Zimbabwe nach den Wahlen

Wahlen ohne Sieger

Das Regime Robert Mugabes in Zimbabwe konnte einen Wahlsieg nicht erzwingen. Doch ein Teil der Bevölkerung ist weiterhin in das Klientelsystem der Regierungspartei Zanu-PF eingebunden.

An Dränglern mangelt es nicht. Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses sei »überfällig«, sagte Sean McCormack, Sprecher des US-Außenministeriums, sie soll nach Ansicht der EU »ohne weitere Verzögerung« erfolgen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte eine »schnelle« Veröffentlichung, die Opposition Zimbabwes will sie durch einen Gerichtsbeschluss erzwingen.
Doch mehr als eine Woche nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom 29. März steht noch immer kein Sieger fest. Bei der Zahl der Par­lamentssitze liegen die größte Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) von Mor­gan Tsvangirai und die Regierungspartei Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (Zanu-PF) von Präsident Robert Mugabe, der das Land seit 28 Jahren regiert, offenbar gleichauf. Zahlen für die Präsidentschaftswahl liegen nicht vor.

Seit Anfang des Jahrzehnts hat sich das Land zum Inbegriff eines Krisenstaates entwickelt. Die Wirt­schaftskrise findet ihren dramatischsten Ausdruck in einer Hyperinflation von mittlerweile über 100 000 Prozent, in vielen Teilen des Landes herrscht Nahrungsmittelknappheit, und die von Mugabe betriebene Landreform hat nur vordergründig die koloniale Landverteilung in Frage gestellt. Die verschiedenen Faktoren haben dazu beitragen, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung in den vergangenen Jahren das Land verlassen hat, darunter sind annähernd drei Millionen Zimbabwer, die derzeit in Südafrika leben.
Die Regierung verweigerte den im Ausland lebenden Staatsbürgern vorsorglich die Wahlbeteiligung, wohl wissend, dass der Großteil von ihnen der Opposition zugeneigt ist. Doch dies blieb nicht die einzige Unstimmigkeit bei den Wahlen. Zwar ist es einer Erklärung von unabhängigen zim­babwischen NGO zufolge, anders als bei vorangegangenen Wahlen, nicht zu Einschüchterungen der politischen Opposition und Gewaltttaten durch die staatlichen Sicherheitsorgane gekommen. Dies verwundert, da Mugabe noch Ende Februar offene Drohungen gegenüber der Opposi­tion aus­gesprochen und verkündet hatte, dass es in Zimbabwe niemals einen Machtwechsel geben werde.
Dass die Wahl dennoch weitestgehend friedlich vonstatten gehen konnte, wird dem Einfluss des Zusammenschlusses der Staaten des südlichen Afrikas, SADC, zugeschrieben. Oftmals für ihre Wirkungslosigkeit kritisiert, scheint die besonders von Südafrikas Präsident Thabo Mbeki verfolgte Politik der »stillen Diplomatie« zumindest hinsichtlich der Wahlen genügend Druck auf Mugabe ausgeübt zu haben.
Somit ist die Regierung der Zanu-PF derzeit gezwungen, mit wahlarithmetischer Kreativität statt mit politischer Gewalt für ihren Machterhalt zu kämpfen. Bereits vor den Wahlen wurden die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen, um die Ergebnisse nachträglich manipulieren zu können. So wurden für die knapp sechs Millionen Wähler neun Millionen Wahlzettel gedruckt, und in einigen kaum bewohnten Regionen sind vielfach mehr Menschen in die Wahlregister eingetragen, als dort tatsächlich leben.

