Eintracht pro Frankfurt

In Frankfurt am Main soll eine Moschee gebaut werden. Gegner des Vorhabens haben mit einer antisemitischen Hetzkampagne gegen eine grüne Stadtverordnete und ihren Mann begonnen. Von Christoph Schwarz

»Nicht an diesem Ort«: Die Botschaft der »Hausener Bürgerinitiative« ist eindeutig. Sie richtet sich gegen die geplante Moschee im Frankfurter Stadtteil Hausen. Anders als die meisten anderen islamischen Gebetshäuser in Frankfurt soll die Moschee nach ihrer Fertigstellung von außen deutlich als solche erkennbar sein. Die türkisch-schiitische Vereinigung Hazrat Fatima plant in Zusammenarbeit mit der pakistanischen Pak Haidry Association ein repräsentatives Gebäude, das bei vielen Hausenern von Anfang an auf Ablehnung stieß.

Bald schon gründete sich eine Bürgerinitiative gegen das Bauvorhaben. Der Name ihres Web­logs, »Pro Frankfurt«, lehnt sich bewusst an den der extrem rechten Vereinigung »Pro Köln« an, die unter anderem gegen den Bau einer Moschee in Köln agitiert. Der Frankfurter Initiative gelang es in kurzer Zeit, über 1 000 Unterschriften gegen den Bau der Moschee zu sammeln. Die Sprecher der Initiative betonten anfangs, dass diese sich nicht gegen den Bau von Moscheen an sich richte; aber man wolle eben keine in Hausen, wo »auch viele ältere Menschen wohnen«. Auch Parkplatzprobleme wurden befürchtet.

Für Verkehrsbehinderungen sorgte jedoch zunächst die NPD, als sie im Oktober unter dem Motto »Islamisten raus!« gegen den geplanten Bau der Moschee demonstrierte. Wegen des Aufmarsches wurden die Stadtteile Hausen und Bockenheim für einen Tag nahezu lahm gelegt.

Bis zum Bekanntwerden des Bauvorhabens hatten die beiden schiitischen Vereinigungen, die bislang in einem unscheinbaren Gebetshaus in Griesheim residierten, nicht für Schlagzeilen gesorgt. Der Dachverband, in dem Hazrat Fatima organisiert ist, wurde zwar eine kurze Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet, die Beobachtung wurde nach einer Klage dagegen jedoch eingestellt. In den öffentlichen Debatten gelang es den Sprechern des Vereins, alle großen Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung im Frankfurter Römer von ihrem Bauvorhaben zu überzeugen.

Mit der sich abzeichnenden Niederlage der Hausener Bürgerinitiative wurde deutlicher, dass deren Protest sich nicht nur gegen das Moscheegebäude richtete. Einige Mitglieder der Initiative sorgten Anfang November bei einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bildung und Integration mit ihrem aggressivem Auftreten und markigen Sprüchen zur »Überfremdung« für Aufsehen und machten ihrem Unmut über »die hohen Geburtenzahlen« bei Zugewanderten Luft.

Wolfgang Hübner, ein Mitglied des Ausschusses und Fraktionsvorsitzender des rechten Bürgerbündnisses für Frankfurt (BFF), erhielt minutenlangen Applaus dafür, dass er die geplante Moschee als »Fremdkörper« bezeichnete.

Der »Dialog« fand ein vorläufiges Ende, als Nargess Eskandari-Grünberg, die integrationspolitische Sprecherin der Frankfurter Grünen, auf die Klage über den hohen »Ausländeranteil« unter Frankfurts Schülern entgegnete, dass ein Migrantenanteil von 40 Prozent in Frankfurt eine Tatsache sei; wem dies nicht passe, der könne ja woanders wohnen. Im Publikum brach daraufhin Tumult aus, die Sitzung musste abgebrochen werden.

»Grüne erregt Volkszorn«, titelte am nächsten Tag die Frankfurter Neue Presse. Die Lokalzeitungen waren voll von empörten Leserbriefen, die sich gegen die Stadträtin richteten. Das Stadtmagazin journal frankfurt handelte das Geschehen in der Rubrik »Topps und Flopps« unter »Flopps« ab: Die Äußerung sei »doof« gewesen, »noch doofer« sei jedoch, dass ihr Ehemann, Kurt Grünberg, sie politisch unterstütze und Solidarität für sie einfordere.

