Von Kohl zu Koch

Die Erinnerung an Mölln und Solingen ist bei türkischen Migranten noch immer lebendig. Ihre Reaktionen sind dennoch unterschiedlich.

Skepsis und Kritik der türkischen Migranten, die nach der Brandkatastrophe von Ludwigshafen geäußert wurden, sind nicht unbegründet, son­dern stützen sich auf die Erfahrungen der Brand­anschläge in Mölln und Solingen. Dabei starben in den frühen neunziger Jahren insgesamt acht türkische Frauen und Mädchen. Mit Ignoranz reagierte die damalige Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl, die Brandstifter wurden als »Einzel­täter« behandelt und nach mehrjähriger Haft freigelassen.

Das sitzt noch tief in den Köpfen. Die Brandkatastrophe von Ludwigshafen ereignete sich mitten in der Debatte um »ausländische« Jugend­kriminalität und die Verschärfung des Zuwanderungsrechts. Als erste Reaktion schloss der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck einen fremdenfeindlichen Brandanschlag aus und beließ es dabei, seine Karnevalsaktivitäten abzusagen. Neben Angst, Wut und Verzweifelung war das ein Grund mehr für die türkischen Medien, von den Anzeichen für einen rassistischen Brandanschlag zu berichten. Unter dem Titel »Menschlichkeit Hand in Hand« rief die national-konservative Hürriyet die türkische Community zur Mobilmachung auf, die liberal-konservative Milliyet sprach von »Neonazi-Spuren« und die nationalkonservative Aksam titelte: »Neun Türken sind keinen Marco wert.« Allerdings beginnen diese Medien, bestärkt durch die konservativ bis nationalistisch orientierten türkischen Dachverbände selber zu zündeln, wenn sie den begründeten Frust der Migranten in eine feindselige Haltung den Deutschen gegenüber kanalisieren und einen Rückzug aus der hiesigen Gesellschaft preisen.

Gern wird dabei Bezug genommen auf die vermeintlich gewachsene Islam-Feindlichkeit: »Ges­tern Juden – heute Moslems« stand auf Transparenten. Die Kritik der linken und demokratischen Mi­gran­tenverbände galt dagegen vor allem der ausgrenzenden Stimmungsmache von Roland Koch, der in Hessen einen »schmutzigen« Wahlkampf auf Kosten der Migrantinnen und Migranten geführt hatte. Überrumpelt fühlte sich vor allem die Alevitische Gemeinde. Sie beklagte die Tatsache, dass gerade die alevitischen Opfer des Brand­anschlages »unter den Teppich gekehrt« würden. Ihre Kritik galt auch der türkischen Regierung, die aus der Trauerfeier einen »Staatsakt« zu machen versuchte, statt die Wünsche der Angehörigen zu respektieren. »Die türkischen Experten sollten viel lieber ihre Energie in die Aufklärung der tausenden politischen Morde in der Türkei stecken«, resümierte Ali Ertan Toprak, der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde.