Genug geloadet

Der legale Download von Musik ist zwar eine kostengünstige Quelle für Musik, hat aber oft schädliche Nebenwirkungen, die sich erst nach dem Download bemerkbar machen. von elke wittich

Nur weil in Deutschland das Herunterladen von Musik und Filmen seit dem 1. Januar verboten ist, bedeutet das nicht, dass die internationalen Downloadplattformen und Tauschbörsen ihre Angebote eingestellt hätten.

In den meisten Ländern ist das Uploaden, also das Bereitstellen von Files für andere User, schon seit längerer Zeit verboten, trotzdem scheinen sich nicht allzu viele Leute davon beeindrucken zu lassen, denn sonst wäre es wohl kaum nötig gewesen, nun auch noch denjenigen harte Strafen anzudrohen, die Songs herunterladen.

Andererseits haben in den vergangenen Jahren immer mehr Geschäftsleute die Downloadplattformen als kostenlose Werbemöglichkeit entdeckt. Sie sorgten viel effektiver als die Gesetzgeber dafür, dass das Herunterladen unattraktiv wurde. In den einschlägigen Foren kann man beispielsweise den Niedergang von Limewire, lange Zeit eine der angesagtesten Tauschbörsen mit eigenem Client, nachlesen – statt des erwarteten Musikstücks zogen sich die Downloader immer häufiger gesprochenen Spam oder wirre politische Botschaften und manchmal sogar Viren auf den Rechner.

Der Start der Downloadplattform Qtrax Ende Januar 2008 wurde in den meisten Medien enthusiastisch als das lange erwartete, faire und legale Konzept gefeiert. Qtrax kündigte an, den Nutzern das kostenlose Herunterladen von Songs zu ermöglichen. Das Angebot sollte durch Werbung finanziert werden, die wiederum an die Interpreten ausgeschüttet werden sollte. Um Qtrax benutzen zu können, versprachen die Macher, müsse man sich lediglich anmelden und den Player herunterladen.

Doch mit diesem Player konnte der User nichts anfangen, denn entgegen den Behauptungen der Qtrax-Betreiber erklärten die Großen der Musikindustrie wie Warner Music Group umgehend, kei­ne Verträge mit dem Unternehmen abgeschlos­sen zu haben. Die Resonanz auf das Angebot sei überwältigend, heißt es dazu euphemistisch auf der Homepage von Qtrax, die Freischaltung der User werde nun stufenweise erfolgen, um den Nut­zern größtmöglichen Genuss zu bieten. In der Zwischenzeit könne man ja die eigene Musik­samm­lung mit dem Player anhören oder bei Qtrax nach anderem als musikalischem Content suchen; gemeint sind damit unter anderem Fotos von Bands und Sängern. Die allerdings vielleicht auch bald nicht mehr zu sehen sein werden, denn amerikanische Copyright-Schützer wie­sen bereits darauf hin, dass Qtrax an den meisten Bildern keine Rechte besitzt.

Wie bei den meisten Internetangeboten beinhalten die Nutzungsbedingungen von Qtrax auch Passagen, die außerhalb des Internets kaum jemand freiwillig unterschreiben würde. Abgesehen von schwammig formulierten Erklärungen zum Datenschutz reklamiert das Unternehmen geistiges Eigentum seiner User grundsätzlich für sich. Lässt man Qtrax Vorschläge, Informationen, Material oder »Sonstiges« zukommen, erteilt man automatisch die Erlaubnis, dass Qtrax dieses geistige Eigentum zeitlich unbegrenzt, kostenlos und ohne Lizenzgebühren zahlen zu müssen, nach eigenem Gutdünken benutzen darf. Auch wenn solche Passus zumindest nach deutschem und EU-Recht nicht legal sind, zeigen sie gleichzeitig, wie sehr man als Nutzer aufpassen muss.

Mit der Registrierung bei einem der legalen Angebote wird man in den meisten Fällen zum gläsernen User, dessen musikalische Vorlieben zum Beispiel gespeichert und in Datenbanken abgelegt werden können. In Kombination mit der angegebenen E-Mail-Adresse ist es einem Unternehmen, wenigstens theoretisch, ohne Weiteres möglich, detaillierte Listen von Punk-, Techno- oder Volksmusik-Fans zu erstellen, die für Musikindustrie und Werbeagenturen von unschätzbarem Wert wären.

