Pop oder post, gender oder trans?

Wer den Code nicht kennt, kann nicht mitreden. Ein Glossar der wichtigsten Begriffe des »Popfeminismus«. Von Bini Adamczak und Mello Schreiber

Popfeminismus

Mal wieder eine Vorsilbe für das beklemmende F-Wort. Und zwar eine, die hip und sexy ist. Aber es geht nicht darum, Feminismus mit Pop aufzupeppen, sondern darum, Pop als zentrales Feld der kulturellen Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit anzuerkennen. Lange Zeit stand die Kritik von Produktionsverhältnissen, von männ­licher Dominanz in der Musik- und Filmbranche im Vordergrund. Darüber lässt sich schnell Einigkeit erzielen. Interessanter aber ist der Blick darauf, in welchen Varianten Pop Geschlecht und Sex­ualität nicht nur dar-, sondern auch herstellt. Da popkulturelle Produkte widersprüchliche Lesarten anbieten, eröffnen sie ein Terrain, auf dem um Bedeutungen gekämpft werden kann und muss. Die Kritik an traditionellen und der Hype von subversiven Repräsentationen sind dabei allerdings nur zwei der vielen Spielwiesen, die sich dem popverliebten Feminismus bieten.

Postfeminismus A

In deutschen Mainstream-Medien heißt der Feminismus Alice Schwarzer. Seine Eigenschaften sind: Unattraktivität, Prüderie und Männerhass. Wohingegen der Postfeminismus der Fernsehserie »Sex and the City« entspricht und sich im Spiegel blicken lassen kann. Seine Modelle sind beruflich erfolgreich, sexuell befreit und machen sich gerne hübsch. Fürs Happy End träumen sie sogar von Ehe und Familie. Verschwinden muss hier alles, was sich nicht so brav vermarkten lässt. Wo dieser Diskurs auf eine Mut-Zur-Hässlichkeit- Kampagne trifft, entpuppt sich das »Post« deswegen auch ganz schnell als »Anti«.

Postfeminismus B

Außerhalb des deutschen Mainstreams wird Postfeminismus von Judith Butlers Parole zusammengefasst, der Feminismus brauche zwar die Frauen, müsse aber nicht wissen, wer sie sind. Zur Erklärung: Früher gab es den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, die Ausbeutung des Proletariats, den Kampf von Klasse gegen Klasse. Später wurde die abstrakte Herrschaft des Werts entdeckt, es gab Charaktermasken und automatische Subjekte. Früher gab es den Widerspruch zwischen Mann und Frau, die unbezahlte Hausarbeit, den Widerstand gegen das Weltpatriarchat. Später gab es die Kategorie Geschlecht, Zwangs­heterosexualität und die Subversion der Identität. Den Schlaueren aber blieb klar, dass das Wert­gesetz zwar ausnahmslos alle trifft, aber die einen ungleich härter als die anderen. Sie wussten: Es ist beschissen genug, ein Geschlecht zu haben, aber noch beschissener ist es, wenn es sich um ein weibliches handelt.

Sex/Gender

Wer von Gender redet, sagt, dass es mehr als ein Geschlecht gibt, mindestens zwei, ein soziales und ein biologisches. Allerdings existiert diese Trennung nur in der Theorie, denn in der Langeweile des geschlechtlichen Alltags haben die meisten Leute nicht zwei verschiedene Geschlechter, sondern nur eins. Deswegen gibt es in der Realität kein Gender, sondern nur Transgender. Es sollte also nicht verwundern, dass sich der Import dieses Wortes als Geschichte der medizinischen Katalogisierung von Transsexualität erzäh­len lässt. Aber spätestens seitdem in diesen Katalog auch Seepferdchen, die zugleich Seeheng­ste und See­stuten sind, aufgenommen wurden, ist auch die Verwirrung jener, die sich kein X für ein Y vormachen lassen wollten, un­übersehbar geworden. 17 Jahre nach Butlers Gendertrouble (ins Deutsche richtig übersetzt mit »Unbehagen der Geschlechter«, nicht mit »Unbehagen der Dschända«) dürfen wir wissen, dass es nur ein Geschlecht gibt: ein kulturell zersplittertes, körperliches und schmerz­liches Knäuel, eine materiell konstruierte, historisch gewachsene Geschlechtskrankheit.

Ver/Kleiden

Der Slash zwischen den beiden Wörtern, dieser Peitschenschlag, markiert exakt die Grenzlinie, die von der Norm zwischen denen, die echt sind, und denen, die wohl falsch sein müssen, geschlagen wird. Aber wenn der Besitz eines Geschlechts der Effekt des ständig wiederholten und ständig scheiternden Versuchs ist (Po zu groß, Muckis zu klein), ein geschlechtliches Ideal (Clooney/Klum) zu verkörpern, dann gibt es keinen Unterschied zwischen kleiden und verkleiden. Es gibt Menschen, die seit Jahrzehnten morgens die Klamotten anziehen, die ihnen abends die Eltern rausgelegt haben, und es gibt Menschen, die im Rahmen beschränkter Möglichkeiten mit diesen Vorgaben ein wenig kreativer umgehen und, ohne je eine Wahlfreiheit besessen zu haben, doch zumindest vortäuschen, dass es eine solche gebe.

