Die SPD ohne Profil und Personal

80 years later

Die SPD ist tot, es lebe die K-Frage!

Dass die SPD eine Partei ist, auf die sich ihre Wähler im Zweifelsfall nicht verlassen können, stellte schon Kurt Tucholsky fest: »Es ist ein ­Unglück, dass die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder Hier können Familien ­Kaffee kochen oder so etwas – vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet.« Dennoch brauchte es noch über 80 Jahre und eine knapp zwei Legislaturperioden währende Schreckensherrschaft des Bildzeitungskanzlers, ehe sich bis in die letzten Wählerkreise herumgespro­chen hatte, dass diese Partei nicht mehr weiterexistieren will.
Auf den holzig-trockenen Vorsitzenden Franz Müntefering folgte für ein halbes Jahr der treuherzig-weiche Matthias Platzeck, dessen Rücktritt wiederum der bolzig-biedere Kurt Beck zur Machtübernahme nutzte. Hatte die einstige Partei Lassalles, Bebels und Luxemburgs sich bereits vor zehn Jahren von dem merkwürdigen »Triumvirat« Gerhard Schröder, Oskar Lafon­taine und Rudolf Scharping hinmorden lassen, so scheint derzeit sogar ihre Wiedergängerin zu versterben. Dabei ist Untoten das Sterben sonst gar nicht eigen.
An der Frage nach dem Kanzlerkandidaten und an der Verbissenheit, mit welcher der Streit um diese so genannte K-Frage betrieben wird, zeigt sich, wie weltfremd die SPD geworden ist. Denn weder Beck, noch Peer Steinbrück, noch Frank-Walter Steinmeier, die allesamt vor allem mit ihren Frisuren auffallen wollen, hätten eine ernsthafte Chance, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen. Und dass die Kandidatur von jemandem wie dem egozentrischen, sonst aber völlig ziellosen Partybürgermeister Klaus Wowereit ernsthaft in Erwägung gezogen werden kann, beweist abermals, wie schlecht es um die Partei bestellt ist. Offensichtlich hat sie, wie sie tagtäglich in der Großen Koalition demons­triert, nicht nur kein sie auszeichnendes eigenes politisches Profil, sie hat nicht einmal mehr Personal.
Zudem ist die SPD im Osten des Landes beinahe machtlos, im Westen sinken ihre Chancen ebenfalls rapide, und es braucht als Gegner schon eine Krawallfigur wie Roland Koch, damit die SPD noch halbwegs an ihre frühere Bedeutung erinnern kann. Auch verliert die Partei derart viele Mitglieder, dass die Rede von der allgemeinen Politikverdrossenheit nicht mehr als Erklärung angeboten werden kann.
Die SPD aber macht, ebenso wie alle gerade mehr oder minder heiß gehandelten Kanzlerkandidaten, nichts, außer weiter wie bisher. Das soll Traditionsbewusstsein suggerieren, demons­triert aber nur Hilflosigkeit. Zu einer Selbstkritik – immerhin eine sozialistische Tugend – ist die SPD nicht mehr fähig. Wann immer aus der Partei schlechte Ergebnisse kommentiert werden müssen, sind andere, allen voran »Die Linke« und Oskar Lafontaine, schuld. Wie aber ­sollen die Wählerinnen und Wähler einer Partei trauen, die nicht mal für ihre eigenen Wahlergebnisse die Verantwortung übernehmen will? In einer solchen Situation die K-Frage zu stellen, ist absurd. Dennoch macht die SPD nichts anderes. Und sie wird sich wohl auch bis auf weiteres der CDU als Juniorpartner andienen, da­mit zumindest einige gut bezahlte Posten zu ergattern sind.
Die SPD will, wie es in ihrem neuesten, dem Ham­burger Programm heißt, »gestalten«. »Gestalten« muss man hier allerdings mit »mitmachen« übersetzen.