No sex, no drugs, no Rock’n’Roll!

Liedermacher, Schlagerrock, »deutsches Liedgut« – die Linkspartei versucht sich an der Popkultur, offenbart aber nur, wie rückwärtsgewandt sie ist. kommentar von wolfgang seidel

Für die Kulturpolitik der Linkspartei scheint die Umkehrung eines Diktums von Erich Honecker zu gelten: Vorwärts nimmer, rückwärts immer! Das ließ sich am vergangenen Wochenende in Saarbrücken beobachten, wo die Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel »Lauter Kritik« einen Musikwettbewerb veranstaltete. Der Direktive des DDR-Rundfunks zur Förderung der »nationalen Intonation« folgend, galt die Arbeit des Liedermachers als höchste Form musikalischen Schaffens. Am ersten Abend spielten dann auch Gruppen wie »Liedstöckel« oder »Rotwein und Pimpinelle«.

Aber es gab auch einen »Bandcontest«, bei dem als wohl unvermeidliches Zugeständnis an die westliche Popsozialisation Stromgitarre gespielt werden durfte. Im Finale fand sich der Sänger Heuser, der seine Selbstdarstellung mit den Worten beginnt: »Deutsches Liedgut – handgemacht.« Dem Künstler liegt dabei etwas besonders am Herzen: »Das verwahrloste Kind ›deutsche Sprache‹ aufpäppeln, zeigen, dass es zu Unrecht in die Ecke gedrängt wird von den englischen Lyrics der Popindustrie.«

Heusers seichter Schlagerrock dürfte dem prominentesten Mitglied der Jury gefallen haben: Diether Dehm. In den Achtzigern machte er die Parolen der Friedensbewegung mit den Bots zu Geld. Er hat ein Rezept, wie man deutsches Lied­gut schützt: »Eine allzu gedankenlose Distanzierung vom Mauerbau könnte in Zukunft das Verständnis dahin dogmatisch versperren, wo eine ökonomisch unterentwickelte Region (…) sich abschottet.« Gewonnen haben den Wettbewerb dann doch Jelly Toast, die mit lockerem Ska das deutsche Fernweh bedienen, wenn sie nicht auf Deutsch moralische Globalisierungs- und Konsumkritik darbieten.

Unter dem von Bob Dylan entlehnten Titel »The Times They Are A-Changin’« hatte man sich schon zwei Wochen vorher in Berlin beim »Festival Musik und Politik« dem Thema »Musikszenen um 1968« gewidmet. Unter den Veranstaltern war auch die Friedrich-Ebert-Stiftung, das Sagen hatte aber die Linkspartei.

Im Publikum war man unter sich, kaum jemand war unter 60, kaum jemand aus dem Westen. Der einleitende Film präsentierte fast ausschließlich DDR-Liedermacher, die ihre Einsichten zur Zupfgeige vortrugen. Das Podium war nicht jünger besetzt, aber zu gleichen Teilen aus Ost und West. Den Wessis fiel der Part zu, den Zuhörern zu erklären, wie repressiv der Westen gewesen sei. Für den Osten sprachen ehemalige Kader, die mit Musik dienstlich befasst waren. Sex, Drugs and Rock’n’Roll? Dazu kein Wort. Wieso in jenen Jahren um 1968 Rock und Rebellion zusammenfanden, interessierte nicht.

Nach Versuchen, sich dem im Westen unter dem Etikett »Popkultur« stattgefundenen Wandel zu stellen, scheint die Linkspartei den Rückwärtsgang eingelegt zu haben. Zu ihr stößt im Westen Personal aus der DKP und einem Milieu, das schon in den Siebzigern seinen Mitgliedern Rockmusik und das Tragen von langen Haaren verbot, um den deutschen Arbeiter nicht zu verschrecken. Mit welcher Musik man ihn keinesfalls vergrault, konnte man im Programmheft sehen. Dort warb ein Musikversand, der neben einer Sammlung namens »Im schönsten Wiesengrunde« auch Hits bereit hält wie »Von Pol zu Pol – Das Stabsmusikkorps der Grenztruppen«.