truppen Nkundas bestehen zum Großteil aus kongolesischen Tutsi. Sie sind Diskriminierungen in der Gesellschaft des Kongo ausgesetzt sind und stellen das Ziel der Vernichtungspläne der Hutu-Milizen dar. Nkunda gibt an, die Tutsi zu schützen, doch die Kämpfer des seit dem Jahr 2004 abtrünnigen Generals haben schwere Menschenrechtsverletzungen gegen andere Bevölkerungsgruppen zu verantworten. Seit 2005 scheiterten mehrere Versuche, die Truppe Nkundas in die reguläre Armee zu integrieren. Auch dem kongolesischen Militär werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Häufig plündern die Soldaten, deren ohnehin niedriger Sold oft mona­telang nicht ausgezahlt wird.

Zwischen den Konfliktparteien kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Kämpfen in unterschiedlicher Konstellation. Eine gemeinsame Offensive mit den Truppen Nkundas gegen die Hutu-Milizen brach Präsident Joseph Kabila im Sommer ohne nennenswerte Resultate ab. Nach­dem der abtrünnige General mehrere Ultima­ten ignoriert hatte, seine Truppen in die Armee zu integrieren und weitere Landstriche er­oberte, startete Kabila eine Offensive gegen seine Truppen in inoffizieller Allianz mit der FDLR. Die Regie­rung bestreitet jede Unterstützung der FDLR. Tatsächlich hat Kabila die Hutu-Milizen einige Jahre lang bekämpft, doch 2005 änderte er seine Strategie. Im Oktober veröffentlichte BBC Dokumente, die eine Unterstützung der FDLR durch das kongolesische Militär belegen.

Nkunda hingegen kann auf ruandische Hilfe zäh­len. Die Regierung in Kigali bestreitet dies zwar, allerdings sind etliche Waffenlieferungen und Geld­zahlungen belegt. Zudem rekrutieren Nkundas Soldaten relativ offen in Ruanda, vor allem Minderjährige aus den Flüchtlingslagern der kongolesischen Tutsi.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind in den vergangenen drei Monaten mindestens 300 000 Menschen vor den Kämpfen geflohen und vegetieren nun in Camps, in denen bereits Seuchen ausgebrochen sind. Die Zahl der zivilen Todesopfer ist unbekannt, das Ausmaß der Gewalt illustriert allerdings ein im Oktober veröffentlichter Bericht von Human Rights Watch. Demzufolge waren alle Gruppen an Erschießungen, Plünderungen, Vertreibungen und Verstümmelungen beteiligt. Das Ausmaß sexueller Gewalt an Frauen und Mädchen ist selbst im Vergleich mit anderen Konflikten frappierend. Vergewaltigungen werden systematisch als Bestrafungsaktionen für die vermeintliche Unterstützung des Feindes sowie als »Kennzeichnung« eines neu eroberten Territoriums eingesetzt.

Die US-Regierung versucht nun, mit einer neuen Initiative die Kämpfe zu beenden. Anfang November besuchten Gesandte des Außenministeriums Goma und das Lager Nkundas. Dem ehemaligen General legten die Besucher aus den USA den Gang ins südafrikanische Exil nahe, wäh­rend seine Truppe unter Anleitung von US-Militärs in eine Art »schnelle Eingreiftruppe« umgewandelt werden soll. Sie hätte dann die Aufgabe, gemeinsam mit der kongolesischen Armee die Tutsi zu schützen sowie die Einhaltung der Menschenrechte zu gewährleisten.

Solange aber die Hutu-Milizen nicht entwaffnet werden, ist eine dauerhafte Lösung des Konfliktes nicht möglich. Die Bestrafung der Täter, die zahllose Morde und Vergewaltigungen begangen haben, ist zudem unerlässlich, wenn die Bevölkerung wieder Vertrauen in staatliche Strukturen gewinnen soll. Das jüngste Abkommen zwischen abermals vage.