Aber nicht nur legale Download- und Abspielangebote können für die Betreiber Goldgruben sein, siehe Youtube. Auch mit illegalen oder in der Grauzone operierenden Plattformen lässt sich durch Werbung viel Geld verdienen, entsprechend attraktiv sind diese Angebote auch für Investoren. Nach Durchsuchungen im Mai 2006 erhob die schwedische Staatsanwaltschaft vor zwei Wochen Anklage gegen die als alternativ geltenden Betreiber von Pirate Bay und lüftete damit gleichzeitig auch ein schmutziges Geheimnis der Torrent-Piraten. Neben den Gründern Peter Sunde, Hans Fredrik Neij und Per Svartholm Warg erhielt auch der Multimillionär Carl Lundstrom eine Anzeige.

In den vergangenen Jahren hatte es immer wie­der Gerüchte über eine Beteiligung Lundstroms gegeben, die von den Pirates allerdings regelmäßig relativiert worden waren. Der Erbe des Wasa-Konzerns habe beim Start lediglich mit Bandbrei­te und Servern ausgeholfen, erklärte man, da einer der Bay-Gründer damals bei Rix Telekom, einer der vielen Firmen des schwedischen New Economy-Magnaten, gearbeitet habe.

In Wirklichkeit ist Lundstrom allerdings, so die schwedische Staatsanwaltschaft, einer der vier Besitzer von Pirate Bay und ein ausgewiesener Nazi: 1988 wurde der heute 47 Jahre alte Knäckebrot-Erbe wegen eines rassistischen Überfalls auf drei Ausländer angezeigt. Seither unterstützte der Millionär diverse rechtsextreme schwedische Parteien mit Spenden, auf seiner Payroll stehen unter anderem die rechtspopulistischen Sverigedemokrater, die Nationaldemokraten und die fremdenfeindliche Framstegspartiet. Zudem war er aktives Mitglied der rassistischen Initiative Bevara Sverige svensk, zu deutsch: »Haltet Schweden schwedisch«. Ein Blogeintrag Lundstroms gegen das Recht auf Abtreibung wurde gerade erst gelöscht.

Durch die Anklage wird Pirate Bay aber nicht nur wegen seiner Geschäftsbeziehungen zu einem ausgewiesenen Nazi ins Gerede kommen, sondern auch, weil es sich bei den Vorkämpfern für freies Downloaden möglicherweise um ein stinknormales Unternehmen handelt. Die Staats­anwaltschaft wirft den Piraten vor, durch Werbebanner erzielte Einnahmen in Millionenhöhe nicht versteuert und auf einem Konto in einem karibischen Steuerparadies angesammelt zu haben. Pirate Bay dementierte die genannte Summe von drei Millionen Dollar Einnahmen pro Jahr umgehend und beteuerte, niemand verdiene an dem Angebot Geld. Alle Einnahmen würden für Server, Bandbreite und weitere anfallende Kosten verwendet. Das Konto werde außerdem nicht genutzt, sondern stamme lediglich aus einer Zeit, als man plante, Pirate Bay zu einem legalen internationalen Unternehmen zu machen.

Was also bleibt Musikliebhabern, die weder illegal handeln noch ihre Daten irgendwelchen Unternehmen anvertrauen wollen? Eine echte Alternative sind beispielsweise Internetradios, die sich auf Genres spezialisiert haben, URLs findet man zum Beispiel bei den Livestream-Sendern www.radioweb.de/livesender.html oder www.up2city.de/internetradio.

Auf LastFM, wo man mit ein bisschen Glück nach Eingabe des gewünschten Titels gleich sein Lieblingsstück hören, allerdings nicht downloaden kann, oder auch auf Videoplattformen wie Youtube oder GoogleVideo wird man meist fündig. Dort sollte man sich allerdings nicht regis­trieren, weil das Nutzerverhalten gespeichert wird.

Auch die Musikschaffenden selber haben auf die Bedürfnisse der Internetkundschaft, die immer alles sofort haben will, reagiert. Häufig reicht es, einen Song mit dem Zusatz »mp3« zu googlen, und schon landet man auf der Homepage der entsprechenden Band, wo fast alle ihre Tracks in voller Länge zum kostenlosen Anhören bereitgestellt werden, als Werbemaßnahme. Denn Geld verdient die Musikbranche schließlich schon seit Jahren nicht mehr mit CD-Verkäufen, sondern mit teuren Konzerttickets.