Riot Grrrls

Es soll Leute geben, die immer, wenn sie das Wort aussprechen, ein sechsfaches R rollen. Für die artistisch weniger Begabten bleibt das Zeichen der Wut auf das sexistische Musikbusiness nur im Schriftbild sichtbar. Derrida hätte sich freuen können. Freuen können sich über diese Demonstration der Wichtigkeit von Sprachpolitik auch alle, die sich in ihrer Politik ohnehin mit nichts anderem als Schriftzeichen beschäftigen – Zeitungsredaktionen etwa. Auch für die Riot-Grrrl-Bewegung ist die Zeichenpolitik in ihren vielen Fanzines von großer Bedeutung. Ihre Aneignungen beschränken sich aber nicht auf diese Bühne, wie ein Zitat von Tanja Kämper, der Ex-Sängerin von Sakura, exemplarisch zeigt: »Wenn ich hier schon zwischen all den Pimmelgitarristen auftrete, dann nur mit meinem riesigen rosa Plüschpenis. Wenn ich hier die Quotenfrau bin, dann aber die mit den dicksten Eiern.«

Ladyfest

Inspiriert von der Riot-Grrrl-Bewegung der neunziger Jahre hat sich ein weltweites loses Netzwerk von Ladyfesten entwickelt. Seit 2003 finden sie auch in Deutschland statt. Das Ladyfest eröffnet einen politischen Raum, der Feminismus für eine Menge Geschlechter offen und attraktiv macht und antisexistische Taktiken mit der Verquerung traditioneller Geschlechterkonstrukte verbindet. Lady ist ein anti-essenzialistischer Begriff: »What ever your gender may be – if you feel like a Lady, be part of the Ladyfest.«

Cyberfeminismus

Nach dem Cybermanifest des old boy network ist Cyberfeminismus kein leerer Kühlschrank. Das bedeutet, dass er weder definiert werden kann, noch dass er das will. Die Heldin des Cyberfeminismus ist die Cyborg. Sie ist Maschine, Tier und Mensch in einem und unterläuft dadurch die Dichotomien von Natur und Kultur, Körper und Geist usw. Sie hat weder Ursprung noch abgeschlossene Form, sondern ist work in progress. Woran lassen sich Cyborgs erkennen? Beispielsweise daran, dass sie wie Affen aussehen oder sich die Beine rasieren. Daran, dass sie eine Brille tragen oder einen Dildo. Denn Dildoträgerinnen sind ebenso wenig schwanzlos wie Brillenträgerinnen in Wirklichkeit blind.

Identität

Früher wurde für alle Frauen der Welt eine universelle »weibliche Identität« gesucht. Später wurde erkannt, dass eine solche kohärente »Identität« immer die einen ein-, die anderen aber aussperrt. An diesem Punkt findet Feminismus leicht mit Pop zusammen. Denn das verspielte An- und Ablehnen verschiedener Identitätsangebote lässt sich auf dessen Bühne großartig in Szene setzen. Auf Authentizität wird dabei gerne verzichtet – im guten Pop galt sie ohnehin immer schon als uncool.

queer

Drei Dinge sollten über »queer« gewusst werden:

1. Es muss überall und immer klein geschrieben werden. Diese Substanzialisierungskritik gilt insbesondere für das Deutsche, wo sich das Obrigkeitsschreiben bekanntlich in den Majuskel gewordenen Institutionen eingerichtet hat.

2. Es richtet sich gegen alle Identifizierungen und lässt sich deswegen gar nicht definieren. Die queere Enzyklopädie von Persson Perry Baumgartinger enthält deshalb auch keine einzelnen Definitionen, sondern Konstellationen vielfältiger Annäherungen (queeropedia.com).

3. Es wird am besten gar nicht verwendet, sondern durch »pervers« ersetzt. Denn darin ist die umkehrende Aneignung der verletzenden Bezeich­nung noch spürbar. In seiner einfachsten Bestimmung bezeichnet »queer/pervers« das gegen die heterosexistische Matrix gerichtete Bündnis, das Zweigeschlechtlichkeit, Androzentrismus und Zwangsheterosexualität gleichermaßen angreift. Aber »queer« wird auch im Kampf gegen verkrüppelnde Normen der Gesundheit oder rassifizierende Normen der Ethnie verwendet. Und das ist nur der Anfang, der »per definitionem« ohne Ende ist.