Dass es zu Wahlbetrug kam, scheint festzustehen, schwierig wird es für die Opposition jedoch, dies zu beweisen. Es ist davon auszugehen, dass in den ländlichen Regionen am ehesten versucht wird, die Wahlergebnisse zu manipulieren. Oppositionelle NGO wie das Netzwerk Zimbabwe Democray Now bedienen sich, um dies zu verhndern, ungewöhnlicher Methoden: Sie haben 5 000 Dollar Belohnung für Hinweise auf Wahlfälschung ausgelobt.
Doch in der aktuellen Situation fällt es schwer, zwischen unerlaubtem organisierten Wahlbetrug und erlaubter politischer Einflussnahme zu unterscheiden. Der MDC dominiert zumeist in den Städten, während die Bevölkerung in den ländlichen Regionen, in denen etwa 60 Prozent der Zimbabwer leben, noch immer der Zanu-PF zugeneigt ist. Viele Landbewohner fühlen sich wegen der traumatischen Erinnerungen an die Herrschaft des weißen Siedlerregimes der damaligen Befreiungsbewegung Zanu-PF verbunden, die von Mugabe geführt wurde. Überdies baute die Zanu-PF als Staatspartei ein Patronage- und Klientelsystem auf, das ihr großen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben sicherte. Die ökonomische Krise steigerte die Abhängigkeit vom Wohlwollen des Regimes, die Hungerpolitik Mugabes macht die Unterstützung der Zanu-PF zur Bedingung für die Zuteilung von Lebensmittelrationen.
Doch auch derartige Methoden scheinen Mugabe diesmal nicht zum Sieg verholfen zu haben. Deshalb drängt die Zanu-PF bereits auf eine Neuauszählung der Stimmen, obwohl das amtliche Ergebnis noch nicht verkündet wurde. Der südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu brachte den grotesken Charakter des Auszählungsprozesses auf den Punkt: »Selbst der Dümmste unter uns würde sagen, dass diese Ergebnisse nicht zurückgehalten würden, wenn es nicht so wäre, dass Mugabe nicht gewonnen hat. Wenn die Zanu-PF siegreich gewesen wäre, hätten wir ihre Jubelschreie schon längst vernommen.«
Wahrscheinlich wird es in den nächsten Wochen zu einer Stichwahl zwischen Mugabe und Tsvangirai kommen. Unterdessen wird darüber spekuliert, welche politische Entwicklung sich bis dahin abzeichnen dürfte. Die linksliberale südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian skizzierte bereits zwei Optionen.
Mugabe und die ihm verbundene Militärführung könnten eine Strategie der Spannung betreiben. Ein wesentlicher Bestandteil wäre der Versuch, die Stichwahl hinauszuzögern und in dieser Zeit die Opposition zu attackieren und mundtot zu machen, möglicherweise nach der Ausrufung des Ausnahmezustands. Für dieses Szenario spricht die Tatsache, dass die Armeeführung und die Veteranenverbände besonders von Mugabes Patronagesystem und Klientelwirtschaft profitiert haben und sie im Falle eines Machtwechsels alles verlieren könnten. Denn Mugabe sicherte seine Machtbasis seit Anfang des Jahrzehnts dadurch, dass die Veteranenverbände zu Besetzungen von Farmen weißer Zimbabwer ermutigt und aufgerufen wurden.
Mugabe versuchte durch diese Politik einen Ausweg aus der wachsenden Abhängigkeit Zimbabwes von den internationalen Institutionen zu finden, die den Aufbau des Industriesektors finanzierten. Da der Schuldendienst mit unpopulären Entscheidungen wie »Strukturanpassungsmaßnahmen« und Einschnitten im öffentlichen Dienst verbunden war, bedurfte es dringend populistischer Maßnahmen in anderen politischen Bereichen. Die Landfrage eignete sich dafür besonders, denn in der ungleichen Landverteilung zeigte sich am deutlichsten das Erbe des Kolonialismus. Doch die Revision der kolonialen Landverteilung, die weißen Grundbesitzern einen Großteil des fruchtbaren Bodens zugesprochen hatte, war keine durch Technik und Know-How unterstützte umfassende Landreform. Neben der Sicherung der eigenen Machtbasis schien das Ziel vielmehr zu sein, durch die Besetzungen interne Feinde wie die weißen Farmer, aber auch die schwarzen Farmarbeiter zu treffen, deren Unterstützung häufig der Oppositionsbewegung MDC galt.

Weil ein Teil der Bevölkerung in das Patronagesystem Mugabes eingebunden ist, könnte die wei­te­re Entwicklung auch zu einer »Regierung der nationalen Einheit«, einer Koalition von MDC und Zanu-PF, führen. Der MDC fordert jedoch, dass Mugabe einer solchen Regierung nicht mehr angehören dürfe. Gleichzeitig versprach Tsvangirai, dass Mugabe keinerlei Strafverfolgung drohe, und erklärte gegenüber dem Leiter des Wahlbeobachtungsteams der Afrikanischen Union, er sehe Mu­gabe als Vater der Nation, für den er den größten Respekt habe. Eine überraschende Aussage, zumal Tsvangirai vor eineinhalb Jahren von Mugabes Sicherheitspolizei zusammengeschlagen wurde.
Doch um tatsächlich eine Machtteilung auszuhandeln, müssten derartige Amnestieregelungen auch auf weite Teile der Zanu-PF, der Armee und der Veteranenverbände übertragen werden. Ebenso müssten die Farmübereignungen und ‑besetzungen für rechtlich einwandfrei erklärt werden. Ein Verzicht auf die Rückgabe des Landes an die weißen Großgrundbesitzer würde Tsvan­girai einen Konflikt mit der britischen Regierung einbringen, die bis dato als größter Unterstützer des MDC aufgetreten ist. Sie hat eine jährliche Finanzhilfe von 1,3 Milliarden Euro versprochen, falls der MDC die Wahlen gewinnen sollte.
Der Leiter des Centre for Civil Society im südafrikanischen Durban, Patrick Bond, kritisierte bereits, dass sich Zimbabwe damit erneut in die Abhängigkeit von internationalen Institutionen begeben werde und die Bedingungen für Hilfszahlungen und Kredite eine langfristige soziale Entwicklung unmöglich machten. Gleichzeitig warnte er vor einem Elitenkompromiss, der weitergehende Forderungen der Zivilgesellschaft ausgrenze und für einen Großteil der Bevölkerung keine Veränderungen bedeuten würde.
Als Beispiel für einen solchen Kompromiss dient derzeit Kenia. Dort hat die Machtteilung zwischen den verfeindeten politischen Parteien zu einer Diskussion um die Aufblähung des Staatsapparates auf 44 Ministerien geführt. Unabhängige Organisationen haben am Dienstag der vergangenen Woche in Nairobi gegen diese Pläne demonstriert. Es wäre zu hoffen, dass sich in solchen Aktionen von unten eher eine Parallele zwischen den beiden Ländern abzeichnet als in dem dieser Tage überstrapazierten Vergleich zwischen Kenia und Zimbabwe hinsichtlich gewaltsamer Konflikte nach den Wahlen.