Willst du Wasser, sei liquid!

Der Berliner Senat hat ein Volksbegehren abgelehnt, das sich gegen die Teilpriva­­­ti­sierung der städtischen Wasserwerke rich­tet. Die Initiatoren wollen sich damit nicht zufriedengeben. Doch ihre Forderungen und die ähnlicher Initiativen ­greifen ohnehin zu kurz. von christoph villinger

War am Ende alle Mühe umsonst? Vor wenigen Tagen erklärte der Berliner Senat das Volksbegeh­ren »Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« aus »verfassungsrechtlichen Gründen für unzulässig«. Dabei hatten die Initiatoren um den »Berliner Wassertisch« und die Grüne Liga statt der erforderlichen 20 000 genau 36 062 Unterschriften gesammelt. Doch der Senat stößt sich insbesondere an der Forderung nach einer nachträglichen Veröffentlichung der Kaufverträge.

Denn 1999 war beim Verkauf von je 24,95 Prozent der Berliner Wasserwerke an den Energiekonzern RWE aus Essen und den Mischkonzern Veolia aus Frankreich vertraglich festgehalten worden, dass »über den Inhalt des Vertrags abso­lutes Stillschweigen zu bewahren ist«. Zwar bestreitet niemand mehr, dass in diesem Vertrag den beiden Großkonzernen auf 29 Jahre eine garantierte Rendite von mindestens sechs Prozent auf das eingesetzte Kapital zugesagt wurde. »Noch immer kennen wir diesen Vertrag nur vom Hören­sagen«, klagt dennoch Michael Bender von der Grünen Liga Berlin, einer der Vertrauensmänner des Volksbegehrens. Nur einige Abgeordnete konnten nach langjährigem Druck den Vertrag einsehen, aber sie unterliegen der Schweigepflicht. Bender vermutet, dass der Senat und insbesondere Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bei einem Erfolg der Bürgerinitiative befürchten, weitere brisante Verträge über die Privatisierung des Elektrizitätsbetriebs Bewag, des Gasversorgers Gasag und der Wohnungsbaugesellschaft Gehag in den vergangenen Jahren offenlegen zu müssen.

Die Ende der 90er Jahre von der damaligen Finanz­senatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) vorangetriebene Teilprivatisierung der Berliner Was­serbetriebe gilt inzwischen als Musterbeispiel für das Scheitern der Privatisierungspolitik. Denn entgegen den Versprechungen der Neoliberalen wird für die Bürger das Wasser nicht billiger, son­dern immer teurer. Allein mit 120 Euro Mehrkosten muss die vierköpfige Berliner Musterfamilie für das Jahr 2008 rechnen, ein Kreuzberger Haus­projekt errechnete 3,50 Euro mehr pro Bewohner und Monat. Doch da die höheren Ausgaben in den Betriebskosten versteckt sind, wird die Rechnung erst nächstes Jahr auf den Tisch kommen.

In Berlin sind »seit der Beteiligung Privater im Jahr 1999 die Wasser- und Abwassertarife um 30 Prozent gestiegen«, sagt Hans Estermann von der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft. Und wo die Wasserversorgung wieder von den Kommunen übernommen wird, wie in einigen Orten in Frankreich, »sinken die Preise um 25 bis 45 Prozent«. Zwar werden immer noch rund 90 Prozent der Abwasserentsorgung und rund 60 Pro­zent der Trinkwasserversorgung von kommunalen Gesellschaften geleistet. Doch der Druck zur Privatisierung ist enorm. So berichtet Mathias Ladstätter, Mitglied des »Netzwerks unser Wasser«, von einer neuen Richtlinie der EU-Kommis­sion, die vorschreibt, dass »selbst Dienst­leis­tun­gen wie die öffentliche Grundversorgung mit Wasser demnächst europaweit ausgeschrieben werden müssen«. Da hätten die lokalen Anbieter gegen die großen Konzerne keine Chance mehr, meint Ladstätter.

So entwickelt sich auch in den nördlichen Industrieländern das Trink- und Abwasser für Konzerne zum »blauen Gold«. Zwar ist die Situation nicht vergleichbar mit der in den Ländern des Südens. Kim Wildenberg von der Menschenrechtsorganisation Food First berichtet von »2,4 Milliarden Menschen ohne sanitäre Anlagen und dass ein Fünftel der Menschheit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat«. Verseuchtes Wasser sei verantwortlich für 80 Prozent der Krankheiten in der so genannten Dritten Welt, »deshalb sterben täglich 5 000 Menschen«. Aber Claudia Wendland von »Women in Europe for a Common Future« weiß, dass auch in Europa etwa 20 Millionen Men­schen ohne »ordentliches Klo« leben müssen. Und wenn geholfen wird wie derzeit in Rumänien und Bulgarien, dann stecke die EU rund zehn Milliarden Euro in neue Großanlagen in den Städten. Dabei würden dezentrale kleine Anlagen für 300 bis 600 Euro pro Haushalt auf dem Land viel größeren Nutzen bringen.

Die Großanlagen sind auch in Brandenburg das größte Problem. Weil zu Beginn der 90er Jahre gigantische Kläranlagen ohne Rücksicht auf die einfachsten Kosten-Nutzen-Rechnungen gebaut wurden, summieren sich die Schulden der kommunalen Wasser- und Abwasser­zweck­verbände auf 1,8 Milliarden Euro. Die Schulden werden seit Jahren auf die Bevölkerung umgelegt, die hier fast doppelt so hohe Wasserpreise zahlen muss wie im Süden der Republik. Hierbei übersehen die Kritiker der Privatisierung allerdings gerne, dass dieses Desaster dem öffentlich-rechtlichen Filz zu verdanken ist. In den Klärwerken sollte nicht nur Abwasser entsorgt, sondern auch einigen Dutzend, meist der SPD nahestehenden Beamten aus Nordrhein-Westfalen ein Posten verschafft werden.

Deshalb greift die Forderung nach einer einfachen Rückführung oder dem Verbleib der Wasser­versorgung in öffentlicher Hand zu kurz, wenn sie nicht gleichzeitig eine Entflechtung der Kommunalpolitik von den Betrieben der Grundversorgung und deren direkte demokratische Kontrolle durch die Bevölkerung verlangt. Erst das ökonomische Scheitern des »sozialdemokratischen Filzes« ermöglichte den vorübergehenden Siegeszug des Neoliberalismus. Doch da dieser sich – außer bei den Telekommunikationsdiensten – als noch größerer Flop erweist, begehren in immer mehr Gemeinden die Bürger gegen geplante Verkäufe von kommunalen Dienstleistern auf. So kaufte die Stadt Potsdam für etwa 2,5 Millionen Euro den bereits veräußerten Anteil ihrer Wasserbetriebe von der privaten Eurawasser zurück. Und in Leipzig stimmten vor kurzem 87 Pro­zent der Bevölkerung in einem Bürger­entscheid gegen die vom SPD-Bürgermeister betriebene Teil­privatisierung der Stadtwerke.

In Berlin warten die Initiatoren des Volksbegehrens nun auf die schriftliche Begründung der Ablehnung durch den Senat. »Dann klagen wir notfalls vor dem Berliner Verfassungsgericht«, sagt Michael Bender. Er setzt darauf, dass bei einer Offenlegung der Verträge sich diese unter anderem wegen der Gewinngarantien als sittenwidrig und damit als nichtig herausstellen. Auf diese Weise, so der »Berliner Wassertisch«, lässt »sich das Vertragsverhältnis zwischen dem Land und den Konzernen RWE und Veolia kostenneutral für Berlin beenden«.