Queere Anarchas
Eigentlich müsste sie bald aufgeben, »zwei Jahre im Schnitt«, sagt Lea Susemichel, aus Deutschland zugewanderte Redakteurin, halte man den Job bei den anschlägen aus. So lange ist sie jetzt dabei. Susemichel, Anfang 30, teilt sich den einzigen bezahlten Job des feministischen Medienprojekts in Wien mit einer zweiten Redakteurin. Noch, versichert Susemichel, mache ihr die Arbeit Spaß.
Jetzt gibt es ja auch etwas zu feiern. Das 25jährige Bestehen, das anschläge zur ältesten feministischen Monatszeitschrift im deutschsprachigen Raum macht. Die Betonung liegt auf Monatszeitschrift. Denn die Emma ist ja doch ein wenig älter als das Wiener Schwesterblatt.
Doch von der Emma trennen das feministische Nachrichtenmagazin nicht nur fünf Jahre. Die anschläge hatten beispielsweise nie eine Galionsfigur. Worüber Susemichel nicht nur glücklich ist, denn: »Personalisierung bringt größere Aufmerksamkeit.« Eine repräsentative Figur kommuniziert leichter als ein sperriges, uneinheitliches, mehrstimmiges Kollektiv. Ähnlich ist es mit der Blattlinie. Obwohl, so findet Susemichel: »Für jemand Szenefernen sind wir vermutlich immer noch homogen.«
Dabei verändert sich auch der Feminismus andauernd. Das Stichwort »Queer« wurde voriges Jahr im Register eingeführt, vorher gab es nur »LesBiTrans«. Die Akademisierung in Form der Gender Studies fand auch Eingang ins Heft. Und irgendwie ist in letzter Zeit mehr Lifestyle drin: »Wer feiert wie« den Frauentag, ein Portrait von Starköchin Sarah Wiener, so was halt.
Auch das Selbstverständnis hat sich gewandelt. Der frühere »Standpunkt-Journalismus«, wie es Susemichel nennt, das Schreiben in Ich-Form und aus persönlicher »Betroffenheit«, sei in den Hintergrund gerückt. Für die Zukunft wünscht sich die Redaktion jedoch vor allem mehr junge Leserinnen. Doch die Szene driftet immer weiter auseinander, hier die Queer-Feministinnen, da die Polit-Frauen, drüben die Filmtheorie-Fraktion, und die Anarchas gibt es auch noch. »Die alle gleichermaßen zu bedienen, ist schwierig«, sagt Susemichel.
Übrigens: Der Tabubruch im vorigen Heft – ein Interview mit einem Mann – ist fast unkommentiert geblieben.