Der neuste BND-Skandal

Vertrauen ist nicht gut!

Die Empörung ist groß: Der BND hat den afghanischen Wirtschaftsminister und eine Journalistin ausgespäht. Doch die Kontrolle des Geheimdienstes wird nicht wirklich gewünscht.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat die E‑Mails des afghanischen Wirtschaftsmininisters, Mir Mohammad Amin Farhang, gelesen. Das war eine anspruchsvolle Aufgabe, denn Farhang spricht die afghanischen Amtssprachen Dari und Paschtu sowie Französisch, Englisch und Deutsch. Mit der Spiegel-Journalistin Su­san­ne Koelbl hatte Farhang im Jahr 2006 unverschlüsselte, elektronische Postkarten ausgetauscht. Sie wurden alle abgefangen, weil der BND die Rechner des Ministers erst offline verwanzt und dann online ausspioniert hatte. Das war legal, obwohl Koelbl kein »Ziel« des BND war – ein informa­tioneller Kollateralschaden, den man in Kauf nahm.
Den Minister wird das Spionieren nicht überrascht haben. Farhang war früher Mitglied der Grünen. Die Partei hat, als sie noch mitregieren durfte, alle einschlägigen Abhörgesetze verabschiedet: Das Gesetz zur Beschränkung des ­Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (»G-10-Gesetz«) erlaubt den Geheimdiensten, die Telekommu­nikation zu überwachen und aufzuzeichnen und auch Briefe zu öffnen. Die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) regelt das Abfangen der E‑Mails in den Polizeigesetzen der Länder und in der Strafprozessordnung.
Der BND kann sich an die Gesetze halten, macht das aber nicht immer. In der Vergangenheit schmuggelte der Geheimdienst Plutonium und durchwühlte Mülleimer nach verdächtigem Material, wie im Fall des bespitzelten Journalisten Erich Schmidt-Eenbohm. Der frühere Vertreter des Bundesnachrichtendienstes in Spanien soll gesagt haben: »Man kann ein Freudenhaus nicht mit Hilfe eines Bischofs aufklären.«
Der BND wühlt daher im Dreck und handelt nach der Maxime: »Legal, illegal, scheißegal!« Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt, ihr Vertrau­ensverhältnis zum BND sei nun gestört, ist das keine ernst zu nehmende Aussage, sondern angesichts der Vergangenheit der Truppe reine Comedy.
Geheimdiensten traut man nicht, sondern kontrolliert sie. Politisch gewollt ist, dass das nicht wirklich geschieht. Der Bundesnachrichtendienst ist dem Bundeskanzleramt unterstellt. Die rechtlichen Bestimmungen, auf deren Grundlage er vorgeht, sind das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst und der Paragraf 8, Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Dort wird bestimmt, das Bundesinnenministerium müsse den Dienstvorschriften zustimmen, die regeln, wie Informationen beschafft werden, und könne das Parlamentarische Kontrollgremium (PKK) über die Informationsbeschaffung unterrichten. Es kann, muss aber nicht. Was geheim ist oder illegal, bestimmt der BND am Ende selbst.
Im Gesetz steht auch: Von mehreren geeigneten Maßnahmen habe der Bundesnachrichtendienst diejenige zu wählen, »die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt«. Der BND hat in der Vergangenheit bereits Informa­tionen abgeschöpft, die unter Folter herausgepresst wurden – wie 2002 in Syrien im Fall des deutschen Staatsbürgers Mohammed Haydar Zammar. Im Vergleich zu Waterboarding, Elektroschocks und Daumenschrauben sind das Verwanzen von Computern und das Ausspähen der Intimsphäre weitaus weniger beeinträchtigend. Insofern hat die derzeitige Affäre auch ihre gute Seite.