Begehrte Hartplatzhelden

Der Württembergische Fußballverband klagt gegen ein Online-Video-Portal – die Fußballfunktionäre wollen das alleinige Recht an Amateuraufnahmen. von elke wittich

ahrzehnte lang bestand die beste Chance für Amateurfußballer, die Auf­merk­sam­keit der Medien zu bekommen, darin, bei einem Spiel vom Blitz getroffen zu wer­den. Denn selbst die Sportseiten der Lokalzeitungen räumen den Großteil ihrer Seiten lieber den Proficlubs der Region ein, für die Spiele der Kreisklasse bleibt meist nur eine kurze Ergebnisübersicht. Mit längeren Spielberichten dürfen Amateure nur bei besonderen Gelegenheiten wie brisanten Derbys rechnen. Und ihre auf Video aufgenommenen Fallrück­zie­her­tore und Freistoßtricks erreichen höchstens bei der Vereinsweihnachtsfeier ein größeres Pub­li­kum als die eigene Familie.

Erst das Aufkommen des Internets bot den klei­nen Clubs die Chance, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, zunächst auf eigenen Home­pages. Online-Video-Plattformen wie Youtube machten es später dann möglich, der mehr oder weniger interessierten Welt Spielberichte, Match­szenen, Eigendarstellungen zu präsentieren oder, wie der VfB Oldenburg, mit einem witzigen Film Sponsoren für ein neues Stadion zu gewinnen.

Der Erfolg des Video-Portals Youtube, das vor rund einem Jahr für 1,65 Milliarden Dollar an Google verkauft wurde, rief prompt Nachahmer auf den Plan, die sich vor allem daran ver­suchten, Segmentplattformen zu schaffen.

Davon ausgehend, dass es immer schwerer wird, unter den Millionen täglich eingestellten Filmen hervorzustechen und sein Publikum zu finden, finden sich immer mehr themenbezogene Anbieter.

Für den Amateurfußball wurde www.­hartplatzhelden.de konzipiert, eine Seite, auf der User kostenlos ihre Lieblingsspielszenen einstellen können. Die Betreiber, der Sportjournalist Oliver Fritsch, der Wirtschaftsjournalist Thomas Ramge und der Medienberater Dr. Steffen Wenzel, gingen gleich in die Offensive und schrieben einen Videowettbewerb aus. In sechs Kategorien – schönstes Tor, spektakulärste Torwartparade, mieseste Grätsche, Pechvogel des Jahres, schönster Torjubel und fairste Aktion – wurden die besten Filme gesucht, die das Fußballleben auf den Hartplätzen der Republik widerspiegeln. Mit Miroslav Klose, Günter Jauch, Rafael van der Vaart und weiteren Prominenten gewann man ausgesprochene Stars für die Jury, entsprechend groß war das Medienecho auf den Wettbewerb, dessen Gewinner sich über Kameras, Trikots für den Verein und Saisonkarten für Bundesligaclubs freuen durften. Zudem präsentiert der Kicker mitt­lerweile die schönsten Videos der Hartplatzhelden.

Und so hätte alles gut sein können für Nutzer und Betreiber, wenn die Hartplatzhelden GmbH nicht Ende März eine schriftliche Aufforderung des Württembergischen Fußballverbandes WFV erhalten hätte, Spiele bzw. Spielszenen seiner Mitgliedsvereine nicht länger öffentlich zugäng­lich zu machen.

Dass die Vereine selbst die Videos eingestellt hatten, spielte für den Verband dabei in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Die Hartplatzhelden reagierten auf die Auffor­derung nicht, im Juni folgte eine kostenpflich­ti­ge Abmahnung. Die geforderte Unterlassungserklärung wurde nicht unterschrieben, so dass der WFV nun weitere rechtliche Schritte unternahm.

In der beim Landgericht Stuttgart anhängigen Klage heißt es, die Angeklagten würden »Filmaufnahmen von Veranstaltungen des Klägers ver­wenden und kommerziell nutzen«, der WFV werde dadurch in der Verwertung und Vermark­tung der von ihm ausgerichteten sportlichen Wettkämpfe beeinträchtigt und behindert.

