Wie kommunistisch ist Filesharing?

Beim Filesharing geht es nicht ums Hören, sondern ums Haben. Es gilt die Maxime »Share or be banned«. kommentar von melis vardar

Darüber zu reden fällt schwer. Nicht weil Filesharing illegal wäre, sondern weil es eine Angelegenheit für Nerds ist. Nie ist das Musikarchiv komplett; wer downloaded, hat immer noch etwas downzuloaden; ein obsessiver Perfektionismus stellt sich ein, und der ist, wie immer, Männersache (Frauen hören zwar gerne bei anderen rein, aber nächtelang vor dem Computer zu sitzen, ist ihnen in der Regel zu doof.)

Doch das Problem beginnt schon früher, bei der Wortwahl nämlich. Heißt es »Ich habe die ganze Nacht Musik downgeloaded« oder »Ich habe die ganze Nacht Musik gedownloaded«? Ein Freund, der der Beschäftigung mit solchen Fragen fast so­viel Lebenszeit gewidmet hat wie ich dem Downloaden des Gesamtwerks von Hamilton Bohannon, Dr. Feelgood oder Herbert Grönemeyer, bemüht sich seit Jahren um eine Klärung dieser Frage. Aus dem Misslingen zieht er allerlei kultur­pessimistische Schlussfolgerungen. »Wenn die grammatikalische Form nicht klar ist, kann die Sache selbst nicht in Ordnung sein«, sagt er.

Tatsächlich passt auf eine Festplatte von 200 Giga­byte soviel Musik, dass man rund 120 Tage brauchen würde, um sie zu hören. Wer hat dazu Zeit? Zumal es mit dem Downloaden nicht getan ist. Die Stücke müssen auf Fehler überprüft, katalogisiert, »getaggt« und archiviert werden. Die kom­plette Diskografie von Herrn Grönemeyer zu besitzen, heißt mitnichten, sie auch zu hören. Beim Filesharing fällt jene natürliche Grenze, die dem Fetisch Plattensammlung durch den Verkaufspreis gesetzt war. Es geht also nicht ums Hören, es geht ums Haben, würde Erich Fromm dazu wohl sagen. Andererseits: Die linke Nörgelei am Fetisch­charakter der Ware hatte schon immer etwas Mie­se­petriges. Nicht zufällig ist »haben« dasjenige Wort, das Kinder gleich nach »Mama« und »Papa« lernen. Und wenn wir die Dinge schon nicht ändern können, dann wollen wir sie wenigstens haben.

Obwohl die Veranstaltungen Tauschbörsen heißen, tritt darin der Tauschwert hinter dem Gebrauchswert zurück – selbst wenn dieser, siehe oben, nicht im Genuss von Musik besteht, sondern in ihrer Archivierung. Lobenswert ist auch das Grassroots-Prinzp: »Wir wollen alles« und »Alles für alle und zwar umsonst« – hier ist das Realität. Dass Musiker und Produzenten deswegen um ihren Broterwerb fürchten, kann dem linken Kritiker herzlich egal sein, da die linken Enteignungsphantasien noch nie Mitgefühl für den Unternehmer kannten, der seinen Betrieb mit Blut und Schweiß aufgebaut hatte. Noch kom­munistischer sind die Umgangsformen: »Share or be banned« warnen User getreu der alten Maxime der Arbeiterbewegung, dass, wer nicht arbeite, auch nicht essen solle. Und das wollen wir doch, oder?