Für eine Hand voll Pesos

Die kolumbianische Farc ist isoliert, Militär­schläge gegen die Guerillagruppe haben die Popularität Präsident Uribes erhöht. von christian duque, medellin, und lukas böckmann

Hugo Chávez könnte ernsthafte Konkurrenz bekommen. Während der venezolanische Präsident an Popularität verloren hat, ist sein rechter Konkurrent Álvaro Uribe, der Präsident Kolumbiens, beliebter denn je. Anfang März gelang Uribe ein bedeutender Schlag gegen die Guerillagruppe Farc. Raul Reyes, die Nummer zwei in der Hierarchie der »Bewaffneten Streitkräfte Kolumbiens«, und mehr als 20 weitere Guerilleros wurden vom kolumbianischen Militär auf dem Territorium Ecuadors getötet. Der Einsatz löste eine kurzzeitige internationale Krise aus, die jedoch durch eine Entschuldigung bei der ecuadorianischen Regierung beigelegt wurde.

Kurz darauf starb auch Iván Rios, wie Reyes Mitglied des siebenköpfigen Führungsgremiums der Farc. Sein Tod geht lediglich indirekt auf das Wirken kolumbianischer Autoritäten zurück, wird jedoch als der lang ersehnte Beweis für den inneren Zerfall der ältesten Guerilla des Kontinents gewertet. Der Tod Reyes’, des wichtigsten Kommandanten der Farc nach dem legendären Manuel »Tirofijo« Marulanda, ist zweifels­ohne eine bedeutende personelle Schwächung. Der Tod Rios hat die Guerilla überdies politisch geschwächt.

Rios wurde von seinem persönlichen Sicherheits­chef »Rojas« getötet, der seit fast einem Jahr im Kontakt mit dem kolumbianischen Geheimdienst DAS stand. Anschließend stellte er sich und übergab den Militärs die abgeschnittene Hand seines Vorgesetzten. Nach der Überprüfung der Fingerabdrücke kann »Rojas« auf die Auszahlung der Belohnung in Höhe von umgerechnet 1,8 Millionen Euro hoffen, die auf dem Fahndungsplakat versprochen wurde. Es wurden jedoch ethische Bedenken gegen die Auszahlung geäußert. Ein Richter sprach »Rojas« die Belohnung zu, das Verfahren dauert an.

Kolumbianische Medien sprechen bereits von einer »Implosion« der Farc. Tatsächlich scheint es um die revolutionären Ideale der Guerilla, die sich weiterhin als marxistisch-leninistisch bezeichnet, nicht gut bestellt zu sein. Oft wird sie als »Narco-Guerilla« bezeichnet, unklar ist, ob die Farc nur Steuern auf die Drogenproduktion er­hebt oder selbt den profitablen Handel betreibt.

In Kolumbien ist die Farc isoliert. Auch große Teile der Linken, allen voran der stärker werdende sozialdemokratische Polo Democrático, haben sich von ihr distanziert. Ihr werden u.a. antiquierte theoretische Konzepte, ein undemokra­tischer Führungsanspruch, Militarismus und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Es gibt Kritiker Uribes. Doch kaum jemand möch­te es riskieren, als Sympathisant der Guerilla gebrandmarkt zu werden, und wagt es, eine fried­liche Lösung des Konflikts oder gar eine Debatte über dessen Ursachen zu fordern. Neben Angriffen der Medien drohen auch Attacken der weiterhin aktiven rechtsextremen Paramilitärs. Seit dem vergangenen Jahr tauchen immer wieder Be­weise für enge Verbindungen zwischen Uribes Regierung und den Paramilitärs auf.

Trotz dieses Skandals und solcher Maßnahmen wie den Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, die gewöhnlich einem Präsidenten schaden, ist Uribe populärer denn je. Einer Gallup-Umfrage zufolge unterstützen 84 Prozent der Kolumbianer ihn und seine Politik nach der ­Militäroperation gegen Reyes und der damit verbundenen Krise . Dies ist die höchste Quote seit Uribes Amtsantritt im Jahre 2002.

Rigoros beharrte Uribe auf einer militärischen Lösung des Konflikts mit der Farc, trotz aller Kritik aus dem In- und Ausland. Von sozialen Ur­sachen des Konflikts, wie der ungleichen Landverteilung, will er nichts hören. Militärschläge sollen auch von den sozialen Problemen des Lan­des ablenken, für die Uribe fast ausschließlich die Guerilla verantwortlich macht. Der Präsident versucht, den Überdruss der Bevölkerung nach über 40 Jahren Bürgerkrieg zu instrumentalisieren. Anfang des Jahres organisierten die Regierung und die konservativen Medien Massenproteste, an denen sich nach offiziellen Angaben fast fünf Millionen Menschen beteiligten. »Uribismo« wird der ultrakonservative Populismus mit seinen autoritären Tendenzen genannt.