Die Kernaufgabe des Verbandes sei die Ausrichtung, Veranstaltung und Durchführung von Meisterschafts- und anderen Wettbewerben im Bereich des Fußballsports, an jedem Wochenende würden mehr als 5 000 Fußballspiele auf Sportplätzen im Verbandsgebiet ausgetragen. Der Verband erbringe dazu »umfangreiche organisatorische und finanzielle Leistungen« wie die Organisation des gesamten Spielbetriebs, das Erstellen von Spielplänen, die Bereitstellung eines Online-Ergebnisdienstes, die Organisa­tion der Sportgerichtsbarkeit, die Ausbildung von Ordnern und die Ausübung des Hausrechts.

Mit anderen Worten: Ohne die Arbeit des WFV würde es keine Spiele geben und damit eben auch keine Szenen, die dann bei den Hartplatzhelden gezeigt werden könnten.

So weit, so nachvollziehbar, aber bei der Klage des Verbandes geht es darum: »Mit der Klage möchte der WFV eine grundsätzliche Klärung der Frage erreichen, ob kommerziell ausgerichtete Unternehmen Leistungen des Amateurfußballs zum Zwecke der Gewinnerzielung nutzen dürfen, ohne eine Gegenleistung zu erbringen.«

Argumentiert wird mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und nicht, wie es zu erwar­ten gewesen wäre, damit, dass der Verband Haus­recht auf den Plätzen seiner Region hat oder generell über die Bildrechte verfügt.

»Es kann nicht sein, dass ein Landesverband des DFB seinen Mitgliedern verbieten möchte, sich mit Enthusiasmus für den Sport im Internet zu präsentieren«, sagte Thomas Ramge Heise online. Warum sich der WFV ausgerechnet das kleine Hartplatzhelden-Portal für seine Klage ausgesucht hat und nicht zum Beispiel das Unternehmen Youtube, wo schon viel länger Spielszenen württembergischer Vereine online zu bewundern sind, legt den Verdacht nahe, dass man sich bewusst einen Beklagten gesucht hat, der nicht über eine große Rechtsabteilung und genug finanzielle Mittel verfügt, einen Prozess durch alle Instanzen hindurch zu führen. Die Hartplatzhelden geben sich allerdings kämp­ferisch und kündigten bereits an, den Rechtsstreit gegen die Würt­temberger durchziehen zu wollen. Ihr Anwalt gab zu bedenken, dass die vom Kläger angegebenen »wettbewerbsrechtlichen Vorleistungen« in anderen Bereichen auch nicht dazu führten, dass der Berliner Senat als Veranstalter der Silvesterpartys am Brandenburger Tor die Veröffentlichung privater Aufnahmen der Feier verbieten könnte.

Zusätzlich scheint der WFV noch ganz andere Gründe für die Klage zu haben. Wie das Handels­blatt vor anderthalb Wochen berichtete, hatte der Verband bereits vor zwei Jahren eine Ko­ope­ration mit »Die Ligen«, einer ebenfalls auf Ama­teurvideos spezialisierten Online-Plattform, un­terzeichnet. Die ist perspektivisch durchaus kommerziell ausgerichtet, denn zum einen wol­len die Betreiber die Filmchen der mit einer Aufwandsentschädigung entlohnten Kameraleute an Lokalzeitungen weiterverkaufen und haben bereits zwei Abnehmer gefunden, zum anderen plant man, das Angebot auch um Videos anderer Sportarten zu erweitern.

Der WFV erklärt nun in seiner Klageschrift, dass der ausgelaufene Vertrag mit »Die Ligen« nicht erneuert werden könne, weil eben die Existenz der Hartplatzhelden dies verhindere.

Ob der württembergische Verband überhaupt Verträge mit einer Video-Plattform abschließen darf, ist dabei nicht einmal klar, zumal er als gemeinnützige Institution eine solche Ko­operation nach allgemeiner Rechtsauffassung wohl öffentlich ausschreiben müsste. Zusätzlich verfügt auch der DFB, dem der WFV angeschlossen ist, über eine Homepage, auf der bald Spielszenen aus den unteren Ligen präsentiert werden sollen. Auf www.fussball.de sind zwar derzeit noch überwiegend Nachrichten, Ter­mine und Tabellen aus dem Profibereich zu finden, eine Community-Funktion ist allerdings bereits in Arbeit, es fehlt nur noch an der geeigneten Technik zum Hochladen von Videos.

Dass der WFV nun gegen die Hartplatzhelden klagt, hat auch mit dieser DFB-Homepage zu tun. Die Landesverbände sind der Auffassung, dass sie allein für die Vermarktung der Spiele ihrer Ligen zuständig sind, und behalten sich entsprechend das Recht vor, eigenständige Verträge mit Anbietern abzuschließen.