Die Stadtverordnete, die als Psychotherapeutin auch eine Beratungsstelle für ältere Migranten leitet, betonte nach der turbulenten Ausschusssitzung, sie habe darauf hinweisen wollen, dass Migration eine Tatsache sei und dass die Zugewanderten sich auch nach Jahrzehnten noch mit Aufforderungen zur Auswanderung konfrontiert sähen.

Die anderen Fraktionen im Römer bemühten sich um Abgrenzung. Während der Vorsitzende des Bürgerbündnisses für Frankfurt, Hübner, vernehmen ließ, mit dem Moscheen­streit bei der nächsten Landtagswahl Stimmen gewinnen zu wollen, war aus den anderen Fraktionen zu hören, die Äußerung Eskandari-Grünbergs sei »fahrlässig« und »absolut daneben« gewesen. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Klaus Oesterling, wurde in der Frankfurter Neuen Presse mit den Worten zitiert, die Stadverordnete habe »völlig unnötig Öl ins Feuer gegossen« und dürfe »sich nun über entsprechende Reaktionen im Stadtteil nicht wundern«.

Begleitet von einem derartigen Verständnis für die Reaktionen der Bürger kam es im angeblich so weltoffenen Frankfurt am Main zu rassistischer Hetzjagd gegen die Stadträtin. Eskandari-Grünberg, die vor über 20 Jahren vor dem islamistischen Regime im Iran nach Deutsch­land geflohen war und sich unter anderem gegen das Kopftuch im Schuldienst engagierte, erhielt eine Flut von Briefen, E-Mails und Telefonanrufen, in denen sie aufgefordert wurde, »doch zurück zu den Mullahs« zu gehen, wo ihr der »Mund mit einem Kopftuch« gestopft gehöre. Auch Morddrohungen wurden ausgesprochen: Ihre Steinigung und Hinrichtung seien bereits vorbereitet.

Eine antisemitische Dimension erlangte die Kampagne schließlich, als auch ihr Ehemann zum Ziel des Volkszorns wurde. In einem rechts­ex­tre­men Internetforum wurden neben der Adresse, der Telefonnummer und den E-Mail-Adressen des Ehepaars auch ihre Fotos und ein in antisemitischer Manier entstelltes Bild von Kurt Grünberg gepostet, der zudem als »kraushaariger und krummnasiger Ehemann« tituliert wurde, welcher als Psychoanalytiker einen »typischen Judenberuf« ausübe.

Grünberg, der Nachfahre von Überlebenden des Holocaust ist und als Mitarbeiter im Sigmund-Freud-Institut über die psychosozialen Folgen für die Opfer und ihre Nachkommen im Land der Täter forscht, musste zuletzt in einem anonymen Brief lesen, für ihn und seine Frau stünden »die Züge nach Auschwitz bereits unter Dampf«, wie er der Jungle World erzählte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst gegen das Internetforum, sah jedoch den Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt und stellte die Ermittlungen vorläufig wieder ein. Grünberg stellte daraufhin zusammen mit der »Initiative 9.November« Strafanzeige gegen die Betreiber des Forums. Die rassistischen und antisemitischen Beiträge in dem Forum sind dort aber nach wie vor abrufbar.

Inzwischen kam auf die Initiative eines Frak­tionskollegen von Eskandari-Grünberg eine Solidaritätserklärung zustande, die bislang rund 900 Personen unterschrieben haben. Die Hausener Bürgerinitiative reagierte auf die Solidaritätsbekundung, indem sie auf ihrer Internetseite jeglichen Zusammenhang mit dem Neonaziforum abstritt, das sie als ein »amerikanisches Forum von Irren ohne Wissen und Zutun von Hausener Bürgern« verstanden wissen wollte. Den Unterzeichnern der Solidaritätserklärung teilte sie mit: »Die ›Nazikeule‹ zieht in Hausen nicht!«